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Auch mit Timo Werner konnten die Deutschen gegen Spanien nicht gewinnen.

© AFP

Fußball-Nationalmannschaft: Wo steht Deutschland vor der Weltmeisterschaft?

Gegen England, Frankreich und Spanien konnte die Nationalelf nicht gewinnen. Wie stark ist die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw wirklich?

In der historischen Beurteilung von Mats Hummels herrscht in der Wissenschaft weitgehende Einigkeit. Hummels gilt als einer der besten Innenverteidiger der Welt. Es gibt jedoch auch eine kleine Fachrichtung, die diese Mehrheitsmeinung in Zweifel zieht, die bei Hummels gerade in der Kernkompetenz eines Verteidigers, dem Verteidigen, grobe Defizite zu erkennen glaubt. Bei flüchtigem Blick dürften sich seine Kritiker schon in der Anfangsphase des Spiels zwischen Deutschland und Spanien bestätigt gefühlt haben. Nach einem Pass von Andres Iniesta stand Rodrigo in seinem Rücken völlig frei und traf zum 1:0 für die Gäste.

„Es war nicht perfekt verteidigt, weil ich glaube, dass es möglich gewesen wäre, es zu verteidigen“, sagte der Innenverteidiger des FC Bayern. Das ehrte ihn. Wer aber ein bisschen Ahnung vom Fußball hat, weiß, dass der Fehler nicht bei ihm gelegen hatte. Natürlich kann man Iniesta mit seinen feinen Füßen vor dem eigenen Strafraum unbedrängt passen lassen; aber dann kann man den Ball eigentlich auch gleich zum Anstoßkreis tragen. Iniesta spielte genau in dem Moment, in dem Hummels den Schulterblick einsetzte, um zu erkunden, wie sich Rodrigo positionieren würde. „Timing Laufweg, Timing Pass waren fantastisch“, sagte Hummels.

Der Innenverteidiger der deutschen Nationalmannschaft wirkte nicht nur in dieser Situation leicht überfordert; in der Anfangsphase versuchte er sich mit einigen langen Bällen, die verlässlich ins Nichts flogen. Hummels schien sich selbst ein Rätsel, er haderte mich sich und seiner Mannschaft, und niemand hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass er nach dem Spiel sagen würde: „Es macht richtig Spaß auf dem Platz.“ Mitte der ersten Halbzeit wurden die Deutschen stärker, und spätestens in der zweiten Halbzeit war auch Mats Hummels eine verlässliche Größe, an dem die Angriffe der Spanier immer wieder ein vorzeitiges Ende fanden. In gewisser Weise stand er damit sinnbildlich für die Entwicklung seines Teams.

Mitspielen statt vorspielen

Dass das Testspiel in Düsseldorf 1:1 enden würde, schien nach den ersten 15 Minuten nicht besonders wahrscheinlich. „Es war schon beeindruckend, was die Jungs da veranstaltet haben. Das Mittelfeld war sehr genial unterwegs“, sagte Hummels. Er meinte damit nicht das eigene Team. Er meinte die Spanier, die zwischen 2008 und 2012 alle Titel im Weltfußball geholt hatten; dass sie zuletzt leer ausgingen, bei der WM 2014 gar in der Vorrunde scheiterten, hat zu der irrigen Ansicht geführt, dass eine große Ära unwiederbringlich zu Ende sei. „Spanien wird bei der WM auf jeden Fall eine gute Rolle spielen“, sagte Timo Werner, der junge Stürmer der Nationalmannschaft. „Man hat teilweise schon gesehen, dass die mit uns mithalten können, was das Spielerische angeht.“

In Wirklichkeit war es eher so, dass die Deutschen mit den Spaniern mithalten konnten – und das auch erst ab Mitte der ersten Halbzeit, als das Team von seinem ursprünglichen Matchplan abrückte. „Wir wollten energisch draufgehen und voll pressen“, sagte Hummels. Doch die Spanier befreiten sich mit einer Leichtigkeit, wie Hummels sie nie zuvor erlebt hatte. Für den Bundestrainer war das keine Überraschung. „Man weiß, dass sie das von klein auf lernen“, sagte Joachim Löw. Das Risiko ging er trotzdem ein. Im Sinne des Fortschritts.

Die Spanier sind wieder da - oder immer noch

Löw verbindet mit Spanien zwei traumatische Erlebnisse. Bei der EM 2008 und der WM 2010 war seine Mannschaft im direkten Duell eher unbeteiligter Beobachter des spanischen Kombinationsfußballs als echter Gegner. Das hat sich längst geändert. „Man sieht, was wir für eine Entwicklung gemacht haben“, sagte der Bundestrainer nach dem Aufeinandertreffen in Düsseldorf. „Mit unserem Passspiel und unseren Kombinationen sind auch wir in der Lage, die Spanier laufen zu lassen.“

Absolut betrachtet verfügen die Spanier mit ihren kleinen Technikern Iniesta, Isco und David Silva immer noch über eine fußballerische Qualität, die die des Weltmeisters Deutschland übersteigt. Als „wahnsinnig schnell im Passspiel“ lobte Löw den Gegner. Die technische Qualität jedes Einzelnen ist überragend, das Zusammenspiel genauso. „Wir hatten anfangs richtig Probleme, haben uns dann aber gefunden“, sagte Mats Hummels. „Das ist auch eine Qualität.“

Aus einem ungleichen Duell wurde mehr und mehr eine ausgeglichene Angelegenheit – mit am Ende sogar leichten Vorteilen für die Deutschen. „Wir haben guten Fußball mitgespielt“, sagte Hummels. Diese Qualität, mitzuhalten und mitzuspielen, war schon gegen Frankreich, im letzten Länderspiel 2017, zu sehen gewesen. Was das Tempo im Offensivspiel angeht, hatten die Franzosen klare Vorteile, trotzdem endete das Spiel, wie das gegen Spanien, unentschieden. Thomas Müller, der gegen die Spanier mit einem schönen Distanzschuss zum 1:1 getroffen hatte, sagte: „Die Spielfreude kann man den Spaniern niemals nehmen, aber man kann ihnen das Leben schwer machen.“

Nicht nur den Spaniern.

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