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Sicherheitsabstand. Bruno Labbadia würde den Kollegen in seinem neuen Berliner Arbeitsumfeld gern die Hand geben – darf er aber noch nicht.

© Jan-Philipp Burmann/Hertha BSC via City-Press GmbH/dpa

Hertha BSC stellt Bruno Labbadia vor: Aufgeräumt, geerdet und immer noch ehrgeizig

Bruno Labbadia beginnt seine Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Trotzdem hinterlässt der neue Trainer bei seiner Vorstellung einen tatkräftigen Eindruck.

Als der offizielle Teil der Vorstellung vorbei ist, stellen sich Michael Preetz und Bruno Labbadia noch für ein Foto vor die Wand mit den Logos der Sponsoren von Hertha BSC. Ohne Handschlag und unter Einhaltung der geltenden Abstandsregeln selbstverständlich. Nach mehr als anderthalb Jahrzehnten als Trainer ahnt Labbadia schon, wofür dieses Foto eines fernen Tages einmal verwendet werden wird. Wenn die Beziehung zwischen ihm und Hertha in die Brüche gehe, sagt er, dann werde man dieses Foto wieder hervorholen. Bruno Labbadia lacht.

Ja, auch dieses Engagement wird irgendwann zu Ende gehen. Das ist so bei Trainern. Und natürlich weiß Bruno Labbadia das. Viel spannender ist für ihn im Moment aber eine ganz andere Frage: Wann fängt es eigentlich richtig an?

Labbadia verzichtet auf Teile seines Gehalts

„Es ist für alle eine ungewohnte Zeit“, sagt Manager Preetz, als er am Ostermontag Herthas vierten Cheftrainer der Spielzeit 2019/20 vorstellt. Dass alles anders ist, das sieht man schon beim Blick in den Medienraum des Berliner Fußball-Bundesligisten. Vor dem Podium tut sich ein großer Graben auf, die Stühle für die Journalisten stehen in gebührendem Abstand zueinander, nur sechs sind besetzt. „Bei Jürgen Klinsmann war mehr los“, scherzt jemand, kurz bevor es losgeht.

Bruno Labbadia, der am Nachmittag sein erstes Training mit der Mannschaft leitete, hatte eigentlich nicht vor, mitten in der Saison einen Klub zu übernehmen. Er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass dies noch in dieser Spielzeit passiert. „Es ist ein unüblicher Zeitpunkt“, sagt auch Preetz. Aber es sind eben auch unübliche Zeiten, die unübliche Lösungen erfordern.

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Seit vier Wochen pausiert die Fußball-Bundesliga wegen der Coronavirus-Pandemie. Vielleicht geht der Spielbetrieb im Mai wieder los. Vielleicht auch nicht. Aber wie auch immer: „Wir werden keine reguläre Sommerpause haben, wie wir sie gewohnt sind“, glaubt Michael Preetz. Und damit auch keine normale Vorbereitung auf die neue Saison. Vor diesem Hintergrund hat sich Herthas Manager dazu entschlossen, den für den Sommer geplanten Wechsel auf der Trainerposition vorzuziehen und Alexander Nouri, der ohnehin nur aushilfsweise eingesprungen war, schon jetzt durch Labbadia zu ersetzen.

Ideal sind die Umstände des Starts nicht

Ideal ist die Konstellation für den neuen Trainer nicht. „Ich kann keinem Spieler die Hand geben, ich kann niemanden in dem Arm nehmen“, sagt Labbadia. „Aber – egal. Wir haben keine Alternative dazu.“ Angesichts der Umstände sei es „ein ganz logischer Schritt“ gewesen, die Aufgabe jetzt zu übernehmen.

Schon bei seiner Vorstellung erhält man einen Eindruck davon, was für einen Trainer Hertha bekommt. Labbadia ist keiner, der mal eben aus einem Traumreich einschwebt und von künftigen Titeln schwadroniert. Labbadia steht mit beiden Beinen auf der Erde. Dem Verein hat er laut Preetz angeboten „auf weite Teile seines Gehalts“ zu verzichten, solange die Coronakrise nicht überwunden ist. Eine „tolle und bemerkenswerte Geste“ sei das, sagt Herthas Manager. Und ein Beleg dafür, dass Labbadia mit der aktuellen Situation sehr reflektiert umgehe.

Überhaupt gibt sich der 54-Jährige bei seiner Vorstellung unaufgeregt. Und trotzdem ist er klar in seinen Ansagen, tatkräftig und ausreichend ehrgeizig. Preetz erinnert daran, dass Labbadia ein Trainer sei, „der vor allem eine Mannschaft entwickeln und Potenziale heben kann“.

Hertha muss zunächst in Gruppen trainieren

Zuletzt ist ihm das beim VfL Wolfsburg gelungen, den er im Februar 2018 auf Platz 14 übernommen und knapp anderthalb Jahre später nach der Qualifikation für die Europa League wieder verlassen hat. Hertha belegt derzeit Platz 13 und hat sich längst noch nicht aller Abstiegssorgen entledigt. Natürlich sehe er Potenzial im Klub und in der Mannschaft, sagt Labbadia. Aber: „Ich halte nicht viel davon, große Ankündigungen in den Raum zu stellen. Ich finde, dass man erst mal arbeiten sollte, bevor man zu viel erzählt.“

Diese Arbeit wird anders aussehen als alles, was Labbadia auf seinen bisherigen sieben Stationen bei sechs Vereinen erlebt hat. Das Spiel, das er irgendwann einmal spielen lassen will, hat Labbadia mit seinen beiden Co-Trainern Eddy Sözer und Olaf Janßen immer weiter auseinandergepflückt, so dass sie selbst für Kleinstgruppen noch mögliche Trainingsformen entwickelt haben.

Erst einmal wird der Kader in drei Achtergruppen aufgeteilt und getrennt voneinander arbeiten. „Wir werden nicht nur auf dem Platz trainieren“, kündigt Labbadia an. „Wir werden auch sehr viel Einzelanalysen machen, Gruppenanalysen, Mannschaftsanalysen.“

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Zwei Wochen haben Herthas Spieler in häuslicher Quarantäne verbracht, vier Wochen insgesamt nicht mit dem Ball trainiert. „Das ist eine halbe Ewigkeit“, sagt Labbadia, der sich daher zunächst einmal eine Übersicht über den Zustand des Teams verschaffen will. Für seine Art des Fußballs mit vielen Sprints und Tempoläufen brauche die Mannschaft ausreichend Power. „Aber man darf das Mentale nicht außer Acht lassen“, sagt Labbadia. „Was ist in der Mannschaft los? Wie fühlt sie sich?“

Die nächsten Wochen sieht der neue Trainer als „eine Art kleine Vorbereitung“. Mit dem Unterschied, dass niemand den Zeitpunkt kennt, auf den man sich vorbereitet. „Wir müssen die Mannschaft relativ schnell in einen Wettkampfmodus bekommen, ohne dass wir Wettkämpfe bestreiten dürfen“, sagt Bruno Labbadia. „Aber wir jammern nicht, wir hadern nicht.“

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