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Auf Wiedersehen. Pal Dardai trainiert nach dieser Saison nicht mehr die Profis.

© REUTERS

Update

Hertha BSC will vorankommen: Wie das Umfeld auf die Entlassung von Pal Dardai reagiert

Viele Fans von Hertha BSC können nicht nachvollziehen, warum Pal Dardai die Profis nicht mehr trainieren soll. Doch der Klub hat seine Gründe.

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In den Weiten des Internets findet man mitunter die verrücktesten Sachen. Auf der Homepage einer großen Verkaufs-Plattform etwa bietet ein Fan von Hertha BSC im Moment drei Tickets für das Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover 96 am Sonntag im Olympiastadion an. Der Originalpreis liegt bei 52 Euro pro Karte, aber der Interessierte bekommt sie deutlich günstiger. „Zu verschenken!“ steht in fetten Buchstaben über der Anzeige – und die Erklärung folgt sogleich: „Mir reicht’s!“ Man müsse nur nach Charlottenburg fahren und die guten Stücke abholen.

Zur Verteidigung des Berliner Fußball-Bundesligisten ist zu sagen, dass die Annonce bereits online stand, als die jüngste Personalentscheidung, die vorzeitige Entlassung Pal Dardais im Sommer 2019, noch gar nicht bestätigt war. Trotzdem spiegelt das Inserat die Meinung vieler Anhänger wider: zuerst der Streit zwischen Fans und Vereinsführung, dann die wieder einmal schwache Rückrunde, das PR-Desaster um den geplanten Stadionneubau – und jetzt auch noch das Aus der vielleicht größten Identifikationsfigur des Klubs, das Aus von Pal Dardai als Profitrainer.

Am Dienstagmorgen hatte Hertha in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass nach der Saison Schluss sein wird, obwohl es am Montag von Seiten des Klubs noch hieß, alles sei „wie immer“. Tatsächlich spulte Dardai sein übliches Training ab und sagte: „Ich habe nichts davon gehört, dass der Manager unzufrieden mit mir ist.“

In Wahrheit wurde allerdings schon an der offiziellen Formulierung für die Entscheidung gegen den 43 Jahre alten Trainer gefeilt. Ursprünglich wollte der Verein dem Vernehmen nach erst nach der Saison öffentlich machen, dass ein Nachfolger für Dardai gesucht wird. „Doch der Druck von außen ist nach der fünften Niederlage in Folge einfach zu groß geworden“, wie ein Funktionär sagt. Trotzdem stören sich viele Fans gerade an der Art und Weise, wie die Klubführung mit Publikumsliebling Dardai umgeht– und am Zeitpunkt der verkündeten Entlassung.

Dardai steht für Hertha wie kein anderer

Es gehört nicht viel Fantasie zu der Prognose, dass es auf der nächsten turnusmäßigen Mitgliederversammlung am 19. Mai deshalb turbulent zugehen wird. „Da könnte es wirklich explodieren“, sagt Marc Schwitzky. Der 23-Jährige ist Hertha-Fan seit Kindheitstagen, er schreibt für die Online-Plattform „Fußballnews“ und betreut die Twitter-Seite der sogenannten „Hertha Base“ – unter diesem Namen organisieren sich Herthas Fans im Internet. Schwitzky sagt: „Die Entscheidung gegen Dardai hatte sich zwar angebahnt, trotzdem haben die meisten Fans das als Schock empfunden – weil dieser Mann für Hertha BSC steht wie kein anderer.“ Als Dardai zum ersten Mal das blau-weiße Trikot trug, war Schwitzky gerade zur Welt gekommen. So viel zum Thema Verbundenheit und Identifikation.

Aus besseren Tagen. Co-Trainer Rainer Widmayer und sein Vorgesetzter Pal Dardai.
Aus besseren Tagen. Co-Trainer Rainer Widmayer und sein Vorgesetzter Pal Dardai.

© Annegret Hilse/dpa

Es ist vor diesem Hintergrund verständlich, warum Anhänger sich darüber wundern, dass Hertha einen Profitrainer schasst, der den Verein repräsentiert wie kaum jemand anderes. „Es ist schließlich nicht irgendein Trainer, den der Verein entlassen hat, nachdem er noch vor kurzem mit ihm verlängert hat“, sagt ein Mitglied des sogenannten Förderkreises Ostkurve, dem Zusammenschluss der größten Hertha-Fanclubs. Andere bezeichnen Dardais Statistik dagegen für den „Inbegriff von Mittelmaß und Stagnation“. Oder wie es jemand anderes auf Twitter ausdrückt: „Mehr als Mittelfeld ist nie drin bei denen.“ Ähnlich kontrovers wie in der Fanszene ist die Diskussion innerhalb des Vereins geführt worden.

Wie zu hören ist, war das Präsidium zwiegespalten, als Manager Michael Preetz für einen Trainerwechsel im Sommer plädierte. Die einen verwiesen auf die großen Verdienste Dardais, dem es in all den Jahren gelungen war, Hertha von der Abstiegsregion fernzuhalten und sogar in den Europapokal zu führen. Den anderen missfielen die teilweise unkontrollierten Auftritte von Dardai, der nicht nur intern gepoltert hat, sondern auch mehrmals gegenüber Journalisten ausflippte und ihnen „geplanten Mord“ vorwarf.

Fans und Verein sind gespalten

Außerdem soll man mit dem monotonen Training Dardais ebenso wenig einverstanden gewesen sein wie mit seiner Wahl des künftigen Nachfolgers von Rainer Widmayer als Co-Trainer. Widmayer gilt als Taktikexperte und verlässt Hertha nach Saisonende Richtung Stuttgart. Man habe Dardai nicht zugetraut, den nötigen nächsten Schritt nach vorne zu machen und die Mannschaft weiterzuentwickeln, sagt ein Funktionär. Klar sei aber, dass er der Nachwuchsabteilung der Berliner in einer führenden Position erhalten bleiben soll und selbst signalisiert habe, keine anderen Angebote von Bundesligisten anzunehmen.

An Manager Preetz und Präsident Werner Gegenbauer liegt es nun, einen Nachfolger zu finden, der den Klub tatsächlich voranbringt – und nicht zuletzt auch die Fans überzeugt. Wenn man so will, suchen sie die kommende Saison so ziemlich das Gegenteil von Dardai. Offenbar soll jemand von außen geholt werden, der zumindest ein wenig Erfahrung im Profibereich mitbringt und die Mannschaft auch mit attraktivem Fußball weiter nach vorne führt. Auf jeden Fall muss er die gute Jugendarbeit fortsetzen und Spieler aus dem Nachwuchs in das Profiteam integrieren. Der „Berliner Kurier“ will erfahren haben, dass Dirk Kunert ein möglicher Kandidat ist. Er war schon bei Hertha und Mainz im Nachwuchs tätig. Aber auch größere Namen wie Jürgen Klinsmann oder David Wagner sind im Gespräch. Wie zu hören ist, wurde dem Präsidium von Hertha aber noch kein konkreter Vorschlag unterbreitet.

„Die Verantwortlichen müssen jetzt ein sportliches Konzept vorstellen und klar aufzeigen, warum das mit Dardai nicht möglich gewesen wäre“, sagt Marc Schwitzky. In den nächsten fünf Spielen, so ist es aus Fankreisen zu hören, will der Großteil der Anhänger in der Ostkurve ihren Lieblingstrainer – unabhängig vom sportlichen Erfolg – jedenfalls gehörig unterstützen. Noch haben schließlich nicht alle ihre Eintrittskarten verschenkt.

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