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Bundestrainer Berti Vogts (rechts) mit Nachwuchstrainer Hans-Jürgen Dörner.

© imago

Hall of Fame des deutschen Fußballs: Was Dixie Dörner Berti Vogts voraus hat

In der DDR war Dixie Dörner der Held von 16 Millionen Menschen. Jetzt kam es zum späten Duell mit seinem einstigen Chef Berti Vogts.

Von Katrin Schulze

Die Wege mancher Fußballer kreuzen sich auf fast schon wundersame Weise immer wieder, obwohl sie auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben. So ist es auch bei Hans-Hubert – genannt Berti – Vogts und Hans-Jürgen – genannt Dixie – Dörner. Dabei spielten beide jahrzehntelang in zwei verschiedenen Fußballwelten – in einem Land, das nicht zusammengehören durfte.

Auf der einen Seite der Mauer Vogts, der es in der Bundesrepublik aus ärmlichen Verhältnissen mit viel Fleiß zu einem der härtesten Verteidiger der Welt brachte. Auf der anderen Seite Dörner, dessen Talent und Eleganz als Libero die DDR-Bürger vom Franz Beckenbauer des Ostens schwärmen ließ.

Dem hoch Gelobten war dieser Vergleich nie ganz geheuer. "Es freut mich, wenn jemand sagt, dass unser Spielstil sich ähnelte", sagt Dörner heute in der ihm eigenen Bescheidenheit. "Aber Franz Beckenbauer hat international mit seinem Verein und der Nationalmannschaft doch viel mehr erreicht." Trotzdem fiel einer wie Dörner natürlich auf. Nachdem auch die fußballerische Mauer gefallen war, holte ein gewisser Berti Vogts ihn als Nachwuchstrainer zum Deutschen-Fußball-Bund.

"Wir haben uns bei der WM 1990 kennengelernt, als ich noch für den DDR-Verband unterwegs war", erinnert sich Dörner. "Dass er mich danach verpflichtet hat, empfand ich als große Ehre." Vogts war es auch, der ihn nach Bremen vermittelt hat, wo er als erster ostdeutscher Coach einen Bundesliga-Verein übernahm – lange bevor Hans Meyer zum Beispiel bei Borussia Mönchengladbach anheuerte.

Dörner weiß, dass er Vogts viel zu verdanken hat. Und es gibt eine Sache, die der Sachse ein bisschen bedauert: dass sich beide nicht schon viel früher auf dem Rasen begegnet sind. Das direkte Duell, das den beiden bei der Weltmeisterschaft 1974 noch verwehrt blieb, weil Dörner an Gelbsucht erkrankt war, fand nun auf einem anderen Feld mit quasi 45-jähriger Verspätung statt.

Bei der Wahl zur Aufnahme in die deutsche Hall of Fame kam es in genau einem Fall zu einer Stichwahl – zwischen Vogts und Dörner. Nachdem vor einem Jahr in der ersten Abstimmung dieser Art überhaupt die besten elf Spieler der Vergangenheit gewählt worden waren, ging es in diesem Jahr um die nächsten fünf, die in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballmuseums in Dortmund einziehen.

Auf der Torhüterposition setzte sich klar Oliver Kahn durch, fürs Mittelfeld entschieden sich die Sportjournalisten der führenden Medien einstimmig für Wolfgang Overath, der Angreifer des zweiten Jahrgangs heißt Jürgen Klinsmann, und an Weltmeistertrainer Helmut Schön kam man auch nicht vorbei.

Die Wende als Chance

Nur die Abwehr bereitete ernsthaft Probleme. Vogts oder Dörner? Wie soll man sich da nur entscheiden – jetzt da Ost und West nur noch geografische Kategorien sind. Dörner war es unmöglich, mit der Nationalmannschaft der DDR so viele Erfolge zu feiern, wie es Vogts geschafft hat. Dafür wurde der Ostdeutsche 1976 Olympiasieger und hat ganze 100 Länderspiele abgespielt (vier mehr als Vogts) – nur Joachim Streich konnte das in der DDR toppen.

Hans-Jürgen Dörner im Dress der DDR.
Hans-Jürgen Dörner im Dress der DDR.

© imago/Sven Simon

Mit Dynamo Dresden spielte Dörner auch international, aber an die Triumphe, zu denen Vogts Gladbach in den 1970er Jahren führte, gelangte Dörner natürlich nicht heran. Dafür war der Beckenbauer des Ostens zum Beispiel torgefährlicher als das westdeutsche Original. Und er riss 16 Millionen Menschen mit, für die Fußball auch eine Art Flucht war aus dem oft monotonen Alltag. Dörner selbst hat seine Auslandsfahrten im Gegensatz zu anderen Kollegen nie dazu genutzt, um auszureißen in die Welt der vielen Möglichkeiten. "Ich konnte meine Familie doch nicht im Stich lassen", sagt er. Und dass es vonseiten der Stasi nie den Versuch gab, ihn – das große Idol – anzuwerben.

Hans-Jürgen Dörner ist jemand, der die Wende immer als Chance für ein besseres Leben begriffen hat. Das ist bis heute so geblieben, genau wie die Tatsache, dass er im Herzen immer ein Dresdner gewesen ist. Insgesamt ist er für Dynamo 392 Mal aufgelaufen und hat dabei 65 Treffer erzielt, heute sitzt er im Aufsichtsrat des Klubs. Der Kontakt zu Berti Vogts sei leider etwas abgebrochen, sagt Dixie Dörner. Aber vielleicht ändert sich das ja nun angesichts des aktuellen Duells um den Einzug in die Hall of Fame. Denn am Ende lag Dörner nach der Stichwahl tatsächlich vorne. Mit genau einer Stimme.

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