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Mulmig. Hertha-Verteidiger Marvin Plattenhardt fliegt nicht gerne.

© Imago/Itar-Tass

Hertha BSC startet USA-Reise: Zwischen Flugangst und Werbetrommel

Nur zwei Tage nach Saisonende sind die Berliner in die USA aufgebrochen. Ohne Dardai, Widmayer und auch Ibisevic. Dabei ist die Reise immens wichtig.

Marvin Plattenhardt hat mit einem etwas mulmigen Gefühl auf den Montag geschaut. Der 27 Jahre alte Verteidiger von Hertha BSC ist einer, der, nun ja, nicht besonders gern in ein Flugzeug steigt. Erst recht nicht, wenn es sich um einen Transatlantikflug handelt. Aber genau das stand für ihn an. Das hatte nicht er sich ausgedacht, logisch, er könnte darauf verzichten. Sein Arbeitgeber aber tat genau das.

Am Montag ist Hertha BSC zu einer Werbetour in die USA aufgebrochen. Es ist für den Berlinern Fußballklub die zweite Amerikareise nach 1970. Vor 49 Jahren hatte Hertha die Spielzeit 1969/70 mit einem dritten Platz hinter Borussia Mönchengladbach und Bayern München abgeschlossen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unterbreitete damals den Berlinern das Angebot für eine Tour durch die USA. Sie sollte damals satte vier Wochen dauern. Das war aber auch nur deshalb möglich, weil die Sommerpause der Bundesliga wegen der Fußball-WM in Mexiko sehr lange ausfiel.

„Ich habe halt ein paar Flüge erlebt, wo es ein bisschen holprig war. Deswegen habe ich bisher noch keine langen Reise unternommen nach Amerika oder China“, erzählte Plattenhardt vor wenigen Tagen. „Aber was ich so gehört habe, wird es in den USA wohl cool werden.“ Die aktuelle Tour soll die „internationale Weiterentwicklung der Marke Hertha BSC vorantreiben“, sagte Herthas Manager Michael Preetz. Sie führte Hertha über Amsterdam nach Minneapolis, von dort aus geht es in ein paar Tagen weiter nach Chicago und anschließend nach Los Angeles. Die Tour wird zehn Tage dauern.

„Wir wollen neue Märkte erschließen“, sagte Preetz. In der Vergangenheit hatte Hertha immer mal wieder über eine solche Reise nachgedacht. Aber erst jetzt bot sie sich an. „Wir sind im 30. Jahr des Mauerfalls, wir treten als Botschafter Berlins auf.“ Die Reise nicht angetreten hat Pal Dardai, der nach viereinhalb Jahren als Cheftrainer am vergangenen Wochenende offiziell verabschiedet wurde. Er werde seinen Platz sofort räumen, hatte er am Sonntag wissen lassen.

Dardai und auch Widmayer nicht an Bord

Auch sein Co-Trainer Rainer Widmayer war nicht an Bord, als Hertha am Montag abhob. Noch am Sonntag war er in seine neue, alte Heimat gefahren, wo er beim VfB Stuttgart einen Vertrag unterschrieben hatte. Das Team in den USA wird Dardais bisheriger zweiter Assistent Admir Hamzagic betreuen. Ferner nicht mitgereist sind der vor wenigen Tagen am Knie operierte Torwart Rune Jarstein, die verletzten Vladimir Darida, Mathew Leckie und Arne Maier. Vedad Ibisevic, der neben der bosnischen auch die Staatsbürgerschaft der USA besitzt, blieb ebenfalls in Berlin. Herthas Mannschaftskapitän wird in den nächsten Tagen zum dritten Mal Vater.

Am 22. Mai wird Hertha ein Spiel beim Gastgeber Minnesota United absolvieren. Das Team spielt in der Major League Soccer (MLS). Anlass ist die Einweihung des neuen Stadions. Zwei Tage später tritt Hertha beim Forward Madison FC an. Desweiteren sind öffentliche Trainingseinheiten geplant und verschiedene Termine. Anschließend geht es nach Los Angeles, einer der Partnerstädte Berlins.

Schon im Urlaub. Pal Dardai und Rainer Widmayer treten die USA-Reise von Hertha BSC nicht mehr an.
Schon im Urlaub. Pal Dardai und Rainer Widmayer treten die USA-Reise von Hertha BSC nicht mehr an.

© Imago/Nordphoto

60 Leute zählen zur Delegation aus Berlin. Neben der Mannschaft sind auch Funktionäre und zahlreiche Mitarbeiter der Klubs mitgereist. „Wir wollen auf vielen Ebenen lernen“, sagte Preetz. Die Dienstreise firmiert bei Hertha als „Tear-Down-Walls“-Tour in Erinnerung an die Rede des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan. Der hatte in seiner Rede am 12. Juni 1987 vor dem Brandenburger Tor dem Präsidenten der damaligen Sowjetunion, Michail Gorbatschow, zugerufen: „Tear down this wall! (Reißen Sie diese Mauer nieder).

Selbst Herthas Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller, der sonst gern auf das Geld achtet, freut sich über diesen Ausflug. Er hält ihn für „sehr wahrscheinlich profitabel“, wie er sagte. Hertha erhält neben den Antrittsgeldern für die Spiele auch noch einen Zuschuss von der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Die DFL hält seit 2013 für solcherlei Unternehmungen Prämien bereit. Ihr Ziel ist es, den Bekanntheitsgrad und die Außenwirkung der deutschen Liga zu erhöhen. Die Auslandsvermarktung gewinnt jährlich an Bedeutung, hinkt aber immer noch den anderen großen Fußballligen Europas hinterher, insbesondere der englischen Premier League.

Deutscher Fußball hat Entwicklung verschlafen

Seit 1998 tingeln Klubs wie Manchester United, der FC Barcelona oder der AC Mailand um den Globus. Der deutsche Fußball hat diese Entwicklung lange verschlafen, will aber mit Macht aufholen. Im Jahr 2005 etwa betrugen die Erlöse der DFL aus der Auslandsvermarktung vergleichsweise läppische zwölf Millionen, in der vergangenen Saison waren es 280 Millionen Euro. Erst in diesem Winter bereitete sich beispielsweise Werder Bremen in Südafrika auf die Bundesligarückrunde vor. Eintracht Frankfurt war in Florida.

Basis der Auslandsförderung durch die DFL ist eine sogenannte „Ratecard“, ein Bewertungssystem für die Bezuschussung der Vereine, das sich aus verschiedenen Parametern speist. Davon profitiert nun auch erstmals Hertha. Reich werden die Berliner durch ihre US-Reise nicht, Finanzchef Schiller rechnet mit einem fünfstelligen Betrag, der am Ende übrig bleibt. Für das nächste Jahr hat Hertha vorsorglich einen Extraposten für solche Unternehmungen in den neuen Etatplan gestellt, den Schiller den Vereinsmitgliedern am Sonntag vorgestellt hatte.

Bisher war es bei Hertha schon zu einer gewissen Tradition geworden, dass die Mannschaft die Spielzeit mit einer kleinen, aus der Mannschaftskasse bezuschussten Saisonabschlussreise begibt. Ibiza und Mallorca waren zuletzt beliebte Ziele der Spieler gewesen. Eine solche Reise fällt nun erst einmal ins Wasser. Die Mannschaftskasse gibt es schon noch, versicherte Plattenhardt: „Ich denke schon, dass wir in den USA ein bisschen Freiraum haben.“

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