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Schweden wäre eine gute Option.

© dpa

Fußball-Weltmeisterschaft: Brauchen Sie ein neues Lieblingsteam?

Deutschland ist raus, doch die Weltmeisterschaft geht weiter. Vor dem ersten Achtelfinale ist die Gelegenheit, sich ein neuen Favoriten zu suchen.

Schade Deutschland, alles ist vorbei. Wirklich alles? Nicht ganz. Die Weltmeisterschaft geht schließlich auch ohne „Die Mannschaft“ weiter, ganze zwei Wochen noch. Und mal ehrlich: Der wirklich spannende Teil, die K.o.-Runde, beginnt ja morgen erst. Aber so eine WM ganz ohne emotionale Verbundenheit zu einem Team ist auch irgendwie nicht das Wahre. Auch wenn der neue persönliche Favorit nur zweite, oder durch das Ausscheiden Islands vielleicht lediglich dritte Wahl ist. Damit die nicht so schwer fällt, gibt es hier den ultimativen „Deutschland ist raus, deshalb halte ich zu“-Guide für die Ausscheidungsspiele.

Schweden

Skandinavier, die oldschooligen Langholz-Fußball spielen, Bärte haben und Namen mit -son am Ende auf dem Trikot tragen: Eigentlich ist Schweden nur das bessere Island. Und die mochten ja merkwürdigerweise auch alle. Allerdings sind die Isländer ohne Sieg geblieben und nun schon wieder zu Hause. Die Schweden nicht, sie kicken weiter mit. Gegen die Schweiz im Achtelfinale ist ein Weiterkommen für „Tre Kronor“ schon mal locker drin. Danach würde es mit Sicherheit schwer werden. Aber wer den Giganten Mexiko 3:0 zerlegt, der fiedelt vielleicht auch noch die Schwergewichte dieses Turniers auseinander.

Und schließlich, würde Schweden entgegen aller Wahrscheinlichkeiten Weltmeister, könnte man sich als Schland-Fan dafür abfeiern, dass der einzige deutsche Sieg im Turnier gegen den späteren Champion kam. Was dann ja wiederum bedeuten würde, dass eigentlich Deutschland Weltmeister wäre. Die Weltmeisterpokal-Sieger-Besieger sozusagen. Dann kann der geneigte Deutsche mit Fug und Recht behaupten, „wir“ seien besser als die Weltbesten, also im Endeffekt selber die Besten der Welt. Und darum geht es ja schließlich bei so einer Weltmeisterschaft. Oder?

Schweiz

Die Schweiz ist immer eine gute Wahl. Traditionell neutral und unparteiisch, können die konfliktscheuen und chronisch unentschlossenen unter den Die-Mannschaft-Fans mit den Eidgenossen nichts falsch machen. Eigentlich. Denn nach dem Doppeladlerjubel von Shaqiri und Xhaka wird das bei dieser WM dann doch etwas schwierig. Aber es gibt ja auch noch Spieler mit Wurzeln in der Elfenbeinküste, Kamerun oder Kap Verde im Kader, die bislang noch keine anderen Nationalgefühle verletzten. Außerdem sind gleich elf Bundesligaspieler vertreten, von Mönchengladbach, Frankfurt, Schalke, Dortmund, Leipzig und Hoffenheim. Jetzt mal ehrlich: Für wen da nichts dabei ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Also: „Hopp Schwiiz!“ schon mal vormerken und die Parität wahren.

Belgien

Der ewige Geheimfavorit kann dieses Jahr vielleicht tatsächlich mal was reißen, den ganz großen Wurf schaffen und das Geheime am Favoriten für die nächsten Turniere endlich in die Mottenkiste der Geschichte verbannen, damit alle selbst- und fremdernannten Experten es sich nicht mehr so einfach machen können, wie bei allen Turnieren seit 2014. Hat sich mit zwei zumindest ergebnistechnisch, und im Fall des 5:2 gegen Tunesien auch spielerisch überzeugenden Siegen bislang schadlos gehalten.

Für Belgien zu sein, bedeutet, mit einem gönnerhaften „Endlich ist ihre Zeit gekommen“ die allgemeine Geheimfavoritenhaftigkeit der Roten Teufel höchstpersönlich ad acta zu legen. Oder im Fall des Titelgewinns auch „Ich hab's schon immer gewusst!“ behaupten zu können. Wer möchte das schließlich nicht. Ach und außerdem: Die Dreierkombi aus Chefstratege Kevin de Bruyne in der Zentrale, Feingeist Eden Hazard so ziemlich überall auf dem Platz und Naturgewalt Romelu Lukaku vorne drin ist die vermutlich am Schönsten anzusehende vertikale Achse dieser Weltmeisterschaft. Mit Abstand

Fans der kroatischen Nationalmannschaft.
Fans der kroatischen Nationalmannschaft.

© AFP

Kroatien

Eins muss man ganz objektiv eingestehen – Kroatien ist bislang die stärkste Mannschaft des Turniers. Kämpferisch, taktisch, spielerisch. Ergebnistechnisch. Drei Siege aus drei Spielen. Davon ganz abgesehen, findet wirklich jeder Luka-Modric-Beatrix-von-Storch-Vergleiche witzig. Auch beim fünftausenddreihundertsiebenundsechzigsten Mal. Hahahahaha. Haha. Ha. Dennoch: Kroatien überzeugte in der Gruppe auf ganzer Linie. Und ist damit die logische Wahl, wenn man dem potentiellen Titelträger zujubeln möchte.

Einziges Problem: ein wahrscheinliches Viertelfinale gegen Spanien oder vielleicht Belgien als Gegner in der Vorschlussrunde. Egal, falls Schluss ist, kann man es ja immer noch mit Humor nehmen und mit einem Augenzwinkern darauf verweisen, Luka Modric sehe aus wie…

England

Vergesst Panama, Island oder Senegal. England ist das großartigste Fußballmärchen des Turniers. Nach Jahren, ach was, Jahrzehnten fußballerischer Trostlosigkeit, teaminterner Streitereien und brutal alltäglicher Mittelmäßigkeit ist das Mutterland dieses großartigen Sports zurück auf der Landkarte der großen Fußballnationen. Dank Harry Kane und Gareth Southgate. Ein Zweiergespann, das so sehr ein Herz und eine Seele ist, dass die beiden auch Gareth Kane und Harry Southgate heißen könnten. Oder Hareth Kate und Garry Southgane, diese Teufelskerle.

England bei dieser WM, das wird groß, ganz groß. God save the Kane. Der Union Jack wird über dem Luschniki geflaggt und die Fans schmettern den Klassiker „Three Lions“ aus voller Kehle und noch vollerem Kopf. Der Fußball, Freunde, er kommt nach Hause. Endlich. Und wer kein Teil dieser großartigen, fußballhistorischen Entwicklung sein will, hat ihn nun wirklich nie geliebt.

Portugal

Zwei Worte – Cristiano Ronaldo. Ist für manche aber wahrscheinlich ein Grund, sich gerade gegen die Portugiesen zu entscheiden. Doch auch für diesen Teil der Republik gibt es eine naheliegende Empfehlung.

Gute Wahl: Messi und Argentinien.
Gute Wahl: Messi und Argentinien.

© Ricardo Mazalan/dpa

Argentinien

Warum? Zwei Worte – Lionel Messi. Allerdings hegen da viele historisch bedingt einige Ressentiments, der Geist von Thorsten Frings hängt bedeutungsschwer über dem schwierigen Verhältnis von Argentinien und Deutschland. Und dann war da ja noch diese Gaucho-Nummer. Es ist kompliziert. Aber zu Ronaldo oder Messi hat ja nun wirklich jeder eine Meinung. Und damit seine neue Lieblingsmannschaft.

Spanien

Heilige Mutter Gottes, Santa Maria, diese Spanier. Was für ein Kader. Hinten wandelt Sergio Ramos chronisch nah am Rande eines Platzverweises, vorne bricht sich Diego Costa wie ein losgelassener Stier in Pamplona durch die gegnerischen Abwehrreihen. Das allein macht schon richtig Lust auf Spanienspiele. Aber dann erst dieses Mittelfeld. Dios mio, dieses Mittelfeld! Iniesta, Silva, Busquets, Isco, Thiago, Koke, Saul, Asensio - man weiß gar nicht, in wen man sich zuerst verlieben soll.

Wer es sich erlaubt, einen Cesc Fabregas nicht zur WM mitzunehmen, hat den Titel eigentlich nicht verdient. Das ist wie mit Sandro Wagner. Andererseits, wer es sich erlauben kann, einen Cesc Fabregas zu Hause zu lassen, muss auf der Liste der Titelfavoriten ganz weit oben, ja über allen anderen stehen. Und ist deshalb die perfekte Wahl für alle Erfolgsfans und jene, die den Fußball wegen seiner Schönheit lieben.

Tobias Finger

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