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Was wollt ihr denn? Ein neues Stadion! Herthas Führung mit Ingo Schiller und Michael Preetz (von links) wird bei der Mitgliederversammlung für einen Neubau werben.

© Stache/dpa

Hertha BSC will Druck auf die Politik erhöhen: Ein Plebiszit für das neue Stadion

Die Mitgliederversammlung von Hertha BSC soll auch über den Stadionneubau abstimmen. So soll die Berliner Politik auf Vereinslinie gebracht werden.

Wenn sich die Mitglieder von Hertha BSC am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle unterm Funkturm zur ersten ihrer jährlich zwei Mitgliederversammlungen treffen, wird vieles anders sein als in der Vergangenheit. Das fängt schon mit dem Termin – Sonntagvormittag statt Montagabend – an. Der Verein kommt damit einem Wunsch seiner Mitglieder nach, die sich immer wieder für eine Verlegung aufs Wochenende ausgesprochen haben. Beim Catering wird es ebenfalls Veränderungen geben, im Saal gibt es eine zweite Leinwand, und die Berichte der Abteilungen sollen diesmal in einer Talkrunde präsentiert werden und nicht mehr vom Rednerpult herab.

Man tritt Hertha vermutlich nicht zu nahe, wenn man all diese Neuerungen als Versuch wertet, eine Art Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Die braucht es auch.

Selbst wenn am Sonntag weder Präsidiums- noch Aufsichtsratswahlen anstehen, könnte es ganz schön turbulent werden. Das liegt weniger an der Entscheidung der sportlichen Führung, Ante Covic, den bisherigen Coach der eigenen U 23, zum Nachfolger der Vereinslegende Pal Dardai zu befördern. Wenn man die Reaktionen aus den sozialen Medien zum Maßstab nimmt, hätte der Name des neuen Cheftrainers nach dem Geschmack der Fans ruhig ein wenig prominenter sein dürfen, um ein Gefühl von Aufbruch wecken. Und trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass die Kritik an Manager Michael Preetz wegen seiner Entscheidung maßlos ausfallen wird – weil jedes böse Wort gegen ihn zugleich ein böses Wort gegen Covic wäre, der wegen seiner Verbundenheit mit Hertha durchaus Respekt und Zuneigung genießt.

Brisanter ist die Frage, in welchem Stadion Hertha BSC ab 2025 spielen wird – und welche Strategie der Klub nach dem vorläufigen Scheitern seiner Neubaupläne nun verfolgt. Einen ersten Einblick hat Manager Preetz vor knapp anderthalb Wochen in einem Interview mit dem „Kicker“ gegeben, das einige bemerkenswerte Aussagen gerade in Richtung Berliner Politik enthält. Der Ton klang jedenfalls deutlich schärfer als in den Wochen und Monaten zuvor.

„Wir möchten das Stadion auf unserem Gelände bauen, weil wir glauben, gute Argumente zu haben, dass das der richtige Standort ist“, sagt Preetz. „Und wir glauben auch, dass es für Berlin richtig wäre, dieses Projekt zu unterstützen.“ Dummerweise glaubt Berlin das noch nicht. Oder zumindest die Berliner Politik nicht.

Es gibt bisher kein einheitliches Meinungsbild

Der Plan, neben dem Olympiastadion eine Fußballarena für 55.000 Zuschauer zu bauen, ist fürs Erste daran gescheitert, dass auf dem bevorzugten Gelände sechs Häuser mit 24 Wohnungen stehen – und dass deren Eigentümerin, die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892, nicht mehr mit Hertha verhandeln will. Diese Entscheidung hat den Klub hart und unvorbereitet getroffen. In der nächsten Präsidiumssitzung erlebten die Teilnehmer Präsident Werner Gegenbauer wie einen geschlagenen Mann. Hertha sieht sich in der Opferrolle, fühlt sich von der Berliner Politik unverstanden, ausgebremst und benachteiligt. Der Tenor lautet: Wir haben alles richtig gemacht. Anstatt die eigene Handlungs- und Kommunikationsstrategie kritisch zu hinterfragen, scheint Hertha nun einen anderen Weg zu verfolgen.

Natürlich hat Hertha sich nicht nur ungeschickt, sondern sogar taktisch falsch verhalten. Was nutzen Aussagen wie, 'wir werden 2025 auf jeden Fall nicht im Olympiastadion spielen', wenn man jeden Standort, außer dem gescheiterten, ausschließt?

schreibt NutzerIn kucki61

„Vielleicht ist der Druck auf die Politik noch nicht groß genug“, hat Preetz im „Kicker“ gesagt. Berlin solle lieber nicht davon ausgehen, dass die Mannschaft mangels Alternativen auch nach 2025 auf jeden Fall im Olympiastadion spielen werde. Es sei überhaupt kein Problem, ein temporäres Stadion zu bauen. Wo das hingebaut werden soll, hat Preetz allerdings nicht gesagt.

Hertha will die widerspenstige Berliner Politik auf Vereinslinie bringen – und dabei spielt die Mitgliederversammlung am Ende dieser Woche eine wichtige Rolle. Wenn die Politik verstehe, „dass unsere Fans und 36.000 Mitglieder hinter unserem Projekt stehen“, könne eine neue Situation entstehen, hofft Preetz. Die MV soll zum Plebiszit für das neue Stadion werden. Dazu denkt Hertha als flankierende Maßnahme über eine Befragung der kompletten Mitgliederschaft nach.

Das Problem ist, dass es bisher kein einheitliches Meinungsbild gibt. Es gibt genügend Mitglieder (und Fans), die ganz gern im Olympiastadion bleiben wollen – schon weil sie das so gewohnt sind. Und selbst wenn es Hertha gelingen sollte, den Unmut über die Blockadehaltung der Politik in eine klare Unterstützung für ihre Stadionpläne umzuleiten, stellt sich die Frage, wie gewaltig die Drohkulisse wäre. Zieht man von den 36.000 Mitgliedern all jene unter 18 Jahren ab, die noch gar nicht wählen dürfen, dazu das gute Drittel, das in Brandenburg lebt und in Berlin nicht wahlberechtigt ist, dann scheint Hertha den eigenen Einfluss doch ein wenig zu überschätzen.

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