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Läuft nicht. Tschertschessows Russen warten seit Oktober 2017 auf einen Sieg.

© AFP

Fußball-WM 2018: Russlands Nationalteam steckt in der Krise

Seit acht Monaten wartet Russlands Nationalteam nun schon auf einen Sieg, der letzte datiert vom Oktober 2017. Nicht mal die Landsleute trauen ihm etwas zu.

Fußball ist ja schön und gut, heute Abend geht es los mit der Weltmeisterschaft, aber vorher hat Stanislaw Tschertschessow noch einen wichtigen Termin. Einen Tag vor der WM-Eröffnung im Luschniki-Stadion gegen Saudi- Arabien verlässt der Trainer der russischen Nationalmannschaft das Mannschaftsquartier in Nowogorsk, einen riesigen Kasten an der nördlichen Moskauer Peripherie, wo schon zu sowjetischen Zeiten Sportler gedrillt wurden. Gemeinsam mit dem früheren Nationalspieler Waleri Gassajew gastiert Tschertschessow bei einer PR-Veranstaltung in der City. Es geht dabei um Blutspenden, was unfreiwillig komisch wirkt, denn so eine kleine Auffrischung könnten seine Spieler auch ganz gut vertragen.

Das WM-Jahr hat sich nicht gut angelassen für die Russen. Seit acht Monaten warten sie nun schon auf einen Sieg, der letzte datiert vom Oktober 2017. Gegen die Fifa-Weltrangliste lässt sich einiges sagen. Aber dass Russland auf Platz 70 liegt, hinter allen anderen 31 WM-Teilnehmern und Fußball-Großmächten wie Burkina Faso, Kap Verde oder Mali, hat schon eine gewisse Aussagekraft. Der Auftaktgegner Saudi-Arabien liegt als zweitschlechteste Mannschaft immerhin auf Platz 67. Und dass die traditionell gern unterschätzten Saudis keine Witzmannschaft sind, haben sie beim knappen 1:2 im letzten WM-Test vor einer Woche gegen die Deutschen in Leverkusen zumindest angedeutet.

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Natürlich muss heute ein Sieg her für die Russen, sonst könnte schon nach der Vorrunde Schluss sein, und das in der nicht übermäßig starken Gruppe A, zu der sonst noch Ägypten und Uruguay gehören. „Wir sind keine Favoriten, aber wir können einiges bewegen“, sagt Artjom Dsjuba, der Stürmer von Zenit St. Petersburg. „Und wir wollen allen beweisen, dass wir Fußball spielen können.“ Was ist zu erwarten von dieser russischen Mannschaft? Wenig – glauben sogar die eigenen Landsleute.

In einer Umfrage kurz vor der WM sprachen gerade vier Prozent ihrer Sbornaja eine Chance auf den WM-Titel zu. Stanislaw Tschertschessow weiß um die geringe Wertschätzung in der Heimat. Er akzeptiert sie als Kritik an seiner Arbeit, aber „wenn dich niemand kritisiert, dann bedeutet das, dass es kein Schwein interessiert, was du machst“.

Der russische Fußball hat ein strukturelles Problem

Tschertschessow ist ein lustiger Mann mit kahlem Schädel und voluminösem Schnauzbart, der schon sein Markenzeichen war, als er in den Neunziger Jahren das Tor von Dynamo Dresden hütete. Er ist mit Legia Warschau polnischer Meister geworden, keine so großartige Referenz für die Berufung zum Nationaltrainer, aber wer will den Job schon machen? Russland hat es mit viel Geld und großen Namen versucht, mit dem Niederländer Dick Advocaat und dem Italiener Fabio Capello, dem teuersten Trainer in der Geschichte des russischen Fußballs, er hat angeblich 7,5 Millionen Dollar im Jahr verdient.

Aber auf der Bank werden keine Tore geschossen, keine vorbereitet und auch keine verhindert. Der russische Fußball hat ein strukturelles Problem. Es gibt keine professionelle Nachwuchsförderung und demzufolge auch keine jungen Spieler, die für die großen europäischen Ligen interessant sind und dort den Sprung auf das nächste Level schaffen.

Von den 23 Spielern im WM-Kader verdienen nur zwei ihr Geld im Ausland – der Ersatztorhüter Wladimir Gabulow in Brügge, der Mittelfeldmann Denis Tscheryschew in Villarreal, beides nicht gerade erste Adressen. „Natürlich wäre es besser, wenn der eine oder andere Spieler in Mailand oder Liverpool spielen würde“, sagt Trainer Tschertschessow. „Das bringt mehr Erfahrung und wäre eine Bereicherung für die Mannschaft. Aber es ist, wie es ist.“ Nicht besonders zuversichtlich stimmend.

In seiner Not hat er zuletzt sogar die in der Bundesliga unter dem Radar laufenden Russland-Deutschen Roman Neustädter (früher Mönchengladbach und Schalke) und Konstantin Rausch (Köln) einbürgern lassen. Immerhin dieses Missverständnis hat vor der WM ein Ende gefunden. Roman Neustädter und Konstantin Rausch fielen dem letzten Cut zum Opfer. 

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