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Laut einer Studie der Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit an der Universität Freiburg lässt sich Anabolika-Doping „in systematischer Weise“ anhand neuer Aktenbestände „erstmals auch für den Profifußball in Deutschland sicher beweisen".

© dpa

Update

Fußball-Bundesliga: Doping-System beim VfB Stuttgart und dem SC Freiburg?

Nach Ansicht der Freiburger Untersuchungskommission fand in den 1970er und frühen 1980er Jahren beim VfB Stuttgart und dem SC Freiburg Anabolika-Doping in unterschiedlichem Umfang statt.

Im deutschen Profifußball gibt es offenbar erstmals Beweise für systematisches Anabolika-Doping. Der VfB Stuttgart und der SC Freiburg sehen sich mit schweren Vorwürfen der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin konfrontiert. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren habe beim Bundesligisten VfB „in größerem Umfang“ sowie in kleinerem Umfang beim damaligen Zweitliga-Club aus Freiburg Doping eine Rolle gespielt.

Doping-Einzelfälle hatte es in der Geschichte des deutschen Fußballs bereits mehrfach gegeben. Über flächendeckende Vergehen gab es bislang nur Spekulationen aufgrund von Verdachtsmomenten, die aber von den Beteiligten stets bestritten wurden. Nun will die Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit an der Universität Freiburg jedoch Belege in der Hand haben. Demnach lasse sich Anabolika-Doping „in systematischer Weise“ anhand neuer Aktenbestände „erstmals auch für den Profifußball in Deutschland sicher beweisen“. Das schreibt Kommissionsmitglied Andreas Singler in einer offenbar nicht mit dem Gremium abgestimmten Mitteilung vom Montag. Die Vorsitzende der Kommission, Letizia Paoli, bestätigte in einer eigenen Mitteilung aber die inhaltliche Korrektheit der Doping-Vorwürfe, die sich sowohl gegen den Fußball als auch den Radsport richten. Singler habe von sich aus mit der Zustellung der Mitteilung seinen Rücktritt aus der Kommission angeboten, teilte Paoli weiter mit. Die Kommission werde dazu beraten.

Doping-Experte Sörgel: Vorwürfe "relevant", von Zeitpunkt der Veröffentlichung "entsetzt"

Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel bewertet die Dopingvorwürfe als „in dieser Form relevant“. Der Nürnberger zeigte sich am Montag jedoch „entsetzt“ über den Zeitpunkt der Veröffentlichung durch Andreas Singler. Sörgel ist erst seit einer Woche Mitglied dieser Evaluierungskommission, um die es seit Monaten viele Streitigkeiten gibt. Er habe keine Originalunterlagen gesehen, die auf Doping im Fußball schließen lasen, aber er kenne den Zwischenbericht, darauf basiert seine Einschätzung. Die Vorsitzendes des Gremiums, Letizia Paoli, habe erst an diesem Montagvormittag alle Mitglieder ganz explizit darauf hingewiesen, dass alle Erkenntnisse erst mit dem Abschlussbericht veröffentlicht werden sollen. Paoli sei „sprachlos“ nach dem Vorpreschen Singlers am Montag gewesen. „Wie will man in so einer Kommission noch vernünftig arbeiten“, sagte Sörgel der Deutschen Presse-Agentur. Die Fußballvereine werden jetzt ihre beste Anwälte auffahren“, prophezeite er.

Der VfB Stuttgart äußerte sich zurückhaltend. Da dem Verein „das angesprochene Gutachten der Evaluierungskommission“ nicht vorliege, könne die Grundlage der Vorwürfe auch nicht nachvollzogen werden. Zudem liegen die angeblichen Vorfälle Jahrzehnte zurück. Daher seien „damalige Abläufe“ schwierig zu rekonstruieren. Der VfB betonte, dass Klümper „zu keinem Zeitpunkt Vereinsarzt“ des Vereins war. „Der VfB Stuttgart ist im Sinne eines sauberen Sports an der lückenlosen Aufklärung des Sachverhaltes interessiert.“ Auch der SC Freiburg kündigte eine Stellungnahme an. Bei den Breisgauern sei „eine Anabolika enthaltende Medikamentenlieferung auf Veranlassung“ des früheren Freiburger Sportmediziners Armin Klümper überliefert, hieß es in der Mitteilung der Kommission.

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Die Auswertung von Ende 2014 dem Staatsarchiv Freiburg übergebenen Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen Klümper lasse zudem den Schluss zu, „nicht nur großflächige, wenn nicht flächendeckende Dopingaktivitäten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) zu beweisen“, heißt es in Singlers Mitteilung. Demnach fand Doping vor allem „mit anabolen Steroiden“ im BDR zwischen 1975 und etwa 1980 nicht nur in fast flächendeckender Manier auf Veranlassung von Klümper statt. „Dieses Doping wurde, wie hier erstmals bewiesen werden kann, auch vom BDR aus einem eigenen 'Ärzteplan' finanziert.“ Klümper lebt mittlerweile zurückgezogen in Südafrika und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die neuen Erkenntnisse zum Doping wurden in einem rund 60-seitigen Sondergutachten zusammengefasst, wie Singler in seiner Mitteilung weiter schrieb. Die Kommission werde demnach in den nächsten Wochen darüber beraten, ob sie diesen Text als Zwischenbericht vielleicht noch vor Abschluss sämtlicher Arbeiten veröffentlichen wolle. Zuletzt hatte im Sommer 2013 eine Doping-Debatte die Bundesliga zum Beginn ihrer 51. Spielzeit beschäftigt. Aufgerüttelt durch eine Doping-Studie der Humboldt Universität und der Universität Münster, die den deutschen Fußball und speziell das WM-Team von 1966 unter Verdacht stellt, wurde das lange tabuisierte Thema intensiv diskutiert. Der Deutsche Fußball-Bund hatte Doping beim damaligen Vize-Weltmeister bestritten. (dpa)

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