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Platte im Stadion. 2004 fand auf Schalke das Eröffnungsspiel der Bundesliga zwischen Lemgo und Kiel vor 30.925 Besuchern statt – Zuschauer-Weltrekord im Handball.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Handball-Bundesliga: Finale vor Rekordkulisse

Revolution in der Handball-Bundesliga? Der Deutsche Meister könnte schon bald in einem Endspiel ermittelt werden, um die öffentliche Wahrnehmung zu erhöhen.. Doch der Ligaprimus THW Kiel stemmt sich gegen die Pläne.

Berlin - Die Kameras können Anders Eggert jetzt nicht mehr einfangen, er verschwindet unter einer Mitspielertraube. Soeben hat der kleine Däne mit einem seiner Trickwürfe das Finale um die Deutsche Handball-Meisterschaft entschieden, in letzter Sekunde schlägt die SG Flensburg-Handewitt den THW Kiel, Endstand: 29:28. Die traditionell zahlreich mitgereisten Fans der SG rasten in der ausverkauften Fußballarena auf Schalke vollends aus. Und an der Seitenlinie krempelt Ljubomir Vranjes vorsorglich die Ärmel hoch, der Trainer will sich das historische Datum direkt auf den Unterarm tätowieren lassen. Als Erinnerung an jenen Tag, an dem seine Mannschaft den Serienmeister aus Kiel endlich auch mal in einem Finale besiegt hat.

Abgesehen von dem fiktiven Verlauf des Finalspiels könnte sich dieses Szenario sehr bald tatsächlich so abspielen. Bei der Mitgliederversammlung des Dachverbands der Handball-Bundesliga (HBL) entscheiden die Vertreter der 18 Clubs Anfang Juli darüber, ob der Deutsche Meister ab der Saison 2014/15 weiterhin tabellarisch nach 34 Spieltagen ermittelt werden soll wie in den vergangenen 20 Jahren – oder in einem Endspiel, für das sich die ersten beiden Teams qualifizieren würden, ausgetragen in einem Fußballstadion. „Bei allem Verständnis für die Wurzeln des Handballs glaube ich, dass wir uns ein Stück weit neu erfinden und mit der Zeit gehen müssen“, sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. So spektakulär sein Vorschlag im ersten Moment auch klingen mag – bei Fans, Funktionären und Beteiligten sorgt er für kontroverse Diskussionen. Im Grunde geht es um die Frage: Geld oder sportliche Gerechtigkeit?

Bei der HBL erhofft man sich durch die Einführung des Meisterschaftsfinals einen Schub in der öffentlichen Wahrnehmung, quotenträchtige Übertragungen und daraus resultierend größere finanzielle Einnahmen. Dem Vernehmen nach geht es um mehrere Millionen Euro, wodurch wiederum die Bundesligisten entlastet werden könnten. Auf der anderen Seite erscheint es schlichtweg unfair, dem punktbesten Team des Jahres ein Finale im Alles-oder-Nichts-Modus aufzuzwingen, zumal der sportliche Wert der regulären Saison darunter leiden würde. Bundestrainer Martin Heuberger sagt: „Wer nach 34 Spieltagen vorn steht, soll Meister werden.“

Das sieht naturgemäß auch Alfred Gislason so, der Trainer von Dauermeister THW Kiel. „Es wäre grob fahrlässig, wenn man die Idee der HBL umsetzt“, sagt der Isländer, „man könnte dadurch die Liga ruinieren.“ Nicht ohne Eigeninteresse hat der Isländer deshalb kürzlich einen anderen Vorschlag eingebracht: die Aufwertung des Supercups. Im Moment ist das Duell zwischen Deutschem Meister und Pokalsieger ein besseres Freundschaftsspiel. Geht es nach Gislason, könnte der Wettbewerb nach spanischem Vorbild ausgetragen werden, sprich: In der Fußball-Pause zwischen Weihnachten und Neujahr spielen die besten acht Teams im K.-o.-Modus einen Sieger aus, der einen Startplatz für die Champions-League-Saison erhält. Bohmann entgegnet: „Der Rahmen für so ein Turnier muss mit unserem maximalen Titel bestückt sein – und das ist nun mal die Meisterschaft.“ Fragt man bei anderen Vereinen und Amtsträgern nach, dann verhält es sich wie bei einem alten Juristenwitz: zwei Menschen, drei Meinungen.

Fakt sei, dass die Sportart neue Impulse benötigt, sagt Thorsten Storm. „Die allgemeine Einnahmensituation passt nicht zu den Gehältern im Profihandball. Die Personalkosten gehen überall nach unten, die Vereine müssen sparen“, ergänzt der Manager der Rhein-Neckar Löwen.

Selbst die Spitzenteams der stärksten Handball-Liga sind betroffen. Kiel, Hamburg, Berlin – fast alle Klubs nehmen zur neuen Saison elementare Veränderungen in ihren Kadern vor . „Weil sich nationale und internationale Interessen beim Erstellen des Spielplans nur schwer vereinbaren lassen, ist Handball schlichtweg überfrequentiert“, analysiert Storm. Unter der Vielzahl bisweilen bedeutungsloser Spiele leidet die TV-Präsenz. Jüngstes Beispiel: Der Sender „Sport1“ hat unlängst angekündigt, ab der kommenden Saison weniger Handball und mehr Drittliga-Fußball zeigen zu wollen. „Das wäre eine mittelschwere Katastrophe“, sagt Storm, „denn schon jetzt bekommen Fußball-Drittligisten mehr Fernsehgeld als Handball-Bundesligisten.“

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