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Fokussiert. Svenja Huth will bei der Frauen-WM ihrer Führungsrolle gerecht werden.

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Fußball-Nationalspielerin Svenja Huth: "Unser Spielstil soll frech und offensiv sein"

Svenja Huth über ihre Führungsrolle als neue Vize-Kapitänin der Fußball-Nationalmannschaft, die Chancen bei der WM und ihren Wechsel nach Wolfsburg.

Von David Joram

Svenja Huth startet am Samstag mit der Frauenfußball-Nationalmannschaft in die Weltmeisterschaft in Frankreich. Zum Auftakt geht es gegen China, von denen kennt sie keine Spielerin. Über das und vieles mehr haben wir mit der 28-Jährigen gesprochen.

Frau Huth, verraten Sie uns Ihre Lieblingszahl?

Das ist die Neun.

Im Sommer wechseln Sie von Potsdam zum Doublesieger Wolfsburg und bekommen die Trikotnummer zehn. Sind Sie trotzdem zufrieden?

Die Zehn ist meine zweite Lieblingszahl. Sie passt zu meinem Spiel, weil ich – gerade in der Offensive – flexibel einsetzbar bin. Das macht den modernen Frauenfußball aus, dass man nicht mehr so festgefahren ist wie früher, sondern Positionswechsel betreibt. Ich kann über die Außenbahnen meine Schnelligkeit ausspielen, flanken, genauso gut auch die Wege in die Tiefe gehen oder als zentrale Spitze agieren. Insofern passt die Zehn, ich freue mich, diese besondere Nummer tragen zu dürfen.

War es Ihre Bedingung für den Wechsel, dass Sie künftig die im Fußball legendäre Zahl auf dem Rücken tragen dürfen?

Nein, nein, das hat sich einfach so ergeben. Die Zahl war frei, jetzt wurde sie mir vorgeschlagen. Und die Neun war halt schon vergeben.

Ob nun mit der Nummer zehn oder neun, als Stürmerin wollen sie Tore schießen. Ärgert es Sie dann, dass Sie in 21 Bundesligaspielen in dieser Saison aber nur siebenmal getroffen haben – und in bislang 44 Länderspielen ebenfalls erst siebenmal?

Man muss sehen, wie diese Saison verlaufen ist. Ich habe in Potsdam unheimlich viele Tore vorbereitet. Und beim DFB hatte ich gerade am Anfang viele Kurzeinsätze. Dann kommt es auf die Position an, wo man gerade eingesetzt wird. Mich macht es auch glücklich, wenn einer meiner Querpässe zu einem Tor führt. Am Ende zählt der Erfolg des Teams.

Das klingt jetzt ein bisschen aus dem Phrasen-Lehrbuch für Fußballerinnen. Müssten Sie als Stürmerin vielleicht nicht doch einen Tick egoistischer sein?

Kann sein, dass das etwas abgedroschen klingt, aber bei mir ist es wirklich so, dass ich eine Teamplayerin bin. Ich laufe viel und versuche, mit meinem Einsatz meinen Mitspielerinnen Wege zu bereiten. Wenn das gelingt, umso besser.

Deutschlands erfolgreichste Stürmerin Birgit Prinz gehört nun zum Betreuerinnenstab. Wie sehr profitieren Sie von ihrer Erfahrung?

Ich habe mit ihr noch in Frankfurt zusammengespielt und bin froh, dass man sich bei ihr Ratschläge und Tipps abholen kann. Sie ist für unsere Arbeit in der Gruppe ganz wichtig.

Und für Sie als Stürmerin?

Birgit ist als Psychologin mit dabei. Was auf dem Platz passiert, wird mit der Bundestrainerin besprochen und analysiert.

Martina Voss-Tecklenburg, die Bundestrainerin, hat Alexandra Popp zur Kapitänin ernannt und Sie zur Vize-Kapitänin. Das würde funktionieren, weil sie zwei unterschiedliche Charaktere seien, lautete die Begründung. Worin unterscheiden Sie sich?

Vielleicht erst mal zu den Gemeinsamkeiten.

Spielführerrinnen. Alexandra Popp (rechts) und Co-Kapitänin Svenja Huth.
Spielführerrinnen. Alexandra Popp (rechts) und Co-Kapitänin Svenja Huth.

© imago

Gerne.

Ich glaube, dass wir beide auf dem Platz immer alles geben, Kämpfertypen sind, die niemals aufgeben. Poppi und ich gehen voran, wir wollen deshalb auch Ansprechpartnerinnen sein. Hinzu kommt, dass wir uns seit der U15 kennen, das hilft.

Und jetzt bitte die Unterschiede.

Ich bin vielleicht ein bisschen ruhiger als Poppi.

Wolfsburgs Manager Ralf Kellermann sagte, der VfL freue sich nicht nur aus sportlichen Gründen auf Sie, sondern auch, weil Sie in der Persönlichkeitsentwicklung gereift seien. Wie würden Sie diese Entwicklung beschreiben?

Man wird natürlich älter und damit erfahrener. Und dann bin ich nach dem Wechsel aus Frankfurt nach Potsdam 2015 zur Stammspielerin im Verein geworden. Ich habe mich sportlich weiterentwickelt, habe aber auch gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Ich war zum ersten Mal weiter von zuhause weg, musste selbständiger werden. Das hat mir, was Disziplin und Ehrgeiz betrifft, viel gebracht. Ich habe gelernt, voranzugehen.

Sie haben Ihren Wechsel nach Wolfsburg auch damit begründet, dass Sie mal die Champions League gewinnen wollen, Titel feiern. Ist das in Deutschland nur noch mit Wolfsburg und den Bayern möglich?

Ich weiß aus der Frankfurter Zeit, wie schön es ist, Pokale zu gewinnen. Bayern und Wolfsburg sind in Sachen Infrastruktur Vorreiter. Natürlich sind andere Klubs auch gut, ihnen fehlen aber oft die finanziellen Mittel. Das ist sehr schade. Wir hoffen, dass auch andere Männervereine mehr in Frauenteams investieren.

Öffentlich stehen eher Spielerinnen wie Dzsenifer Marozsan, Lena Goeßling oder Popp im Mittelpunkt. Fühlen Sie sich manchmal etwas unterschätzt?

Nein, überhaupt nicht! Seit Olympia 2016 spüre ich ein unglaubliches Vertrauen vonseiten des Trainerteams. Und Spiele wie das 2:0 in der WM-Qualifikation gegen Island, in dem ich zwei Tore geschossen habe, nimmt auch die Öffentlichkeit wahr. Ich glaube, mein Standing hat sich mittlerweile verbessert.

Zusammen mit einem Sponsor hat die Nationalelf einen für deutsche Verhältnisse recht frechen Werbespot gedreht, der viele Frauenfußball-Vorurteile ironisch thematisiert. War das eine reine Marketingaktion oder steckt mehr dahinter?

Diese Frechheit und Forschheit steckt auch im Team drin. Wir können uns mit dem Spot gut identifizieren, wir sind authentisch, humorvoll – und der kleine Seitenhieb auf die Männer war schon okay. Solche Spots tun uns gut, natürlich auch bezogen auf die Aufmerksamkeit. Unser Spielstil soll ebenfalls frech und offensiv sein.

Welche taktischen Optionen ergeben sich da? Eher Ballbesitz- oder Klopp-Fußball?

Wir sind das deutsche Team, wir wollen die Spiele immer dominieren. Das System ist erst mal nicht so wichtig, wir sind taktisch gut ausgebildet und können immer mal etwas verändern. Ob wir nach Balleroberung schnell umschalten oder vielleicht erst mal quer spielen, hängt von der Situation ab. Wir müssen erkennen können, wann eine Verschnaufpause in Ballbesitz nötig ist und wann es schnell gehen muss.

Die Vorrundengegner heißen China, Spanien und Südafrika. Hand aufs Herz: Das sind schon eher leichte Gegner, oder?

Natürlich wollen wir Gruppensieger werden und möglichst weit kommen. Aber in der Vorrunde kommt definitiv keine Laufkundschaft auf uns zu, einen Spaziergang von uns erwarten nur die, die sich nicht so im Frauenfußball auskennen. Außerdem ist eine WM eine besondere Situation, da herrscht ein völlig anderer Druck als sonst. Vor allem die Spanierinnen sind technisch und taktisch sehr weit und haben super Spielerinnen. Das wird unser schwerster Gegner. Die Teams aus Afrika sind physisch sehr stark, gegen China dürfen wir nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen.

Ehrlicherweise kenne ich keine Spielerin der chinesischen Nationalmannschaft. Sie etwa?

Nein. Aber wir wissen, wie wichtig der Auftakt gegen China am Freitag für den weiteren Verlauf des Turniers ist. Es kommt darauf an, dass wir uns auf unsere Leistung konzentrieren und die dann durchbringen. Das Selbstvertrauen dazu haben wir.

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