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Filip Jicha gewann als Spieler mit dem THW alle Titel, die es in der Vereinswelt gibt.

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Handballtrainer Filip Jicha im Interview: „Was-wäre-wenn-Szenarien sollten nicht interessieren“

Für den THW Kiel geht es am Sonntag gegen die Füchse. Im Interview spricht Kiels Trainer Jicha über Belastungen, Wechselgerüchte und Erfahrungen in Berlin.

Filip Jicha, 1982 in Pilsen geboren, gewann als Spieler mit dem THW alle Titel, die es in der Vereinswelt gibt. 2010 wurde er von der Internationalen Handball Föderation (IHF) zum Welthandballer gekürt. Seit zwei Jahren ist er Trainer bei den Kielern, wurde seitdem zweimal Deutscher Meister, DHB-Supercup- und Champions League-Sieger. Vor dem Spiel bei den Füchsen am Sonntag (14 Uhr/Sky) spricht er im Interview über Wechselgerüchte, Erfahrungen in Berlin und Corona.

Herr Jicha, die Belastung ihrer Spieler durch Bundesliga, Champions League und Pokal ist aktuell besonders hoch. Gibt es schon erste Auswirkungen?
Naja, ich glaube, die letzte Saison war viel schlimmer. Von daher müssen wir jetzt von einem normalen Verlauf sprechen und einer Belastung wie sie alle Spitzenklubs momentan haben. Das wird bei uns nicht thematisiert. Bei uns sind alle Spieler fit und wir haben einen gewissen Flow, wie man so schön sagt. Da wollen wir weiter machen.

Der THW Kiel hat bisher alle fünf Spiele in der Liga gewonnen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Team?
Wir sind sehr zufrieden mit unserem Start und damit, wie wir gespielt haben. Das ist eine schöne Momentaufnahme. Aber auch nicht mehr, wir müssen weiter fokussiert bleiben. Jetzt kommt eine Phase, in der sich vieles strukturiert. Da darf man nicht nach links und rechts schauen, sondern muss sich auf sich konzentrieren. Das hört sich vielleicht langweilig an, aber wir müssen weiter Stück für Stück unser Programm abarbeiten und dürfen uns so wenig wie möglich Fehler erlauben.

Nicht nach links und rechts zu schauen ist allerdings nicht immer einfach.
Das ist definitiv schwer, auch die Spieler sind Menschen. Doch wenn man sich zu viel von anderen beeinflussen lässt oder sich an irgendwelchen Highlights aufhält, dann stolpert man mehr als nötig. Dieser Vorgang ist über die gesamte Saison gesehen definitiv die schwierigste Aufgabe. Da darf man sich nicht zu sehr freuen oder ärgern, nicht anfangen rumzurechnen. Was-wäre-wenn-Szenarien sollten nicht interessieren.

Wie groß sind die Störgeräusche durch die Wechselgerüchte um Sander Sagosen?
Dass Spitzenathleten umworben werden, ist im Profigeschäft üblich. Wir, Berlin und alle anderen machen sich ständig Gedanken um ihre Kader und wie sie sich verbessern können. Da stören mich die Nachrichten gerade nicht.

Und Sander Sagosen?
Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin ja nicht Sander.

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Hilft es, dass Kiel im Vergleich zu den Füchsen ein einfacheres Pokalspiel hatte und dadurch vielleicht auf eine breitere Bank zurückgreifen kann?
Das denke ich nicht. Die Berliner hätten sich sicher gewünscht, dass sie das Spiel gegen Hamburg früher hätten entscheiden können, doch für Sonntag wird das keine Auswirkungen haben. Das ist ein Spitzenspiel und da werden sie zu einhundert Prozent da sein. Schmerzen oder ähnliches spielen da keine Rolle. Wir wissen, dass wir unsere Topleistung abrufen müssen, um zu gewinnen.

Worauf haben Sie Ihre Mannschaft denn besonders eingestellt?
Viel Vorbereitung hatten beide Seiten nicht. Aber wir haben uns viel mit dem Angriff von den Füchsen beschäftigt und unsere Verteidigung besprochen. Wie genau wir vorgehen, möchte ich aber nicht verraten.

Mit Lasse Andersson und Viran Morros sind zwei Spieler in den Reihen der Berliner, mit denen sich noch in Barcelona zusammengespielt haben. Welche Verbindung gibt es da?
Ich freue mich immer darauf, die beiden zu treffen. Das war eine wunderschöne Zeit für mich, auch in privater Hinsicht. Ich bin gespannt darauf, wie Viran nach diesem Jahr die Bundesliga beurteilt. Diese Erfahrung hier ist vielleicht die letzte, die ihm nach all seinen Erfolgen noch fehlte.

Wie sieht es denn mit Ihren Erfahrungen in Berlin aus? Sie sind ja oft genug selbst in der Max-Schmeling-Halle aufgelaufen.
Ich bin immer gerne in Berlin. Die Halle hat ein spezielles Flair. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Jugendlicher dort ein Länderspiel bestritten habe und es einfach imposant fand. Das hat sich in meiner Erinnerung festgesetzt und dazu geführt, dass ich unbedingt in Deutschland spielen wollte, um das jede Woche erleben zu dürfen. Und das hat glücklicherweise irgendwie funktioniert.

Und es hat gar nicht einmal schlecht funktioniert. Erst als Spieler, nun als Trainer durften Sie mit dem THW Erfolge feiern.
Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Weg gehen konnte. Wenn ich mich da über etwas beschweren würde, wäre ich ein Idiot. Dieser Verein ist für mich eine Herzenssache und hier arbeiten zu können, macht mir enorm Spaß. Natürlich kann man diesen Job, der einen 24 Stunden jeden Tag fordert, nicht für immer machen. Aber momentan habe ich die Energie. Die Erfolge sind dann das Sahnehäubchen.

Es ist wahrscheinlich schön, sich in diesem Jahr wieder mehr um das Sportliche als um Corona und die damit verbunden Einschränkungen kümmern zu können.
Definitiv. Das war ein Hammer mit vielen Katastrophen, aber auch neuen Perspektiven. Das betrifft die gesamte Gesellschaft. Da erleben wir jetzt wieder ein Stück Normalität, allein schon mit den Zuschauern in der Halle. Ihretwegen bin ich Handballer geworden. Diese Energie zwischen den Rängen und den Spielern macht unsere Sportart aus.

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Ist die Mannschaft trotz der vielen Probleme dadurch vielleicht ein Stück weit mehr zusammengewachsen? Der Kader hat sich in diesem Jahr ja nicht verändert.
Ich weiß nicht, wie die Mannschaft das sieht, aber wenn das noch ein oder zwei Jahre so weiter gegangen wäre, wäre ich komplett leer gewesen. Dass wir mit dem gleichen Kader in die Saison gegangen sind, ist ein Vorteil. Doch es wäre nach dem Gehaltsverzicht und den vielen Einbußen der Spieler ein falsches Signal gewesen, jemand neues zu verpflichten. Zudem: Die Jungs haben das auch sportlich sehr gut gemacht, von daher gab es keinen Grund, etwas zu verändern.

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