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Kreis der Leidenschaft. Uruguay feiert den Sieg gegen Portugal im Achtelfinale.

© Adrian Dennis / AFP

Fußball-WM in Russland: Warum nicht das Herz Uruguay schenken?

Kennt das Fußballherz ein Zweitverwertungsrecht? Das können sich die deutschen Fans noch zwei WM-Wochen lang fragen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Friedhard Teuffel

Zwei Wochen Urlaub kommen einem oft viel zu kurz vor, aber noch zwei Wochen Fußball-WM ohne die eigene Mannschaft dürften sich ziemlich in die Länge ziehen. Immer nur anderen zuzugucken, darin hat das Land keine Übung. Was also tun?

Uruguay hat gerade ein verführerisches Angebot gemacht. So viel Gerenne, so viel Leidenschaft, so schöne Tore. Dem könnte man sich doch einfach anschließen. Ist es nicht genau das, was den Fußball am schönsten macht, wenn sich Hingabe und Ästhetik miteinander verbinden? Und war es nicht genau das, was sich auch die Fans von der deutschen Mannschaft erhofft hatten? Dazu kommt die Geschichte von Trainer Oscar Tabárez, der wegen einer Nervenkrankheit mit Krücke am Spielfeldrand steht und laut Aufzeichnung der "Süddeutschen Zeitung" gesagt hat: „Fußball ist neben vielen anderen Dingen auch eine Angelegenheit unter Menschen. Vor allem von Verlierern, die die Erfahrung der Niederlage zu nutzen wissen.“

Nach welchen Kriterien vergeben unsere Zuneigung?

Die Frage ist nur, ob das Fußballherz überhaupt eine Art Zweitverwertungsrecht kennt. Die Frage stellt sich gerade in Berlin, das zum einen ähnlich viele Einwohner hat wie Uruguay. Und zum anderen auch eine Stadt der Zugezogenen ist. Wer hierher zieht aus dem Ruhrgebiet, aus Stuttgart oder Hamburg, bringt seinen Fußballverein im Herzen schon mit und geht meist nur dann zu den Berliner Vereinen ins Stadion, wenn der eigene Verein zu Gast ist, oder der eigene Nachwuchs sich entschieden hat, Fan zu werden.

Die Zuneigung neu zu verschenken, etwa jetzt bei der WM, ist vor allem deshalb nicht einfach, weil die Kriterien dafür erst gefühlt bestimmt werden müssen. Ist es das Spiel der Mannschaft? Sympathie für einzelne Spieler oder den Trainer? Schwärmerei für das Land? Oder eine gelebte Verbundenheit? Dann käme schon im nächsten Spiel eine Bewährungsprobe für die Zuneigung. Uruguay gegen Frankreich, gegen unseren engsten Partner, mit dem Deutschland gemeinsam Europa zusammenhalten will. Gut möglich also, dass das Fußballherz sich neben der großen Liebe allenfalls auf vorübergehende, sprunghafte Liebeleien einlässt.

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