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Mehr als ein Fingerzeig. Nachdem Valentino Lazaro schon einige Tore vorbereitet hatte, gelang dem österreichischen Nationalspieler in Leverkusen der erste Bundesliga-Treffer im Hertha-Trikot.

© Patrik Stollarz/AFP

Fußball-Bundesliga: Hertha BSC und die asymmetrische Flügelzange

Salomon Kalou und Valentino Lazaro könnten unterschiedlicher kaum sein. Hertha BSC profitiert von der Erfahrung des einen und der Dynamik des anderen.

Im Moment des bevorstehenden Todes, so heißt es, laufe das eigene Leben noch einmal vor dem inneren Auge ab. Das ist ein vermutlich nicht zu erklärendes Mysterium, wenn man bedenkt, dass die Erlebnisse mehrerer Jahrzehnte in ein paar Sekunden gepackt werden müssten. Es ist noch mehr ein Mysterium, wenn man Valentino Lazaro, den Offensivspieler von Hertha BSC, am späten Samstagnachmittag gehört hat. Er war gefragt worden, ob er sich in der Szene kurz vor der Pause noch ein paar grundsätzliche Gedanken gemacht habe: ob ihm zum Beispiel durch den Kopf gegangen sei, dass er jetzt sein erstes Tor für die Berliner in der Fußball-Bundesliga erzielen könnte. Nein, antwortete Lazaro, „dafür geht es viel zu schnell. Ich bin einfach froh, dass ich da cool geblieben bin“. Bernd Leno, der Torhüter von Bayer Leverkusen, blieb lange stehen, doch Lazaro zirkelte den Ball präzise an ihm vorbei zum 1:0 für Hertha ins Tor.

Nach einer knappen Stunde gab es eine ähnliche Situation. Wieder lief ein Angreifer von Hertha allein auf Leno zu. Der Unterschied war zum einen, dass Salomon Kalou vergleichsweise hart von Leverkusens Innenverteidiger Jonathan Tah bedrängt wurde; und zum anderen, dass er die kurze Zeit nutzte, um sich tatsächlich ein paar grundsätzliche Gedanken zu machen. Weil Kalou seinen Körper zwischen Ball und Tah brachte, wusste er, dass Bayers Innenverteidiger nur auf Kosten eines Elfmeters hätte intervenieren können. Deshalb war er, wie immer eigentlich, die Ruhe in Person. „Ich musste mich nicht beeilen“, erzählte Kalou später über die entscheidenden Momente vor seinem Treffer zum 2:0-Endstand für die Berliner beim vormaligen Tabellenzweiten Bayer Leverkusen. „Ich bin ruhig geblieben und konnte den Ball dahin schießen, wo ich ihn hinschießen wollte.“

Kalou hat schon neun Tore erzielt

So ähnlich wie die beiden Tore Herthas in ihrer Entstehung waren, so unterschiedlich sind die beiden Torschützen. Valentino Lazaro, 21, ist jung und umtriebig, dynamisch und zielstrebig, sein Spiel fast ein bisschen verschwenderisch. Salomon Kalou ist vergleichsweise alt und sein Spiel von einer gewissen Ökonomie gekennzeichnet. Gegen Leverkusen bildeten beide so etwas wie eine asymmetrische Flügelzange. Lazaro begann auf der rechten Seite. Er ist schnell, ihn zieht es an die Grundlinie, um die Abwehr des Gegners aufzureißen und von außen nach innen zu flanken. So wie vor einer Woche beim 1:1 gegen Hoffenheim, als ihm sein fünfter Assist gelang. Kalou bewegt sich mit Vorliebe nach innen, ihn zieht es von der Außenlinie verlässlich in die Mitte, wo das Tor steht. Kalou bestimmt nicht die großen Linien, sein Auftritt hat etwas Kleinteiliges, wenn er ins Dribbling geht und dank seiner Ballfertigkeit nur schwer vom Ball zu trennen ist.

Lazaro fällt auf – mit seinen Tricks, mit seiner Technik, mit seinen Dribblings. Kalou spielt oft, als trüge er eine Tarnkappe. Auch in Leverkusen war er in der ersten Halbzeit nur einmal kurz zu sehen, als er drei Minuten vor der Pause die erste richtige Chance der Berliner vergab. Es war fast typisch, dass der Ivorer in der zweiten Halbzeit das 2:0 erzielen konnte, weil Jonathan Tah ihn nicht auf dem Schirm hatte. Nach einem unkontrollierten Befreiungsschlag von Peter Pekarik wollte Leverkusens Innenverteidiger den Ball locker ablaufen – er ließ ihn passieren und merkte erst dann, dass Kalou unmittelbar hinter ihm stand und nun freie Bahn hatte. Der Ivorer erzielte sein neuntes Saisontor.

Valentino Lazaro traf am Samstag in seinem 21. Pflichtspiel zum ersten Mal für Hertha. „Es war an der Zeit“, sagte der österreichische Nationalspieler, den die Berliner vor der Saison für rund sechs Millionen Euro aus Salzburg geholt haben. Später sprach er von einem perfekten Timing – weil er am Geburtstag seiner Mutter getroffen hatte. Es war, kurz vor der Pause, auch der perfekte Zeitpunkt im Spiel. Ähnlich perfekt wie das Timing beim zweiten Tor. Leverkusens Trainer Heiko Herrlich hatte gerade Leon Bailey eingewechselt, den im Moment vielleicht spektakulärsten Spieler der Bundesliga, dazu von Vierer- auf Dreierkette umgestellt, um den Druck auf Hertha zu erhöhen. Bailey hatte noch kein Mal den Ball berührt, als Kalou Bayers Hoffnungen auf eine Wende mit seinem Treffer die Geschäftsgrundlage entzog.

Lazaro vereint Schnelligkeit und Kreativität

Mit seinen bald 33 Jahren besitzt der Ivorer einfach ein perfektes Gespür für solche Situationen. „Wir spielen einen anderen Fußball, dem muss ich mich anpassen“, sagte er. „Ich bekomme nicht so viele Chancen, aber wenn, dann musst du fokussiert sein.“ Kalou verfügt über diese Fähigkeit wie vielleicht kein Zweiter in Herthas Kader. Deshalb ist er immer noch wichtig für die Berliner – was ihm vor der Saison und noch im Herbst nicht viele zugetraut haben.

Valentino Lazaro wird perspektivisch vermutlich noch wichtiger werden. Seine Verpflichtung könnte sich als eine der besten in der Amtszeit von Manager Michael Preetz erweisen. „Ich bin sehr zufrieden mit seiner Entwicklung“, sagte Trainer Pal Dardai. Lazaro bringt Schnelligkeit und Kreativität mit; dank dieser Kombination besitzt er in Herthas Kader schon deshalb ein Alleinstellungsmerkmal, weil eine solche Kombination in der Anschaffung in der Regel extrem teuer ist. Es ist also nicht wirklich überraschend, wenn Pal Dardai sagt: „Ich bin froh, dass ich ihn habe.“

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