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Real Madrids Mannschaft nach dem Gewinn der Champions League im Mai 2016.

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Fußball als verbindendes Element: Zur Champions League kommt Europa zusammen

Die jährliche Suche nach Europas bester Vereins-Fußballmannschaft ist die vielleicht reinste Form des europäischen Gedankens – und seine kommerziell erfolgreichste. Ein Lob der Champions League.

Ein milder Frühlingsabend in Valencia. Langsam füllen sich die Restaurants. Plätze vor und in den Bars zu ergattern wird gegen viertel neun immer schwieriger, unmöglich gar, je weiter der Uhrzeiger gen 20.45 Uhr voranschreitet. Gedränge allerorten, dabei ist es noch deutlich zu früh zum Abendessen in Spanien. Menschen in Fußballtrikots versammeln sich vor den Fernsehgeräten an der Plaza de Reina, einem Touristentreffpunkt. Stimmen flirren durch die Luft, Sprachen kreisen, begegnen, verhaken sich, lassen einander wieder los, tanzen in den Ohren ihrer Zuhörer. Spanier, Briten, Franzosen, Italiener, Deutsche – alle mit wachen Augen und diesem unruhigen Blick, der sie als Suchende verrät – schauen verzweifelt nach letzten Plätzen, wollen dazugehören bei diesem bunten Treiben, diesem Ereignis, das sich von September bis Mai beinahe alle drei Wochen wiederholt und doch jedes Mal aufs Neue einzigartig ist.

An diesem Abend spielt Real Madrid gegen Manchester City in der Champions League, und ganz Europa schaut zu. Nicht nur in Valencia. Bars und Restaurants in Berlin, Paris, Mailand, London, Athen oder Zagreb haben während der Spiele mit den gleichen Platzproblemen zu kämpfen. Fußball ist in beinahe jedem Land auf dem Kontinent die beliebteste Sportart und das Thema, bei dem so gut wie jeder mitreden kann. Ein verbindendes Element zwischen Völkern, Kulturen und ja, auch Religionen.

Die Champions League ist das Sportevent, bei dem Europa regelmäßig vor dem Fernseher zusammenkommt. Ganz bei sich ist, streitet, diskutiert, feiert, jubelt, Beifall klatscht. Ein geeintes Europa, verbunden durch die gemeinsame Leidenschaft für ein Spiel, welches die Gemüter von Moskau bis Reykjavik, von Bergen bis Malaga, gleichermaßen berührt. Frei von Politik und Populismus. Beliebt auch in Ländern, deren Mannschaften keine Chance auf Erfolg haben, weil in Zeiten der Globalisierung beinahe jede Nationalität in einem der großen Klubs aus Manchester, London, Paris, Madrid, Barcelona oder München vertreten ist. Waliser drücken Real Madrid die Daumen, weil dort Gareth Bale zu den entscheidenden Spielern zählt. Viele Türken halten es wegen Arda Turan eher mit dem FC Barcelona, Polen freuen sich dank Robert Lewandowski mit dem FC Bayern, und in Serbien ist Manchester City wegen Aleksandar Kolarov besonders populär.

Ein Stück Kontinuität in Zeiten dauerhafter Umbrüche

Hinzu kommt, dass der Wettbewerb bis zu einem gewissen Punkt relativ offen ist. Von den 55 Mitgliedsverbänden des europäischen Fußball-Verbandes Uefa konnten bisher 39 Teilnehmer an der Champions League stellen. Nicht von ungefähr hat die Uefa ihr Turnier der Nationalmannschaften, die Europameisterschaft, vergrößert und für mehr Mannschaften zugänglich gemacht. EM ist aber nur alle vier Jahre, Champions League ist fast jede Woche.

Die jährliche Suche nach Europas bester Vereins-Fußballmannschaft ist die vielleicht reinste Form des europäischen Gedankens und seine kommerziell erfolgreichste. Eine verbindende Sportveranstaltung für Europa war aber nicht der Grundgedanke, als der Wettbewerb zur Saison 1992/93 gestartet wurde. Die Initiatoren wollten Geld verdienen, und das gelingt ihnen bis heute mit unvergleichlichem Erfolg. Sie verpassten dem in die Jahre gekommenen Europapokal der Landesmeister eine Generalüberholung und kamen damit Gedankenspielen der Großklubs zuvor, die eine eigene Superliga gründen wollten.

Nicht nur der Modus änderte sich, auch das äußere Erscheinungsbild. So wurde eine Hymne geschaffen, die in allen Stadien vor dem Anpfiff ertönt. Begonnen wird europaweit (abgesehen wegen der Zeitverschiebung vom russischen Raum) zur selben Zeit, stets um 20.45 Uhr. Der Modus ist seit vielen Jahren derselbe, 32 Teilnehmer, acht Vierergruppen, die jeweils ersten Zwei jeder Gruppe kommen ins Achtelfinale. Ein Stück Kontinuität in Zeiten dauerhafter Umbrüche.

Vermeintliche Kleinigkeiten haben der Champions League einen hohen Wiedererkennungswert verschafft und sie zur Marke werden lassen, deren kommerzieller Gewinn sie von allen anderen europäischen Sportveranstaltungen abhebt. Allein in der laufenden Saison werden mehr als 1,3 Milliarden Euro unter den 32 Teilnehmern verteilt. Viel Geld, das Schuld daran trägt, dass einzelne Mannschaften ihren nationalen Ligen kräftemäßig entwachsen. So wie in Deutschland. In den 24 Jahren seit Bestehen der Champions League wurde der FC Bayern München 14 Mal Deutscher Meister. Die immensen Summen setzen sich unter anderem aus Werbeeinnahmen, Fernsehgeld, Vermarktungsgebühren und Zuschauereinnahmen zusammen. Global Player geben sich gern als Sponsoren her, ein Who-is-who der Branchenriesen flimmert über die Werbeanzeigen der Stadien.

Die Champions League hat als sportliche Klammer Europas geschafft, woran andere Veranstalter und Sportarten scheiterten oder gerade dabei sind, zu scheitern. Im Handball, europaweit wohl die Nummer zwei unter den Sportarten, gibt es auch eine Champions League, jedoch mit weit weniger Strahlkraft als bei den Fußballern. Beim Eishockey müht man sich um Akzeptanz. Auch die ersten Europaspiele 2015 in Baku blieben in vielerlei Hinsicht erfolglos. Sie wirkten wie der verkrampfte Versuch des Europäischen Olympischen Komitees, eine Miniolympiade für Europäer ins Leben zu rufen. Anders als die Asienspiele oder Panamerikanischen Spiele fanden sie bei den Zuschauern kaum Anklang. Daran wird sich auch bei der kommenden Veranstaltung 2019 in Minsk vermutlich nichts ändern.

Wo die Champions League im gleichen Jahr ihr Finale austrägt, steht noch nicht fest. Sicher ist nur, dass es wieder vor einer gigantischen Kulisse sein wird. Endspiele, das hat die Uefa vor einigen Jahren beschlossen, werden nur noch in Stadien ausgetragen, die mindestens 70 000 Zuschauern Platz bieten.

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