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Die ersten Elf. Das deutsche Team vor dem letzten Gruppenspiel gegen Südafrika.

© Pascal Guyot/AFP

Fußball-Weltmeisterschaft: Der große Team-Check vor dem Achtelfinale

Die Nationalmannschaft steht im Achtelfinale. Wir analysieren, welche Spielerinnen überzeugt haben und wer sich für das Achtelfinale steigern muss.

Die deutsche Nationalmannschaft hat die Vorrunde bei der WM erfolgreich abgeschlossen. Drei Siege in drei Spielen sind ein sehr guter Start ins Turnier. Doch die Leistungen der Spielerinnen waren sehr unterschiedlich. Wir zeigen, wer aus dem deutschen Team bereits überzeugt hat – und wer sich für das Achtelfinale am Samstag (17.30 Uhr) steigern muss.

Besser geht es nicht. Torhüterin Almuth Schult blieb in der Vorrunde ohne Gegentor.
Besser geht es nicht. Torhüterin Almuth Schult blieb in der Vorrunde ohne Gegentor.

© Pascal Guyot/AFP

Almuth Schult

Noch hat das deutsche Team kein Gegentor kassiert. Ein größeres Lob als diese Statistik kann es für eine Torhüterin nicht geben. Und Almuth Schult hatte daran einen großen Anteil. Denn wenn ihre Vorderleute patzten, war sie zur Stelle. Schult ist stark im Eins gegen Eins und sicher bei hohen Bällen. Obwohl sie gegen Spanien einmal zu zögerlich herauskam, hat Deutschland mit ihr eine der besten Schlussfrauen des Turniers. Auch neben dem Platz wirkt Schult, die als einzige der Spielerinnen keinen Instagram-Account pflegt, wie ein Ruhepol für die aufgeregten und unerfahrenen Mitspielerinnen. Sie könnte mit einem ruhigen Wort in Manuel-Gräfe-Manier auch einen japsenden Joshua Kimmich beruhigen.

Giulia Gwinn

Vorne rechts, hinten links, hinten rechts: Giulia Gwinn ist die Allrounderin im deutschen Team. Dass sie überhaupt noch weiß, wo sie spielen soll, ist schon eine Leistung. Denn Trainerin Voss-Tecklenburg hat sie im ersten Spiel auf drei verschiedenen Positionen eingesetzt. Doch die 19 Jahre alte Gwinn überzeugt, egal wo sie spielt. Und taucht sogar noch gefährlich vor dem gegnerischen Tor auf. Im Auftaktspiel gegen China erzielte sie das erlösende Siegtor und auch gegen Spanien war sie die erste, die sich offensiv etwas zutraute. Ihre Flanke auf Alexandra Popp im Spiel gegen Südafrika war dann die Krönung einer starken Vorrunde Gwinns. Kein Wunder, dass der FC Bayern München den Teenager schon vor der WM verpflichtet hat.

Sara Doorsoun

Die Innenverteidigerin hatte einen sehr schweren Start ins Turnier. Gegen China spielte Doorsoun zwei katastrophale Querpässe, die schon in der Kreisliga mit fünf Liegestützen bestraft werden. Die Wolfsburgerin begründete ihre Fehler mit der Nervosität und versprach Besserung. Das gelang ihr eindrucksvoll. Gegen Spanien rettete Doorsoun dank ihrer extremen Schnelligkeit und Zweikampfstärke mehrmals gegen die Stürmerinnen. Doch sie kann sich vor allem im Aufbauspiel noch steigern, wo zu viele lange Bälle ins Aus oder ins Nirvana gehen. Dazu braucht sie mehr Hilfe ihrer Mitspielerinnen, die sich im Mittelfeld anbieten müssen. Voss-Tecklenburg hatte zur Halbzeit beim Spiel gegen China überlegt, Doorsoun auszuwechseln. Die Trainerin entschied sich dagegen – und Doorsoun bekam eine zweite Chance, die sie nutzte.

Marina Hegering

Sie ist nicht nur Doorsouns Nachbarin in der Innenverteidigung, sondern teilt sich mir ihr auch ein Zimmer. Dort spielt Hegering manchmal Gitarre, zuletzt „Country Roads“, wie Doorsoun verriet. Das Instrument hat sich die 29 Jahre alte Hegering während der sechsjährigen Verletzungspause selbst beigebracht, als an Fußball vorerst nicht zu denken war. Ihre Rückkehr auf den Platz war ein kleines Wunder. Und es lief noch besser: Unter Voss-Tecklenburg machte Hegering ihr erstes Länderspiel. Die Bundestrainerin sieht in ihr die Abwehrchefin und schätzt ihre Übersicht. Über weite Strecken zeigte Marina Hegering, die von Doorsoun „Maschina“ genannt wird, gute WM-Leistungen, ist kopfballstark und traut sich sogar nach vorne. Doch immer wieder schleichen sich Patzer ein. Dann verspringt ihr der Ball und die Stürmerinnen stehen allein vor Schult. Gegen stärkere Gegnerinnen darf das nicht passieren – sonst hat sie ganz bald noch viel mehr Zeit für die Gitarre.

Verena Schweers

Trainerin Voss-Tecklenburg wollte nach der wilden Abwehrleistung gegen China Stabilität und Erfahrung ins Team bringen und setzte auf Schweers. Hinten links zeigte die Spielerin vom FC Bayern München eine solide Leistung gegen Spanien und bereitete gegen Südafrika sogar ein Tor vor. Dabei war das eher glücklich: Eine Hereingabe von Schweers, bei der die deutschen Fans sicher schon abgewunken hatten, klatschte die südafrikanische Torfrau vor die Füße von Sara Däbritz, die zum 2:0 einschoss. Nach vorne ist Schweers ansonsten sehr zurückhaltend. Da ist Carolin Simon, die mit Schweers um den Startplatz kämpft, stärker.

Immer dort, wo es weh tut. Svenja Huth.
Immer dort, wo es weh tut. Svenja Huth.

© Imago

Svenja Huth

Als sich Deutschland in den ersten beiden Spielen schwer tat, ging Svenja Huth voran. Die Vize-Kapitänin versuchte immer wieder, über die Außen für Gefahr zu sorgen. Sie flankte hoffnungsvoll auf Popp und schloss auch selber ab. Wirklich gefährlich ist die Potsdamerin, die zur kommenden Saison nach Wolfsburg wechselt, aber selten. „Mich macht es auch glücklich, wenn einer meiner Querpässe zu einem Tor führt“, sagte sie vor der WM im „Tagesspiegel“-Interview. Auf ihre Querpässe kann es in den nächsten Spielen noch ankommen. Und auf ihren Mut: Huth probiert immer wieder, an ihren Gegnerinnen vorbeizukommen – auch wenn es schon drei Mal nicht geklappt hat.

Melanie Leupolz

Vor der WM schien Leupolz im defensiven Mittelfeld gesetzt zu sein. Doch nach einer eher schwächeren Leistung gegen China musste die Münchnerin auf die Bank – nicht unbedingt zu ihrer größten Freude. „Schonung war es auf keinen Fall, mir geht’s super“, sagte Leupolz nach dem Spiel. Sie hätte gerne wieder von Anfang an gespielt. „Ich muss es akzeptieren.“ Gegen Südafrika war sie wieder in der Startelf – und machte direkt Werbung für sich. Nach einer Ecke stand sie im Fünfmeterraum so alleine wie ihre Trainerin in der Coaching-Zone und nickte zum 1:0 ein. Nicht nur wegen des Tores wird Voss-Tecklenburg in der K.o.-Phase wohl wieder auf die zweikampfstarke Leupolz setzen – ab der ersten Minute.

Lina Magull

„Dass Lina Magull eine gute Kickerin ist, wissen wir alle“, sagte die Bundestrainerin nach dem Spiel gegen Südafrika und grinste. Mit Magull in der Startformation hatte Voss-Tecklenburg alles richtig gemacht. Die Mittelfeldspielerin bringt eine spielerische Qualität mit, die dem deutschen Team zu Beginn der WM gefehlt hat. Nachdem sie aber gegen China und Spanien nur eingewechselt wurde, bekam sie gegen Südafrika erstmals die Chance von Beginn an. Und legte direkt gut los. Die Südafrikanerinnen kamen damit gar nicht klar und räumten Magull innerhalb der ersten zwölf Minuten drei Mal ab. Nach der Pause belohnte sich Magull mit ihrem Tor zum 4:0. Die Münchnerin zeigte, dass sie höhere Ansprüche hat als auf der Bank zu sitzen. „Klar will ich spielen. Ich denke, dass man mir vertrauen kann“, hatte Magull vor der WM gesagt - und sie lieferte.

Treffsicher. Sara Däbritz (rechts) schießt das Tor zum 1:0 gegen Spanien.
Treffsicher. Sara Däbritz (rechts) schießt das Tor zum 1:0 gegen Spanien.

© Sebastian Gollnow/dpa

Sara Däbritz

Sie ist bislang eine der Leistungsträgerinnen des deutschen Teams. Zwar hat Däbritz eine sehr starke Technik und eine feine Übersicht, aber vor allem gegen Spanien überzeugte die Mittelfeldspielerin durch Kampfbereitschaft und hohen Einsatz. Sie wechselte zwischen dem Zentrum und dem linken Mittelfeld und grätschte Deutschland zum 1:0-Sieg. Wenn man eine zentrale Figur in Voss-Tecklenburgs flexiblen Systemen ausmachen müsste, so wäre es Däbritz. Zur Belohnung gab es für sie nach den Spielen gegen Spanien und Südafrika die Ehrung als „Player of the Match“. Die kleinen Pokale, die sie dafür bekommen hat, kann Däbritz gleich in Frankreich lassen. Nach der WM wechselt sie von München nach Paris. Und vielleicht kommt ja noch der ein oder andere Pokal dazu.

Immer voll dabei. Alexandra Popp.
Immer voll dabei. Alexandra Popp.

© Imago/PA Images

Alexandra Popp

Popp fiel in den ersten beiden Gruppenspielen vor allem durch starke Zweikämpfe und viel Defensivarbeit auf. Gegen Spanien verteidigte die Kapitänin am Ende auf der Sechs und hielt ihren Kopf in viele gefährliche Flanken. Aber klar, eine Stürmerin will stürmen – und Tore schießen. Weil es damit noch haperte, zeigte ihr die Trainerin vor dem Spiel gegen Südafrika gute Offensivszenen – und plötzlich klappte es mit dem ersten Stürmerinnentor bei dieser WM. Eine Flanke von Giulia Gwinn köpfte sie ein. „Ihr wisst ja, wenn ich köpfe, köpfe ich hart“, hatte Popp nach dem Spiel gegen Spanien zu den Journalisten gesagt. Und jetzt weiß es auch die südafrikanische Torhüterin.  Voss-Tecklenburg weiß: „Wir brauchen diese Qualität im Kopfball. Das ist eine Waffe.“ Sowohl vorne als auch hinten.

Klara Bühl

Sie war selber überrascht, als sie im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien schon nach der Halbzeit eingewechselt wurde. Doch diese Überraschung legte die schnelle und technisch gute Bühl schnell ab. Sie ist erst 18 Jahre alt und spielt mit einer feinen Leichtigkeit, sucht immer den Weg zum Tor und wagt schnell den Abschluss. Gegen Südafrika stand sie sogar in der Startelf und hatte einige schöne Situationen. Es wäre keine Überraschung, wenn die Bundestrainerin auch im Achtelfinale auf die Abiturientin setzt.

Kathrin Hendrich

Hendrich schien für die rechte Defensivseite die sichere Option, weil sie in der Abwehr ihre Stärken hat. Nachdem sie gegen China nicht besonders negativ, aber auch nicht besonders positiv aufgefallen war, durfte sie gegen Spanien erneut beginnen. Dort wirkte sie sehr wacklig, spielte ge fährliche Fehlpässe in der Vorwärtsbewegung und musste zur Halbzeit wieder raus. Gwinn nimmt seitdem den Platz rechts hinten ein und scheint derzeit gesetzt zu sein. 

Lena Oberdorf

Sie stellte schon im ersten Spiel einen Rekord auf. Gegen China wurde sie für die zweite Hälfte eingewechselt – und war mit 17 Jahren, fünf Monaten und 20 Tagen die jüngste deutsche WM-Debütantin. Damit war sie jünger als die bisherige Rekordhalterin Birgit Prinz. "Echt? Das wusste ich noch gar nicht", sagte Oberdorf nach dem Spiel überrascht. Von Nervosität war bei Oberdorf aber nichts zu bemerken. Sie hat eine Ruhe am Ball, mit der sie auch den Eurovision Song Contest kommentieren könnte. Nie wirkt sie hektisch, nie wirkt sie unkontrolliert – das weiß auch Voss-Tecklenburg. Gegen Spanien ließ sie Oberdorf im linken Mittelfeld beginnen. Das funktionierte nicht, doch sobald Oberdorf im Zentrum spielte, wurde das deutsche Team besser. Weil eine Gelbsperre drohte, wurde sie gegen Südafrika geschont. Im Achtelfinale wird Oberdorfs Ruhe aber wieder gebraucht.

Carolin Simon

Simon sorgt für gute Stimmung – das lässt sich bestens in Interviews mit ihr oder auf dem Instagram-Kanal des deutschen Nationalteams verfolgen. Auf dem Platz hätte die Linksverteidigerin von Olympique Lyon im ersten Spiel gegen China fast auch für gute Stimmung gesorgt, aber eine ihrer Flanken landete an der Latte. Dass die Trainerin sie zur Halbzeit ausgewechselt und gegen Spanien ganz draußen ließ, war eine kleine Überraschung. Im dritten Gruppenspiel kam Simon nach der Pause für Schweers ins Spiel – und zeigte wieder einmal mit einer schönen Flanke vor dem 4:0, was sie offensiv für Qualitäten hat. Sie scheint wieder die Nase vorne zu haben im Kampf um den Platz in der Startelf.

Mit der Kraft der Erfahrung. Lena Goeßling.
Mit der Kraft der Erfahrung. Lena Goeßling.

© Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Lena Goeßling

Niemand im Kader ist so erfahren wie Lena Goeßling. Die 33 Jahre alte Wolfsburgerin hat schon 106 Länderspiele bestritten – nur 19 weniger als die Bundestrainerin. Doch Goeßling wird Voss-Tecklenburg wohl kaum noch einholen. Nur einmal wurde sie in der Vorrunde eingesetzt. Gegen Spanien zeigte sie aber direkt eine ordentliche Leistung und leitete das Tor mit einem Traumpass auf Huth ein. Auch neben dem Platz ist Goeßling mit ihrer Erfahrung eine wichtige Spielerin im Team. Dass sie die älteste ist, stört sie nicht. „Das sind coole Mädels. Ich komme mir nicht so alt vor“, sagte sie. „Die haben alles noch vor sich, was ich schon ein bisschen erlebt habe.“ Die Feier einer Weltmeisterschaft hat Goeßling aber noch nicht erlebt – vielleicht ändert sich das im Juli.

Dzsenifer Marozsan

Es sollte ihre WM werden. Die Spielmacherin und Weltklasse-Spielerin läuft für Olympique Lyon auf und wollte in Frankreich, das für sie „ein Stück Heimat“ geworden ist, glänzen. Doch schon nach zwölf Minuten war dieser Traum vorbei – zumindest vorerst. Nach einem Foul einer Chinesin brach einer von Marozsans Zehen, genauer: der mittlere Zeh am linken Fuß. Seitdem wird die Nummer Zehn sehr vermisst. Dass Deutschlands Offensivspiel gegen Spanien lahmte, lag besonders am Fehlen von Marozsan. Doch vielleicht wird Marozsan sich ihren Traum doch noch erfüllen können. Sie trainiert schon wieder leicht und könnte vielleicht in einem Viertelfinale zurückkehren. "Das wird auch ganz viel davon abhängen, wie Dzseni den Schmerz, den sie ertragen wird, wenn sie spielt, kompensieren kann“, sagte Voss-Tecklenburg. Derzeit unterstütze Marozsan die anderen Spielerinnen sehr stark in Einzelgesprächen und bei Analysen, lobte die Trainerin.

Lea Schüller wurde gegen China und Südafrika spät eingewechselt, zeigte gute Ansätze und wird ihre Rolle als Joker in den K.o.-Spielen beibehalten. Linda Dallmann bekam am Ende des Spiels gegen Südafrika ihre ersten WM-Minuten geschenkt. Noch ohne Einsatz sind Merle Frohms und Laura Benkarth, die Vertreterinnen von Almuth Schult im Tor.
Sollte sich Schult nicht noch verletzen, wird sich daran nichts ändern. Innenverteidigerin Johanna Elsig von Turbine Potsdam könnte jedoch gegen körperlich robuste Gegnerinnen auf ihren ersten Einsatz hoffen. Leonie Maier (Abwehr) und Turid Knaak (Sturm) warten ebenso noch auf ihre ersten Spielminuten.

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