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Oft nur durch Fouls zu stoppen: Matheus Cunha.

© dpa

Hertha-Neuzugang Matheus Cunha: „Ich bin nicht nur wegen Jürgen Klinsmann hier“

Matheus Cunha könnte Hertha beleben. Mit einer Mischung aus Spielfreude und Disziplin schlägt er aus der Linie seiner Landsleute bei den Berlinern.

Die kurze, aber zugige Passage vom Spielertrakt rüber zum Medienraum nahm Matheus Cunha in kurzen Hosen. Ein sicheres Indiz dafür, dass er mit den klimatischen Widrigkeiten eines mitteleuropäischen Winters inzwischen vertraut ist. Es regnete am Dienstag, und weil der Wind waagerecht pfiff, war es ungemütlicher, als die Temperaturen vermuten ließen.

Für einen Brasilianer machte Cunha einen vergleichsweise vergnügten Eindruck. Schon in der Trainingseinheit vorneweg. Man könnte auch sagen, der Neuzugang von Hertha BSC gab sich ungewöhnlich unbrasilianisch.

Seit der Ära von Dieter Hoeneß, inklusive der ersten und bisher einzigen Champions-League-Teilnahme Herthas, haben Spieler aus dem Land der fünfmaligen Weltmeisters eine gewisse Tradition bei den Berlinern. Nicht selten spielten Cunhas Landsleute prägende Rollen, meist auch vom Wetter abhängig, aber sie spielten eben eine.

Mal mehr für den Boulevard, mal mehr für das sportliche Fortkommen. Einer, der beide Fächer famos bediente, war Marcelinho, Herthas prägende Figur der Nullerjahre. Er bediente sozusagen den „Kicker“ wie die „Bild“. Noch heute schwärmen viele Hertha-Fans jenen Tagen hinterher.

"Ich möchte hier meine eigene Geschichte schreiben"

Erwähnt seien hier noch Spieler wie Alex Alves, der erste Brasilien-Transfer von Hoeneß, und Gilberto sowie Raffael und dessen Bruder Ronny. Sie haben Spuren hinterlassen. „Jeder Spieler hat seine eigene Geschichte“, sagt der erst 20 Jahre alte Cunha freundlich, wobei nicht ganz klar wird, ob er wirklich jeden seiner Vorgänger bei Hertha kennt oder erinnert. „Ich möchte hier meine eigene Geschichte schreiben.“ Schlauer hätte er nicht antworten können.

Denn anders als die meisten seiner Landleute bei den Berlinern hat Cunha bei RB Leipzig die Hände von Ralf Rangnick durchlaufen. Der frühere Trainer und Sportdirektor hat nicht nur Wert auf die sportliche Entwicklung gelegt. „In Leipzig habe ich gelernt, mich anzupassen an das Leben hier.“ Die Arbeit dort habe ihn geprägt. „Harte Arbeit lohnt sich“, sagt Cunha, „und Bescheidenheit.“ Das ist nun etwas, was ihn wirklich von seinen brasilianischen Vorläufern in der Hauptstadt unterscheidet.

Bereits in jungen Lebensjahren hat Cunha seine Heimat Brasilien verlassen und ist nach Europa gezogen. Zunächst landete er beim FC Sion in der Schweiz, im Sommer 2018 dann in Leipzig. „Ich habe immer geträumt davon, in Europa zu spielen und Karriere zu machen“, erzählt Cunha. So habe er Sprachen und Kulturen gelernt, ist reifer geworden. In Brasilien hätte er sich auch entwickelt, „aber anders“.

Matheus Cunha ist ein aufmerksamer Zuhörer. Bis auf eine oder zwei Ausnahme benötigt er für die Fragen der Journalisten nicht den Dolmetscher, der neben ihm sitzt. Nur antwortet er fast ausschließlich auf Portugiesisch.

„Er freut sich auf jede Trainingseinheit“, hat Trainer Alexander Nouri erzählt, als er nach dem Training auf Cunha angesprochen wurde. Selbst in der Kabine würde dieser „Freude verbreiten“.

England, Spanien - Cunha hatte viele Optionen

18 Millionen Euro hat Hertha jetzt im Winter für ihn ausgegeben, zuvor stand er rund 18 Monate in Leipzig unter Vertrag. In 25 Bundesligaspielen erzielte der offensiv vielseitig einsetzbare Brasilianer dort zwei Tore, was nun nicht die Welt ist. Zuletzt machte er es in der brasilianischen U-23-Auswahl sehr viel besser.

Beim Olympia-Qualifikationsturnier in Kolumbien erzielte er fünf Tore, zwei davon gegen Argentinien, womit das Ticket für die Spiele im Sommer in Tokio gelöst wurde. „Ich habe immer an mein Potenzial geglaubt“, sagt der junge Mann. Auch in Leipzig habe man seine Qualitäten gekannt, aber RB habe eben auch viele sehr gute Offensivspieler.

Im Winter hat es für Cunha auch noch andere Optionen gegeben, in England und in Spanien zum Beispiel. Letztlich habe er sich für Berlin entscheiden, weil ihn das Projekt interessierte habe. Und ja, Jürgen Klinsmann habe dabei eine Rolle gespielt, „er war Trainer, ein namhafter dazu, er war auch wichtig“, sagt Cunha, „aber nur seinetwegen bin ich nicht hier. Ich möchte mit Hertha etwas Großes erreichen.“

Bereits am vergangenen Samstag hatte er das Siegtor gegen Paderborn nach nur zwei Einheiten mit seinen neuen Mitspielern erzielt. Mit der Hacke. Wichtiger dabei aus Berliner Sicht war sein Zusammenspiel mit Sturmpartner Krzysztof Piatek. Es harmonierte auf Anhieb. „Ich denke, ich bin offensiv vielseitig einsetzbar und nicht so sehr auf eine Position fixiert“, sagt Cunha. Trotz der straffen Leipziger Schule habe seine Spielweise nicht an Spielfreude eingebüßt. Erlernt hat er diese beim Futsal. „Ich liebe es. Du musst schnelle Entscheidungen treffen. Futsal ist nicht zu überbieten.“

Noch ist nicht klar, ob Hertha ihm die Olympiateilnahme genehmigt, weil dadurch die Saisonvorbereitung beeinträchtigt wird. „Hier im Verein wissen sie von der Freude, die man hat, wenn man zur Seleçao eingeladen wird“, sagt Cunha. Vorher möchte er für Hertha liefern. „Dann lässt man mich bestimmt zu Olympia fahren.“

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