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Haufenweise Jubel im Spiel der Deutschen am Freitag in Bratislava.

© Imago

Handball-EM in der Slowakei und Ungarn: Die deutsche Mannschaft zwischen Vernunft und Euphorie

Wenig Stimmung in Bratislava, Begeisterung in Budapest – die Handball-EM findet in zwei Ländern statt, die mit Corona nicht unterschiedlicher umgehen könnten.

Wer sich derzeit in Bratislava befindet, wird kaum bemerken, dass hier eine Handball-Europameisterschaft stattfindet. Bei einem Spaziergang durch die slowakische Hauptstadt muss man schon ganz genau hinschauen, um eines der wenigen Plakate zum Turnier zu erspähen. Auf Fans trifft man nur selten. Und wenn, dann fallen sie wenig durch bunte Schals und Trikots auf, wie man es vielleicht von anderen Sportarten kennt, sondern eher durch die ortsfremde Sprache.

Weißrussisch, Polnisch und Tschechisch sind an einigen Ecken zu vernehmen, oft ist es der deutsche beziehungsweise österreichische Zungenschlag, der zu hören ist. Dementsprechend verteilen sich die Lager in der Halle bei den Spielen und die Begegnung am Sonntag zwischen Deutschland und Österreich (18 Uhr/ARD), die der deutsche Auswahlspieler Christoph Steinert scherzend als „Derby“ bezeichnete, dürfte beinahe schon der Stimmungshöhepunkt der noch jungen Europameisterschaft in Bratislava sein.

Ganz anders stellt sich die Lage im Co-Gastgeberland Ungarn dar. „Das sind unterschiedliche Handball-Spiele, wenn man die Übertragung sieht. Grundsätzlich freut man sich über Zuschauer, aber nur, wenn gesundheitstechnisch kein Risiko eingegangen wird“, sagte Kai Häfner, der bei dem deutschen 33:29-Auftaktsieg gegen Belarus am Freitagabend überragte.

Doch die Ungarn – das hat bereits die Fußball-EM im vergangenen Jahr gezeigt – scheinen mit dem Coronavirus etwas lockerer umzugehen. Hier wird der Fokus bei Sportevents auf Euphorie und Atmosphäre gelegt und das Vorhaben durchaus stimmungsvoll umgesetzt, wenngleich die Bilder aus der mit 20 000 Zuschauern besetzten Arena in Budapest ziemlich befremdlich wirken.

„Das Coronathema schwebt über allem“

In der Ondrej-Nepela-Arena in Bratislava, die unter normalen Umständen 10 000 Besuchern Platz bieten könnte, sind von den 2500 erlaubten bisher nicht einmal die Hälfte in der Halle erschienen. Anders als im Nachbarland Ungarn ist Handball hier nur von nachrangigem Interesse. Nicht ohne Grund macht der ein oder andere Berichterstatter deswegen einen kleinen Abstecher zur anliegenden Eishalle und schaut beim Eishockeytraining der diversen Mannschaften zu. Der Puck ist vielen Slowaken immer noch näher als der Ball.

Trotzdem sind die deutschen Spieler zufrieden mit der Organisation in Bratislava und womöglich sogar froh, sich in Ungarn nicht einer größeren Ansteckungsgefahr aussetzen zu müssen: „Wir fühlen uns hier sehr wohl und haben alles, was wir brauchen. Nichtsdestotrotz schwebt das Coronathema über allem“, berichtete Häfner. „Vor dem Corona-Test ist man immer etwas angespannt, weil man es natürlich einerseits nicht haben will und andererseits, weil, wenn man es dann hat, das Turnier wahrscheinlich für einen gelaufen ist.“

Damit genau das nicht passiert, wird alles unternommen, damit die Mannschaft das Turnier weiter gesund bestreiten kann. Und in dieser Hinsicht sind die Spieler durchaus optimistisch. Das Tragen der Maske in öffentlichen Bereichen ist nach zwei Jahren mit der Pandemie ohnehin schon normal geworden, auf Kontakte außerhalb des eigenen Trosses wird so gut es geht verzichtet, die geltenden Hygieneregeln werden eingehalten und zudem wird täglich auf Infektionen getestet.

Und wie wichtig es ist, sich auf das Wesentliche fokussieren zu können, zeigte das erste Spiel am Freitag gegen die Belarussen. Noch am Tag danach strahlte Christoph Steinert bis über beide Ohren. Beim Medientermin am Samstagmorgen vor dem Teamhotel der deutschen Mannschaft war dem 31-Jährigen, der einen Tag zuvor sein Debüt bei einem Großturnier gegeben hatte, die Freude anzusehen. Über den Erfolg seiner Mannschaft gegen Belarus aber genauso über sein eigenes Abschneiden.

„Das hat unfassbar viel Bock gemacht. Ich bin seit langer Zeit mal wieder so richtig aufgeregt gewesen. Da waren viele Emotionen drin und das war richtig gut“, sagte Steinert. Der in Erlangen unter Vertrag stehende Berliner gehörte beim Auftaktspiel der deutschen Mannschaft bei der EM sicherlich zu den Gewinnern des Abends. In seinem dritten Länderspiel bildete der gelernte Rückraumspieler auf der Außenposition zusammen mit Häfner ein gut abgestimmtes Duo auf der rechten Seite.

Gegen Österreich soll der zweite Sieg her

Bundestrainer Alfred Gislason hat anscheinend einen Weg gefunden, um den Neuling bestens auf das einzustellen, was ihn bei dem Turnier erwarten wird und ihn so mit dem nötigen Selbstvertrauen ausgestattet. Und nicht nur ihn. Den gleichen Eindruck machen die Melsunger Julius Kühn und Kai Häfner, denen es zwar bei weitem nicht an internationaler Erfahrung mangelt, die aber bei großen Turnieren bisher nicht durchgehend ihre Leistung abrufen konnten.

Nach einer Steigerung, die bereits bei ihrem Heimverein zu beobachten war, spielen die beiden in der Slowakei befreit auf und wurden wiederholt vom Bundestrainer positiv hervorgehoben. Und das passiert bei dem kritischen Isländer nicht übermäßig oft. „Das war angenehm, aber ich muss zugeben, im Spiel nimmt man das gar nicht so wahr“, antwortete Häfner darauf angesprochen.

„Mich freut es, dass ich helfen konnte. Doch wichtig war, dass wir als Mannschaft gewonnen haben und gut ins Turnier gestartet sind.“ Das gute Gefühl bestärkte es aber allemal, das muss auch Häfner trotz seiner Zurückhaltung zugeben. „Auf diesem Niveau entscheiden Kleinigkeiten und da ist der Kopf beziehungsweise das Selbstvertrauen ausschlaggebend.“

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Gegen Österreich wollen die Deutschen am Sonntag daran anknüpfen und ihren zweiten Sieg schaffen. Vielleicht ist die Halle diesmal dann sogar ausverkauft, auch wenn das „nur“ 2500 Zuschauer bedeuten würde. Dass Bratislava noch zum Handball-Mekka wird, glaubt auch im deutschen Team keiner.

Aber Sicherheit geht in diesen Tagen bei den Nationalspielern vor – auch wenn die Sehnsucht nach Emotionen wie sie in Ungarn gelebt werden, groß ist. Und trotz aller Vorsicht wäre es durchaus im Sinne der Deutschen, dort noch ein oder zwei Partien zu bestreiten. Die Finalspiele finden nämlich in Budapest statt.

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