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Erfolg auf Knopfdruck: Die Schalker E-Sportler in Aktion.

©  Riot Games

„Gaming House“ in Charlottenburg: Warum Schalke 04 mit dem E-Sport nach Berlin zieht

Der FC Schalke 04 eröffnet in Charlottenburg sein „Gaming House“ neu. Die E-Sport-Community hofft auf mehr gesellschaftliche Anerkennung. Ein Ortstermin.

Im altehrwürdigen Charlottenburg, wo sich Altbau an Altbau reiht, lässt sich beim besten Willen nicht erahnen, was sich hinter den Türen einer der schmucken Wohnungen verbirgt. Zur Seite einer großzügigen Eingangstreppe sind die Decken zwar nach wie vor himmelhoch und das Parkett knarzt vertraut, doch mit stattlicher Urgemütlichkeit hat das Interieur wenig zu tun.

Die Wände sind in Blau und Grau gehalten, daran hängen Flatscreens, Leinwände und Flipcharts, auf langen Tischen stehen Computerbildschirme, davor Formel-1-ähnliche Sportsessel, in Kühlschränken und Regalen sind Energydrinks sowie Nahrungsergänzungsmittel aufgereiht. Und immer wieder taucht ein Symbol auf: das Logo des FC Schalke 04.

Willkommen im Berliner „Gaming House“ des Gelsenkirchener Traditionsvereins. Hier trainieren elf Gamer, die im Action-Strategiespiel „League of Legends“ zu den besten ihres Fachs gehören, unter professionellen Bedingungen. Wettkämpfe gegen andere Teams, die in Onlinestreams von tausenden Fans verfolgt werden, finden regelmäßig in Adlershof statt, deshalb haben die Schalker Verantwortlichen beschlossen, sich dauerhaft in Berlin niederzulassen. Am Donnerstag luden sie nun zur Neueröffnung ein.

„Wir haben uns dafür entschieden, E-Sport nicht nur zu begleiten, vielmehr wollen wir uns aktiv engagieren und diese junge Sportart mit aufbauen“, sagt Alexander Jobst, Vorstand beim FC Schalke. Als erster Klub der Fußball-Bundesliga haben die Gelsenkirchener deshalb vor drei Jahren damit begonnen, eine eigene E-Sport-Abteilung aufzubauen.

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Als Jobst den Beschluss vor 10.000 Leuten auf der Mitgliederversammlung vorstellte, habe er damals „in 9985 fragende Gesichter geschaut“, erzählt er. „Heute können viele den Beweggrund nachvollziehen.“ Der besteht vor allem darin, neue Zielgruppen zu erschließen, besonders junge Fans. Außerdem sahen die Schalker Verantwortlichen auch wirtschaftlich große Wachstumspotenziale. „Und das zahlt sich jetzt nach drei Jahren schon sehr positiv aus“, sagt Jobst.

Die Skepsis gegenüber E-Sport bleibt

Doch die Skepsis auf Seiten des organisierten Sports gegenüber der aufstrebenden E-Sport-Community ist nach wie vor groß. Der Deutsche Olympische Sportbund hat erst im Sommer ein Gutachten veröffentlicht, das dem E-Sport eine Aufnahme in den organisierten Sport versagt. Die würde nicht nur strukturelle Vorteile wie die Gemeinnützigkeit erbringen, sondern könnte sogar eine olympische Perspektive eröffnen.

„Für uns ist es nur eine Frage der Zeit, wann der E-Sport als eine neue, moderne Form des Sports anerkannt wird“, sagt Jobst. Er glaubt, dass sein Klub als „Traditionsmarke aus dem Kerngeschäft Fußball“ diese Entwicklung beschleunigen werde.

Auch die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), ist zur Neueröffnung geladen. Sie wirbt auf politischer Ebene um Akzeptanz für die E-Sport-Community. Mit der ist es gesellschaftlich nach wie vor nicht allzu weit her. Immer noch beherrschen Klischees von dunklen Kellern, Stapeln von Pizzaschachteln und aktuell auch wieder Bedenken wegen extremistischer Umtriebe in Gamerkreisen die Diskussionen. Nach dem Anschlag in Halle regte etwa Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine genauere Beobachtung der Szene an, wurde dafür jedoch harsch kritisiert.

Auch deshalb wäre eine Anerkennung des organisierten Sports so wertvoll für die Community: Um als ernstzunehmende gesellschaftliche Institution von den negativen Assoziationen loszukommen. Und wo lägen solche Assoziationen ferner als in einem hellen Altbau im bürgerlichen Charlottenburg?

Leonard Brandbeck

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