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Schnell ist er. Alles andere will Pal Dardai noch aus Genki Haraguchi herauskitzeln.

© picture alliance / dpa

Hertha BSC: Genki Haraguchi ist wieder da

Herthas Japaner Genki Haraguchi wollte den Klub eigentlich verlassen – jetzt steht er vor seinem Debüt in der Startelf.

Wahrsager behaupten, die Fähigkeit zu besitzen, aus der Hand zu lesen; Fußballtrainer sollten ein Spiel lesen können – Pal Dardai liest in den Augen seiner Spieler. Ein tiefer Blick in die Augen ersetzt für ihn im Idealfall eine komplette sportärztliche Untersuchung. Dardai, der Trainer von Hertha BSC, erfährt dabei alles, was er wissen will. Am Freitag zum Beispiel hat er bei Salomon Kalou, der mit einem Tag Verspätung von seiner Länderspielreise in Berlin zurückgekehrt ist, große Müdigkeit erkannt: „Man sieht noch den Reisestress.“ Beim Japaner Genki Haraguchi hingegen, der ebenfalls einmal um die halbe Welt geflogen war, gab es keine Spur von Erschöpfung. In „freche Augen“ hat Dardai beim Training am Freitag geblickt. „Er hat gelacht, war sehr lustig.“

Für die gute Laune gibt es einen plausiblen Grund: Haraguchi hat sich mit Japan gerade für die WM im Sommer 2018 qualifiziert. Für Hertha ist das eine doppelt gute Nachricht – weil der Berliner Fußball-Bundesligist in den kommenden Monaten jeden zusätzlich motivierten Spieler brauchen kann. Und weil Haraguchi überhaupt noch für Hertha spielt. Denn das galt noch vor wenigen Tagen eigentlich als ausgeschlossen. Für beide Seiten.

Im Winter hatte Manager Michael Preetz recht zuversichtlich geklungen, den im Sommer 2018 auslaufenden Vertrag mit Haraguchi in Kürze verlängern zu können. Doch der zierte sich so lange, dass Hertha das Angebot schließlich zurückzog und die Verhandlungen beendete. „Dass er weg wollte, war seine Idee“, sagt Dardai. Nachtragend ist der Ungar nicht. Das kann er sich vermutlich auch gar nicht leisten.

Bei Hertha sehen sie in Haraguchi mehr, als die bloßen Zahlen

Mit dem Heimspiel gegen Werder Bremen an diesem Sonntag beginnt für Hertha die erste heiße Phase der Saison. Bis zur Länderspielpause Anfang Oktober stehen für die Mannschaft sieben Spiele in 22 Tagen an. Da ist Dardai froh um jeden gestandenen Spieler, der ihm zur Verfügung steht. Trotz der ungeklärten Situation ist Haraguchi in allen drei Pflichtspielen dieser Saison zumindest eingewechselt worden. Das unterscheidet ihn von Valentin Stocker, der ebenfalls als Wechselkandidat gegolten hatte und ebenfalls in Berlin geblieben ist. Der Schweizer hat in dieser Saison noch keine einzige Minute gespielt und stand in zwei Spielen nicht einmal im Kader. Viele halten es für möglich, dass es ihm bei Dardai ähnlich ergeht wie zuletzt Alexander Baumjohann.

Genki Haraguchi muss das erst einmal nicht befürchten. „Ich arbeite sehr gern mit Genki“, sagt Dardai. Der 26-Jährige bringt einiges mit, eine herausragende Schnelligkeit etwa; er hat aber auch noch einiges zu lernen, eine gewisse Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor zum Beispiel – vielleicht macht ihn gerade diese Kombination für einen Trainer so interessant. „Ich erwarte von ihm nur die nächsten Schritte“, sagt Dardai. „Er hat das drauf.“

Wenn Salomon Kalou gegen Bremen tatsächlich als zweite Spitze neben Vedad Ibisevic auflaufen sollte, könnte Haraguchi schon am Sonntag auf dessen bisheriger Position auf der linken Außenbahn in der Startelf stehen. Andererseits kommt dafür schon in Kürze auch Neuzugang Valentino Lazaro in Frage, der in der nächsten Woche erstmals mit der Mannschaft trainieren wird. „Wir haben eine anstrengende Saison vor uns, haben viele Spiele und können jeden Spieler gebrauchen, der in der Vergangenheit Leistung gebracht hat“, sagt Manager Preetz. „Dazu gehört Genki ohne Frage.“ Haraguchi sei schließlich ein wesentlicher Faktor dafür gewesen, dass Hertha in den vergangenen beiden Spielzeiten auf Platz sieben und Platz sechs eingelaufen ist.

Bei Hertha haben sie in dem Japaner immer mehr gesehen, als die bloßen Zahlen (vier Tore und sechs Vorlagen in 86 Bundesligaspielen) haben vermuten lassen. Im Frühjahr aber ist der Glaube an eine lineare Aufwärtsentwicklung ein wenig ins Wanken geraten. „Da hat er ein bisschen den Faden verloren“, sagt Preetz, „weil er sich mehr mit seiner persönlichen vertraglichen Situation auseinandergesetzt hat als mit Fußball.“ Auch in der Vorbereitung war Haraguchi nicht immer nur auf seinen Job bei Hertha konzentriert, sondern weiterhin mit einem möglichen Vereinswechsel beschäftigt. „Das ist jetzt alles vorbei“, sagt Herthas Manager. Die Transferperiode ist beendet, Haraguchi immer noch in Berlin. „Er hat jetzt die Gelegenheit, sich zu zeigen und sich anzubieten“, sagt Michael Preetz. „Für einen anderen Verein. Aber auch für uns.“

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