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Görkem Koca spielt mit den B-Junioren von Hertha 03 Zehlendorf in der Bundesliga. Der Aufsteiger steht in der Tabelle als Zehnter im Mittelfeld.

© Kerstin Kellner

Hertha-03-Präsident Niroumand enttäuscht vom DFB: „Der nächste Schlag ins Gesicht der Amateurvereine“

Kamyar Niroumand verärgern die Reformpläne des DFB bezüglich der Junioren-Bundesligen. Er hat Verbandschef Fritz Keller geschrieben. Ein Interview.

Kamyar Niroumand, 60, ist IT-Unternehmer. Seit 2003 ist er Präsident von Hertha 03 Zehlendorf. Im Verein gibt es fast 50 Nachwuchsteams. Hier spielten früher unter anderem Ariane Hingst, Pierre Littbarski und Christian Ziege. Im Interview spricht Niroumand über Reformpläne des DFB, die ihn verärgern, den Zustand des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) und die Lage für Hertha 03 in der Männer-Oberliga.

Herr Niroumand, Sie haben Mitte der vergangenen Woche einen Offenen Brief an Fritz Keller geschickt, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Kam schon eine Antwort?
Am späten Donnerstagnachmittag habe ich eine Mail bekommen. Aber nicht von Fritz Keller, sondern vom Mitarbeiter einer Stabsstelle. Das enttäuscht mich ein bisschen. Ich hatte in früheren Zeiten schon wegen anderer Themen Kontakt zu einigen DFB-Präsidenten aufgenommen und immer von ihnen eine Antwort erhalten. Dafür gab es diesmal auf Facebook reichlich und fast ausschließlich positive Reaktionen von vielen Seiten auf den Brief.

Sie kritisieren darin Pläne des DFB, nach denen die Bundesligen der A- und B-Junioren in der jetzigen Form 2022 abgeschafft werden sollen. Danach sollen die Vereine untereinander spielen, die über ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) verfügen, davon gibt es 56 in Deutschland. Die Reform würde vor allem Amateurvereine treffen: Hertha 03 etwa ist in der B-Jugend-Bundesliga vertreten, hat aber kein NLZ.
Ich habe gelesen, der DFB steht mit den Vereinen im Austausch. Mit uns hatte niemand gesprochen. Wir wussten offiziell nichts, bevor ich nun die Mail erhalten habe. Darin heißt es unter anderem, dass sich etwas ändern muss, weil andere Nationen Deutschland den Rang abgelaufen hätten. Mir fehlt aber auch eine Analyse. Etwa, wie viele Spieler aus den Nachwuchszentren, von Amateurvereinen oder aus dem Ausland in den letzten fünf Jahren in Deutschland Profi geworden sind.

Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nationalmannschaften beim DFB, sprach von neuen Strukturen und Optimierung. Absteiger würde es beispielsweise nicht mehr geben.
Die Entwicklung der Spieler soll bei diesem Modell zukünftig vor Leistung gehen. Das ist ein sehr schwaches Argument. Mir kann doch keiner erzählen, dass es dann völlig egal wäre, ob eine Mannschaft fünf Mal hintereinander verliert. Der Druck auf die Trainer bliebe trotzdem, auch wenn der DFB die Amateurvereine ausschließt. Wir haben erst Ende September mit unserer B-Jugend zu Hause gegen RB Leipzig gespielt.

Und wie lief es?
Leipzig hat mit viel Mühe 3:2 gewonnen, nachdem wir 2:0 geführt hatten. So schlecht können wir also nicht sein. Die paar Spiele des Nachwuchses der Profiklubs gegen Amateurvereine sind sicher nicht das Problem des deutschen Fußballs. Die Spieler entwickeln sich doch im täglichen Training.

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Wo verorten Sie stattdessen die Probleme?
Wenn Erfolge im internationalen Bereich ausbleiben, sollte man vielleicht fragen, ob es an den verantwortlichen Trainern beim DFB liegt.

Was würde es für Hertha 03 bedeuten, wenn die Pläne umgesetzt werden?
In der Bundesliga zu spielen, ist für uns etwas Besonderes. Als Spieler und Trainer willst Du gegen die großen Klubs ran. Auch wenn gleich wieder der Abstieg folgen könnte. Es würde sich die Frage stellen, ob wir als Verein noch so viel in den Nachwuchs investieren ohne den Anreiz Bundesliga. Aber das ist nur der eine Teil.

Erzählen Sie bitte.
Die Aussicht auf die Bundesliga motiviert alle, auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Bricht das weg, leidet der Breitensport bis in die jüngsten Altersklassen. Bisher ist es die Kombination aus Leistungs- und Breitensport, die uns auszeichnet. Finanziell hätte es auch Auswirkungen. In den letzten zehn Jahren haben wir über eine Million Euro an Ausbildungsentschädigungen für frühere Jugendspieler von uns bekommen. Sportlich, sozial und wirtschaftlich wäre das für den Verein ganz schlimm.

Haben Sie sich mit den anderen gut ein Dutzend Vereinen, die betroffen wären, bereits ausgetauscht?
Wir wollen erst abwarten, was nun bei einem Treffen der Präsidenten der Landesverbände herauskommt. Sollte der DFB das durchziehen wollen, wird Hertha 03 rechtlich prüfen, ob es überhaupt zulässig ist. Der DFB muss schließlich alles im Blick haben und nicht nur die Profiklubs. Stattdessen wurden zunächst 2019 die Zuschüsse für die Regionalligen im Jugendbereich gestrichen. Wegen 400.000 Euro deutschlandweit, das ist doch lächerlich. Die Zulassungsanforderungen für die Bundesliga werden immer höher. Und nun der nächste Schlag ins Gesicht der Amateurvereine. Dabei geben wir jedes Jahr zehn bis 15 unserer Spieler an Vereine mit Nachwuchsleistungszentren ab. Das wäre typisch DFB, etwas zu beschließen, ohne die Leute mitzunehmen.

In Ihrem Brief an Fritz Keller heißt es: „Sollte wirklich die Reform kommen, dann machen Sie Ihren Laden zu. So sparen Sie uns die Verbandsbeiträge, den Steuerzahlern Steuern und den Jugendlichen viele Enttäuschungen.“ Das klingt ziemlich desillusioniert.
Genauso ist es doch. Dann bräuchten wir als Amateurverein den DFB doch gar nicht mehr. Aber wenn es um unsere Gelder geht, ist er schnell da. Trägt ein Ordner bei unseren Bundesligaspielen nicht die richtige Weste, müssen wir sofort Strafe zahlen.

Kamyar Niroumand ist sauer wegen der Pläne des DFB.
Kamyar Niroumand ist sauer wegen der Pläne des DFB.

© Kerstin Kellner

Kommen wir vom DFB zum Berliner Fußball-Verband. Sie waren ab Anfang September für einen Monat Vizepräsident, sind dann zurückgetreten. Warum?
Im Präsidium sitzen zwölf Personen und es gibt mindestens sieben oder acht Meinungen. Die Älteren wollen die bestehenden Prozesse nicht großartig verändern. Andere haben nur ihre eigenen Interessen im Blick. So sagt etwa der Vertreter der Schiedsrichter, er sei nur für die Schiedsrichter da. Auch die Opposition ist nicht geschlossen. Es gibt keine klare Idee. Da wollte ich ein Zeichen setzen, indem ich sofort zurückgetreten bin. Es hat sich ja danach auch etwas getan.

Präsident Bernd Schultz setzt sich nun dafür ein, den Ordentlichen Verbandstag auf März 2021 vorzuverlegen.
Was ich für sehr sinnvoll halte. Dann könnte ein neues Präsidium gewählt werden, das wieder eine Mannschaft ist. In meinen Augen muss ein Präsidium funktionieren wie ein Aufsichtsrat. Mir tun beim BFV derzeit die hauptamtlichen Mitarbeiter am meisten leid, weil sie überhaupt nicht wissen, in welche Richtung es geht.

Im Herbst 2019 gab es in Berlin den Schiedsrichterstreik, in diesem Jahr sind bereits fünf BFV-Vizepräsidenten zurückgetreten, dazu wird das Handeln des Verbandes in der Coronavirus-Krise von vielen Seiten kritisiert – besonders Präsident Schultz steht in der Kritik. Zurecht?
Bernd Schultz hat mich unterstützt und mich überzeugt, als Vereinsvertreter im Präsidium mitzuarbeiten. Aber er kann sich nicht durchsetzen. Das ist in der Konstellation auch schwer. Dieses Präsidium ist so zerstritten, dass es sich immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Die Stärke, die man als Fußball-Familie mit 170.000 Mitgliedern hat, kann unter diesen Bedingungen nicht nach außen gebracht werden. Stattdessen wird schlecht kommuniziert.

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Sollte Schultz noch einmal antreten?
Er kann nur Präsident bleiben, wenn er ein neues loyales Team aufbaut, mit dem er die anstehenden Aufgaben lösen und den Verband modernisieren kann. Ich habe leichte Zweifel, dass das gelingt.

Würden Sie selbst erneut im Präsidium aktiv werden?
Das hängt davon ab, wie es zukünftig zusammengesetzt ist. Aber natürlich kannst du als Vertreter des größten Vereins in der Stadt nicht zu allem nein sagen. Du musst auch mitmachen.

Können Sie sich vorstellen, für das Amt des BFV-Präsidenten zu kandidieren?
Ausschließen würde ich nichts. Es würde auch davon abhängen, ob ich Ziele so definieren kann, dass die Mitglieder sagen, den kann man wählen.

Als Präsident von Hertha 03 hatten Sie vor Saisonbeginn den Aufstieg der ersten Männermannschaft in die Regionalliga als Ziel ausgegeben. Dann wurden es neun Punkte aus sechs Spielen und Trainer Simon Rösner musste gehen. Was war schiefgelaufen?
Simon Rösner ist ein guter Trainer. Aber es wirkte, als hätte er die Mannschaft nicht erreicht. Und der Kader war mit 25 Mann zu groß, da entstand automatisch Unzufriedenheit. Wir haben den Kader um vier Mann verkleinert. Mittlerweile sieht man eine ganze andere Einsatzbereitschaft auf dem Platz.

Die Mannschaft gewann nach dem Trainerwechsel 3:2 gegen Spitzenreiter SV Tasmania, verlor am Mittwoch 1:3 beim Vorletzten FC Strausberg. Wie ist das zu erklären?
Das war sehr frustrierend in Strausberg. Diese Liga ist einfach immer für Überraschungen gut.

Ist Platz eins angesichts von neun Punkten Rückstand noch ein Thema?
Bei unserem jetzigen Rückstand von der Meisterschaft zu sprechen, wäre nicht richtig. Wir wollen den Abstand bis zum Ende der Hinrunde nicht noch größer werden lassen. Dann sehen wir weiter.

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