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Alexander Zverev schlägt inzwischen lieber zu riskant als zu vorsichtig auf.

© dpa

Halbfinale bei den US Open: Alexander Zverev ist endlich bereit für Großes

Gegen Pablo Carreno Busta könnte Alexander Zverev erstmals in ein Grand-Slam-Finale einziehen. Weil er sich weiterentwickelt hat – nicht nur sportlich.

Ein bisschen verrückt ist Alexander Zverev schon. Das gab der deutsche Tennisprofi selbst gerade erst in einem Gespräch mit dem Fernsehsender Eurosport unumwunden zu. Auf die Frage, warum er seinen zweiten Aufschlag auch mal mit vollem Risiko durchziehen würde, antwortete Zverev grinsend: „Weil ich bekloppt bin.“

Wer will, kann daraus ableiten, dass Zverev nicht mehr zögert und zaudert, sondern auch in kniffligen Situationen während eines Matches etwas wagt. Dass er so auch den einen oder anderen Doppelfehler fabriziert, liegt in der Natur der Sache. Zverev passierte das in der Vergangenheit jedoch sogar dann, wenn er bewusst dosiert aufschlagen wollte. Der Arm konnte ihm dann schon einmal schwer werden.

Am Freitag steht für den Deutschen bei den US Open das Halbfinale gegen den Spanier Pablo Carreno Busta an (22 Uhr, live bei Eurosport), Zverev geht als Favorit in das Match. Und machte sich im Vorfeld auch nicht kleiner, als er ist: „Ich bin noch nicht fertig“, sagte er selbstbewusst. Die große Chance, die sich ihm in New York bietet, will er ergreifen. Zumindest der erstmalige Einzug in das Endspiel eines Grand-Slam-Turniers soll es schon sein.

Natürlich hatte der 23-Jährige in New York bisher auch das Glück auf seiner Seite. Die ganz großen Gegner stellten sich ihm bis zum Halbfinale noch nicht in den Weg. Das hat Zverev in der Vergangenheit aber nicht davon abgehalten, trotzdem zu verlieren. Jetzt scheint er endlich auch mental bereit für die Herausforderung bei einem großen Event: „Es hat eine Weile gedauert bei mir“, sagte er und zeigt durch Sätze wie diese, dass er inzwischen in jeder Hinsicht gereift ist.

Zverev wirkt inzwischen gereifter, in New York ist er ohne Vater und Trainer Ferrer

Bei den US Open in New York fehlt sein Vater, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Auch den neuen Trainer David Ferrer konsultiert Zverev nur telefonisch. Dass er zumindest auf die persönliche Ansprache in der direkten Matchvorbereitung auch schon mal verzichten kann, hat sich nicht negativ ausgewirkt. Stattdessen gibt sich der Deutsche erstaunlich locker und grüßt auch mal lässig mit freiem Oberkörper aus einer der Logen im Arthur-Ashe-Stadium.

Dabei läuft auf dem Tennisplatz selbst nicht immer alles rund. Nun eines der fünf Matches in Flushing Meadows hat er ohne Satzverlust gewonnen. Aber selbst ein mit 1:6 verlorener erster Durchgang wie zuletzt gegen Borna Coric im Viertelfinale lässt ihn nicht verzweifeln: „Ich musste das erst lernen, dass gerade bei einem Spiel über fünf Sätze viel passieren kann“, erklärte er nun.

Mehr Geduld und das Vertrauen in die eigenen Stärken zahlen sich inzwischen immer häufiger für den Deutschen aus. Dazu hat er jetzt auch viel Matcherfahrung und weiß, in welcher Situation welche Taktik die größtmögliche Aussicht auf Erfolg hat.

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Auch spielerisch sind Fortschritte sichtbar. Die Vorhand, von den Gegnern häufig als vermeintliche Schwäche auserkoren und gern angespielt, wird mehr und mehr zu einer Waffe. Dazu ist sein Volleyspiel besser geworden und trotz seiner schlaksigen Statur ist Zverev in der Lage, viele Bälle noch zu erlaufen.

Was bleibt ist die Skepsis in der Öffentlichkeit, nicht nur der deutschen. Für ein Showmatch zur besten Sendezeit in den USA hat es für Alexander Zverev bei diesen US Open nicht gereicht. Anders als Dominic Thiem oder Daniil Medwedew, die das zweite Halbfinale bestreiten, hat er sich noch nicht als Topspieler im Bewusstsein der Tennisinteressierten etabliert. Auch das könnte sich ändern, womöglich sogar schon in New York, wenn Zverev das Finale erreicht und dort der Sportwelt zeigt, dass er mehr als nur ein bisschen bekloppt ist.

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