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Noch einmal durchbeißen. In den vergangenen Jahren machten Kenenisa Bekele immer wieder Verletzungsprobleme zu schaffen. Vor dem Start beim Berlin-Marathon am kommenden Sonntag ist der 37-jährige Topläufer jedoch fit und will voll angreifen.

© AFP

Großer Star beim Berlin-Marathon: Für Kenenisa Bekele geht es um seinen Ruf

Zuletzt trieb Kenenisa Bekele vor allem seine Geschäfte voran. In Berlin kämpft der größte Langstreckenläufer aller Zeiten nun auch um seine Ehre.

Eigentlich sollte ein Mann wie Kenenisa Bekele über alle Zweifel erhaben sein. Auf den Bahnstrecken und beim Crosslauf hat er über Jahre dominiert wie kein Langstreckenläufer je zuvor. Fünf Weltmeistertitel und drei olympische Goldmedaillen hat Bekele im – wortwörtlichen – Laufe seiner Karriere nach Hause gebracht, über 5000 und 10.000 Meter hält er seit inzwischen 15 Jahren die Weltrekorde. Und seine Marathon-Bestzeit von 2:03:03 Stunden wurde weltweit bislang nur von drei Läufern übertroffen.

Doch inzwischen ist Bekele 37 Jahre alt. Und seine letzten Leistungen auf der Marathonstrecke waren für seine Verhältnisse eher dürftig. Mit seiner Bestleistung schrammte er 2016 in Berlin um nur sechs Sekunden am damaligen Weltrekord vorbei. Damals war sich die Laufwelt sicher: Bekele würde nun auch über 42,195 Kilometer dominieren. Aber bei seinen fünf Marathon-Starts danach kam er nur noch zweimal ins Ziel und blieb deutlich unter den Erwartungen.

Und so wurden Zweifel an Bekeles Einstellung zu seinem Sport laut. Vor allem sein früherer Manager Jos Hermens schlug kräftig auf die Pauke: Bekele sei unprofessionell, er beschäftige sich zu viel als umtriebiger Geschäfts- und zu wenig als fleißiger Sportsmann. Tatsächlich hat Bekele in den vergangenen Jahren viel Geld in die Hand genommen, um in seiner äthiopischen Heimat Hotels sowie eine Sportanlage aufzubauen. Aber dass seine sportliche Karriere dadurch gehemmt würde, sieht der alternde Topläufer ganz anders.

„Ich habe nicht wegen des Business nicht so gute Leistungen gebracht, sondern wegen meiner Verletzungen“, sagt Bekele vor seinem ersten Start beim Berlin-Marathon seit 2017 und fügt den schönen Satz an: „I’m not really busy with business.“ Vielmehr habe bei ihm der Sport im Vordergrund gestanden: Zuletzt war er zwei Monate in den Niederlanden, um wieder vollständig fit zu werden. Die beiden vergangenen Monate hat er dann zu Hause in Äthiopien verbracht, um sich für das Rennen am Sonntag (9.15 Uhr/ARD) in Schuss zu bringen.

Die Hoffnungen für eine Topzeit liegen in Berlin auf Bekele

„Das ist nicht wirklich viel Vorbereitung nach der Reha, aber das Training lief gut“, sagt Bekele. Und so liegen die Hoffnungen für eine Topzeit auf der schnellen Berliner Strecke vor allem auf ihm. Zwar haben auch einige seiner jüngeren Landsleute wie Leul Gebrselassie und Birhanu Legese in letzter Zeit mit starken Auftritten auf sich aufmerksam gemacht, doch Bekele ist nach wie vor der große Star des Berliner Teilnehmerfelds.

Das liegt auch daran, dass Eliud Kipchoge für dieses Jahr seine Teilnahme abgesagt hat. Im vergangenen Jahr hatte der Ausnahmeläufer das Rennen mit einem neuen Weltrekord gewonnen. Die Verantwortlichen des Berlin-Marathons schrauben die Erwartungen vor der 46. Auflage des Wettbewerbs deshalb etwas herunter: „Wir werden sicherlich nicht den Weltrekord angreifen und ein 2:01:00- Tempo anlaufen“, sagt Renndirektor Mark Milde. „Aber ich rechne mit einer kompakten Spitzengruppe.“ Auch Bekele ist deshalb im Vorfeld des Rennens eher vorsichtig. Er wolle gerne eine gute Zeit laufen und sich für Olympia qualifizieren – die Norm von 2:11:30 Stunden würde er jedoch wohl auch dann noch schaffen, wenn er unterwegs noch zwei, drei Geschäftstelefonate führen würde.

Doch die Bemühung, jegliche Zweifel an seiner Einstellung von vornherein zu zerstreuen, ist Bekele deutlich anzumerken. Sogar eine Spur Reue mischt sich deshalb in seine Ausführungen vor seinem kommenden Auftritt: „Manchmal habe ich gesagt: Ich bin zu faul“, erklärt Bekele, um dann jedoch sofort zu betonen: „Aber jetzt nehme ich das sehr ernst.“

Auch dass ihm das nicht immer leichtfällt, gibt Bekele zu. „Das Marathon-Training ist jedes Mal wie ein Wettkampf“, sagt er. Die körperliche Belastung fühle sich dabei für ihn an, als würde er jede Woche ein neues Rennen absolvieren. Deshalb sei es umso wichtiger, dass er nun wieder vollständig gesund sei. „Für den Marathon ist eine andere Vorbereitung nötig“, sagt Bekele. „Ich muss jetzt den maximalen Aufwand betreiben.“

Wenn Kenenisa Bekele also im vollen Bewusstsein seines Rufs über seine Rückkehr auf die Marathon-Strecke in Berlin spricht, dann wird deutlich: Hier geht ein Athlet an den Start, der nicht nur gegen die Uhr, sondern auch gegen das Bröckeln seines Legendenstatus läuft. Seine Zunge hat nun den ersten Teil der Überzeugungsarbeit geleistet. Seine Beine sollen am Sonntag den zweiten Teil übernehmen.

Leonard Brandbeck

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