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In guter Gesellschaft. Lucas Tousart (hinten) hat sich in der Champions League schon mit Lionel Messi gemessen - und sogar ein Tor gegen Barca erzielt.

© imago images/VI Images

Update

Hertha BSC und das Überangebot im Mittelfeld: Lucas Tousart kommt, Arne Maier will weg

Auch weil Hertha BSC mit Lucas Tousart noch einen defensiven Mittelfeldspieler verpflichtet, will Arne Maier den Klub schon in diesem Winter verlassen.

Ob Hertha BSC wirklich überrascht wurde oder nur überrascht wirkte, das wird sich vermutlich nie zweifelsfrei klären lassen. Mit dem, was Arne Maier am Montag via „Bild“-Zeitung kundgetan hat, war im Grunde zu rechnen. Nur vielleicht noch nicht so früh.

Der defensive Mittelfeldspieler, gerade 21 Jahre alt geworden, will den Klub verlassen, für den er bereits seit der E-Jugend spielt. Und zwar sofort. Nach eigenen Angaben hat Maier dies Herthas Manager Michael Preetz und Trainer Jürgen Klinsmann in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt. „Als Fußballer willst du spielen, gebraucht werden und dem Team auf dem Platz helfen“, wird er zitiert. „Den Glauben daran, dass ich diese Rolle in nächster Zeit bei Hertha einnehmen kann, habe ich nicht mehr.“

Preetz bestätigt Neuzugang

Mehr als die Hälfte seines Lebens kickt Arne Maier im Trikot von Hertha BSC. Er sei dem Verein wirklich dankbar, behauptet er, verbinde viele schöne Erinnerungen mit ihm. Aber aller Verbundenheit zum Trotz hat Maier nie den Eindruck erweckt, dass Hertha sein Ein und Alles sei.

Der U-21-Nationalspieler, der als eines der größten Mittelfeldtalente europaweit gilt, verfolgt einen sehr stringenten Karriereplan – und in diesem Plan war die Variante „Hertha für immer“ eher nicht vorgesehen. Auch wenn der Klub einen Wechsel in diesem Winter umgehend ausgeschlossen hat: Spätestens seit Montag ist klar, dass Maier Hertha über kurz oder lang verlassen wird – die erste Meisterschaft des Klubs in drei Jahren wird er wohl nicht mehr als Spieler miterleben.

Nur auf den ersten Blick ist es ein Zufall, dass Maiers Wechselwunsch mit der Ankunft von Lucas Tousart in Berlin zusammenfällt. Der Franzose, defensiver Mittelfeldspieler des Champions-League-Teilnehmers Olympique Lyon, hat am Montag den Medizincheck bei Hertha absolviert. Am Abend bestätigte Manager Preetz die Verpflichtung.

Nach allem, was bisher bekannt geworden ist, erhält Tousart bei den Berlinern einen Vertrag bis 2025. Die Ablöse soll knapp 25 Millionen Euro betragen – was den 22-Jährigen zum teuersten Spieler macht, den Hertha je verpflichtet hat. Allerdings wird er bis zum Sommer noch einmal an seinen bisherigen Klub verliehen.

„Mit den Ambitionen von Hertha BSC kann ich mich sehr gut identifizieren. Zudem hat mir in den Gesprächen imponiert, wie sehr sich der Klub um mich bemüht hat“, wird Tousart in einer Mitteilung des Klubs zitiert. „In Berlin entsteht etwas sehr Spannendes, und ich möchte ein Teil davon sein! Gleichzeitig bin ich froh und dankbar, dass ich meine Aufgabe in Lyon noch zu Ende führen kann.“

Tousart ist französischer U-21-Nationalspieler und ähnlich wie der ein Dreivierteljahr jüngere Maier als fußballerisch frühreif aufgefallen. Bereits mit 17 feierte Tousart beim FC Valenciennes sein Profidebüt, zunächst im Pokal, kurz darauf in der Ligue 2. Tousart war zudem Kapitän der französischen U 19, die 2016 den EM-Titel gewonnen hat, unter anderem mit Kylan Mbappé.

Körperlich robust und stark im Kopf

Herthas Neuer verfügt über eine ausgeprägte Mentalität, er ist robust und stark in der Balleroberung. „Er kommt mehr über die Physis“, sagt Juninho, der Sportdirektor von Olympique Lyon. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor dieser Saison hatte sich der Brasilianer nicht besonders wohlwollend über Tousarts Qualitäten geäußert: Vor der Abwehr brauche die Mannschaft einen anderen Spielertypen als Tousart: jemanden mit einer feinen Technik, jemanden, der den Ball liebe. Später revidierte Juninho seine Kritik und sagte: „Wir zählen auf ihn.“

Weil alles mit allem zusammenhängt, dürften auch die anschwellenden Gerüchte um Tousarts Verpflichtung die Planungen von Arne Maier in nicht unerheblichem Maße beeinflusst haben. Der Franzose ist Herthas zweiter Neuer in dieser Transferperiode – und er ist nach dem Argentinier Santiago Ascacibar, der die Berliner elf Millionen Euro gekostet hat, der zweite Mittelfeldspieler für die zentrale Defensive. Für jenes Revier also, in dem Maier seit gut zwei Jahren Stammspieler bei Hertha ist. Dass der sich nun fragt, welche Perspektive er eigentlich noch bei seinem Klub hat, liegt fast auf der Hand.

Arne Maier, 21, spielt seit der E-Jugend für Hertha BSC. Jetzt will er weg.
Arne Maier, 21, spielt seit der E-Jugend für Hertha BSC. Jetzt will er weg.

© picture alliance/dpa

Maier gilt bei Hertha BSC seit Jahren als die Nachwuchshoffnung schlechthin. Seinen Jahrgängen war er immer einen Schritt voraus; für die deutsche U 21 spielte er schon, als er noch für die U 20 hätte auflaufen können. Maier stach selbst aus Herthas legendenumrankten 99er-Jahrgang noch heraus, von dem der frühere Trainer Pal Dardai einmal gesagt hat, dass er in Berlin viele Leute sehr glücklich machen werde.

Inzwischen ist der Mittelfeldspieler – neben dem dritten Torhüter Dennis Smarsch – schon fast so etwas wie der letzte Überlebende jener Generation, die im Sommer 2018 deutscher A-Jugend-Meister geworden ist. Herthas Fans haben entsprechend gereizt auf die Nachricht von Maiers Wechselabsichten reagiert. Er gilt als undankbar, weil er sich über mangelndes Vertrauen beschwere; dabei hätte er wegen anhaltender Verletzungsprobleme ohnehin nicht spielen können.

Zuletzt hat es Maier im Trainingslager in Florida erneut erwischt, sodass er in den beiden bisherigen Rückrundenspielen noch nicht zur Verfügung stand. Inzwischen fehlt er – fast durchgängig – seit einem Dreivierteljahr. Am 30. März lief Maier zuletzt von Anfang an für Hertha auf. Seitdem ist er noch zwei Mal eingewechselt worden. Dazu hat er im Sommer bei der U-21- EM in Italien gespielt.

Bei Klinsmann klingen latente Zweifel durch

Auch Maier ist in den vergangenen Tagen immer wieder von Jürgen Klinsmann gelobt worden. Aber das muss nicht zwingend etwas heißen. Herthas neuer Trainer findet selbst für die Nummer 35 im Kader immer ein warmes Wort. Die unterschwelligen Signale, die Maier zuletzt empfangen hat, sprechen jedoch eine andere Sprache. Zwischen den Zeilen war selbst für Außenstehende deutlich zu vernehmen, dass Klinsmann eher nicht dem Arne-Maier-Fanklub angehört. Erst eine Minute durfte Maier unter dem neuen Trainer spielen.

Herthas bisherige Bemühungen auf dem Transfermarkt stützen diese Einschätzung. Erst Ascacibar, dann Tousart: Verstärkungen fürs defensive Mittelfeld haben bei Klinsmann höchste Priorität genossen. Allein mit Zweifeln an Maiers aktuellem Gesundheitszustand sind die Transfers nicht zu begründen. Das zeigt schon die Tatsache, dass Tousart erst im Sommer kommt. Vielleicht ist Jürgen Klinsmann dann bereits wieder weg. Und Arne Maier womöglich auch.

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