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Eine Linie: Trainer Labbadia und Geschäftsführer Schmadtke.

© dpa

Gegner von Hertha BSC: Beim VfL Wolfsburg ist auf einmal alles leicht und locker

Nach zwei Jahren Abstiegskampf blüht Wolfsburg unter neuer Regie auf. Ein einstelliger Platz soll her.

Von Christian Otto

Wirklich zusammengezuckt ist keiner von ihnen. Spitzenspiel? Natürlich wurde Bruno Labbadia auch mit diesem Begriff konfrontiert, der das Duell zwischen dem VfL Wolfsburg und Hertha BSC am Samstag (15.30 Uhr) umschreibt. Ist das nicht eigentlich eine merkwürdige Zuspitzung nach zwei Spieltagen in der Fußball-Bundesliga? Nicht für Labbadia. „Das fühlt sich gut an“, sagt der Cheftrainer eines Vereins, der plötzlich wieder ein ganz anderes, deutlich positiveres Bild abgibt. Nach zwei Jahren Abstiegskampf blüht der VfL Wolfsburg unter neuer Regie auf. Was Labbadia aus seinem Arbeitsalltag berichtet, ist nicht übertrieben oder allzu rosarot formuliert. „Wir strahlen Freude aus. Es macht Spaß“, findet der 52-Jährige.

Dass in Wolfsburg wieder deutlich mehr gelacht als verkrampft wird, bleibt maßgeblich einer neu sortierten sportlichen Leitung plus Geschäftsführung zu verdanken. Mit Jörg Schmadtke hat im sportlichen Bereich ein ehemaliger Profi das Sagen, der sich etwas traut. Obwohl der Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg Fußball GmbH das forsche Ziel formuliert hat, dass am Saisonende mindestens wieder ein einstelliger Tabellenplatz belegt werden soll, bleibt der neue Geschäftsführer Sport gelassen bis trotzig. „Nach zwei Jahren kurz vor dem Abstieg muss hier erst einmal wieder Stabilität rein“, sagt Schmadtke. Wenn er öffentlich auftritt, klingt der frühere Torhüter und heutige Entscheider mal kauzig, dann wieder charmant, in jedem Fall aber sehr selbstbewusst. Dass Schmadtke zuletzt sogar die Strukturen des Deutschen Fußball-Bundes als nicht mehr zeitgemäß eingestuft hat, bringt einen angenehmen Nebeneffekt mit sich. Während sich Schmadtke bundesweit positioniert und in Wolfsburg etabliert, kann sich Labbadia wieder auf die Arbeit mit der Mannschaft konzentrieren. Siege gegen Schalke 04 und Bayer Leverkusen waren zum Saisonstart der Lohn dafür.

Spielen gegen die Kritiker

Den Wolfsburger Fans, Kritikern und den Spielern sind in diesem Sommer jede Menge gute Gründe für schlechte Leistungen genommen worden. Mit Schmadtke hat sportliche Kompetenz Einzug in die Geschäftsführung des VfL gehalten. Mit Labbadia soll nach der Saison 2017/18 mit drei verschiedenen Trainern endlich wieder Kontinuität einkehren. Und dass der ehemalige Publikumsliebling Marcel Schäfer als Sportdirektor zwischen Team und Teppichetage vermittelt, darf als cleverer Ansatz eingestuft werden. Die Stimmung beim Training ist – abgesehen von so manchem Rüffel für trainingsfaule Reservisten – leicht und locker. Offenbar sieht der Großteil der Spieler eine klare Linie in der Vereinsführung.

„Wir wissen, was wir für eine Qualität im Kader haben“, sagt etwa Stürmer Daniel Ginczek. Er ist für rund 14 Millionen Euro Ablöse vom VfB Stuttgart geholt worden und darf sich in Wolfsburg bisher noch nicht Stammspieler nennen. Aus neuem Personal und frischer Rivalität entsteht derzeit etwas Positives. „Vielleicht spricht sich das ja herum. Man muss sich seinen Zuspruch erarbeiten“, sagt VfL-Boss Schmadtke. Ihm ist nicht entgangen, dass das erste Heimspiel der Saison gegen Schalke nicht ausverkauft war und die Zahl der verkauften Dauerkarten auf rund 18 000 gesunken ist.

Natürlich kommen schon die ersten Spinnereien auf, was eigentlich passieren würde, wenn der VfL auch gegen Hertha BSC gewinnen sollte. Vor drei Jahren noch waren die Niedersachsen mit Cheftrainer Dieter Hecking als Jäger des FC Bayern eingestuft worden und sind an dieser Rolle gescheitert. Mit Schmadtke gibt es einen Vordenker, der genau weiß, wie man einen Anflug von Größenwahn und Pomadigkeit schon im Keim erstickt. „Bitte nicht“ – so lautet seine Antwort auf die Frage, ob er denn bereits einen neuen VfL erkennen könne.

Seine Bitte-nicht-Strategie ist erfolgreich erprobt. Mit Hannover (2009 bis 2013) und Köln (2013 bis 2017) waren Schmadtke erstaunliche Höhenflüge bis in die Europa League gelungen. Im Vergleich dazu sind die Grundvoraussetzungen in Wolfsburg noch besser, um sich für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren. Ab 2020 will sich Schmadtke auf solche Dinge einlassen. Vorher soll aber, so ist es der sportiven Belegschaft erklärt worden, mehr gearbeitet als geredet werden.

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