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Warum? Jürgen Klinsmanns Amtszeit beim FC Bayern war ein einziges Missverständnis.

© dpa

Hertha-Trainer trifft auf Ex-Klub FC Bayern: Jürgen Klinsmann und das Missverständnis von München

Beim FC Bayern München wurde Jürgen Klinsmann als Trainer alles andere als glücklich. Die Geschichte einer schrägen Beziehung.

Ein großes Hallo wird sich Jürgen Klinsmann vermutlich verkneifen. Der Trainer von Hertha BSC hat vor dem Bundesliga-Rückrundenauftakt an diesem Sonntag gegen den FC Bayern etwas anderes zu tun, als dessen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge um den Hals zu fallen.

Und vermutlich werden die Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters ihren ehemaligen Angestellten zwar freundlich, aber sicher nicht begeistert begrüßen. Denn die zweite Liaison, die mit Klinsmann als Trainer, die im April 2009 nach nur zehn Monaten endete, war ein großes Missverständnis.

Klinsmann wollte offensiver spielen – und scheiterte

Klinsmann hatte damals seinen Job in München noch gar nicht angetreten, als sich schon erste Skepsis breit gemacht hatte im Umfeld. Es klang ein wenig nach Aktionismus, was da fast wöchentlich an Veränderungen und Modernisierungen für die folgen Saison verkündet wurde.

Die Bayern-Führung nahm zunächst wenig Einfluss auf die Entscheidungen des Trainers, dem Schwaben wurden bei seiner Verpflichtung so viele Kompetenzen übertragen wie keinem Trainer je zuvor. Die Münchner Chefetage vertraute wohl auch darauf, dass Klinsmann ein Gespür für die richtigen Mitarbeiter hat – wie zuvor in der Nationalmannschaft.

Da hatte er einst in dem erfahrenen Joachim Löw den perfekten Assistenten angeworben. Aber in München verzichtete er auf einen Co-Trainer, der sich auskannte in der Bundesliga, sondern brachte in Martin Vasquez einen ehemaligen mexikanischen Nationalspieler mit, der sich in den USA und Mittelamerika auskannte, aber nicht in Europa. Mit Nick Theslof als Assistent der Scoutingabteilung holte Klinsmann einen weiteren Bekannten aus Kalifornien zum FC Bayern.

Unschöne Bescherung. Co-Trainer Vasquez (l-r), Klinsmann, Ex-Manager Hoeneß und Torwarttrainer Junghans leiden.
Unschöne Bescherung. Co-Trainer Vasquez (l-r), Klinsmann, Ex-Manager Hoeneß und Torwarttrainer Junghans leiden.

© Peter Kneffel/dpa

In München mochten seine engen Mitarbeiter zwar die neuesten Trainingsmethoden, innovative Übungen und welcher Muskel am besten wie zu beanspruchen ist, aber der einzige Bundesliga-Insider war Michael Henke, der Assistent von Ottmar Hitzfeld war zum Chefanalytiker und Leiter Spielerbeobachtung befördert worden. Einfluss auf die Arbeit mit den Spielern hatte er aber keine.

Auf seiner ersten Station als Vereinstrainer wollte Klinsmann seinem Ruf als Reformer gerecht werden – in allen Bereichen. In der Nationalmannschaft war dies zuvor richtig und wichtig, beim FC Bayern hingegen nur bedingt nötig, denn sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld hatte ihm eine intakte Mannschaft hinterlassen, den großen Umbruch bereits ein Jahr zuvor vollzogen.

In München wäre man hochzufrieden gewesen, wenn der neue Trainer die Arbeit seines Vorgängers fortgeführt und sich vielleicht etwas mehr als Hitzfeld um die Weiterbildung der jüngeren Spieler gekümmert hätte.

Klinsmann aber wollte der Mannschaft ein neues Gesicht geben. Bayern sollte flexibler und offensiver spielen. Dafür opferte er funktionierende Strukturen. Er ordnete eine Abwehr neu, die in der Saison zuvor die beste in der Liga war, und sorgte mit seinen Rochaden ganz offensichtlich für Verunsicherung und Irritationen in allen Mannschaftsteilen.

Klinsmanns Entlassung war eine Erlösung für den FC Bayern

Da stellte er zum Beispiel in Martin Demichelis einen starken Innenverteidiger plötzlich ohne Not ins Mittelfeld. Mark van Bommel beförderte er erst zum Kapitän, dann auf die Bank. Es folgte eine veritable Herbstkrise, dann viele Gespräche mit den Chefs – und schließlich eine Abkehr von der ganz großen Reform.

Das Resultat war aber nur ein kurzes Hoch, in dem, so wurde kolportiert, noch immer sichtbare taktische Defizite innerhalb der Mannschaft korrigiert wurden. Im Frühjahr gelang auch das nicht mehr, die Abwehrprobleme noch immer nicht im Griff, und dann kam die Partie gegen den VfL Wolfsburg, die 1:5-Klatsche.

Der Tabellenführer führte den Rekordmeister vor – und den Chefs vor Augen, dass Klinsmann in einer Sackgasse steckte. Den Rückhalt der Fans hatte er schon länger verloren. Der überraschende und vor allem vom Zeitpunkt her – vor dem Champions-League-Hinspiel beim FC Barcelona – nicht nachvollziehbare Torwartwechsel (Jörg Butt statt Thomas Kraft) zeigte Klinsmanns Orientierungslosigkeit.

Von seiner Ankündigung zu Saisonbeginn, er wolle „jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“, ist nichts geblieben. Kein einziger Spieler wurde besser, kaum einer war so gut wie im Jahr zuvor – und die meisten spielten sogar schlechter.

Einen Tag nach der Niederlage gegen Schalke war sein Engagement in München beendet. Es war wie eine Erlösung. Für den Klub und sicher auch für Klinsmann selbst.

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