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Auf sich allein gestellt: Ünsal Arik fühlt sich im Stich gelassen von der deutschen Justiz.

© Madlen Krippendorf/TSP

Für Ünsal Arik ist Boxen nur noch Mittel zum Zweck: „Erdogan ist das Einzige, was mich motiviert“

Der Profiboxer Ünsal Arik übt regelmäßig Kritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan und vermisst dabei die Rückendeckung der deutschen Justiz.

Das Antwortschreiben des Staatsanwaltes sei der Gipfel der Enttäuschungen für Ünsal Arik gewesen, die er in den letzten Jahren seitens der deutschen Justiz habe ertragen müssen. Es ist nichts Neues, dass der deutsch-türkische Profiboxer regelmäßig Beleidigungen beim Einkaufen oder in den sozialen Medien aufgrund seiner Kritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan bekommt. Dass er bedroht und sogar körperlich angegriffen wird. Trotzdem habe die Polizei ihm noch nie wirklich helfen können sagt Arik.

Auf Instagram war er Anfang des Jahres mal wieder aufs Übelste beleidigt und bedroht worden, woraufhin der 41-Jährige Anzeige wegen Beleidigung erstattete. Im Februar erhielt er dann einen Brief des zuständigen Staatsanwaltes, der ihn darüber benachrichtige, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Begründung: Er sei gemäß des Paragraphen 188 des Strafgesetzbuches als Profiboxer zwar eine öffentliche Person, jedoch keine, die im politischen Leben steht und erfülle somit nicht den notwendigen Tatbestand.

Dass der Erdogan-Kritiker sich seit Jahren politisch engagiert, reiche demnach nicht aus, für Arik eine unglaubliche Tatsache. Er habe nach eigener Aussage insgesamt schon 20 Mal Anzeige erstattet hat, sei es wegen Beleidigungen, Bedrohungen oder sogar körperlichen Angriffen wie einer auf ihn verübten Messerattacke im August letzten Jahres oder dem Vorfall, als ein bewaffneter Mann vor seiner Haustür stand, doch nie sei eine Anzeige durchgegangen.

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Selbst wenn der Täter bekannt war, habe die Polizei, außer zwischenzeitlichem Polizeischutz, nichts für ihn tun können, da die Person nicht in Deutschland gemeldet sei. „Mich hat es psychisch damals echt fertig gemacht. Anscheinend muss man mich erst umbringen, dass sie es kapieren,“ so der Boxer.

„Zur Wahl werde ich nur mit Polizeischutz gehen“

Arik zeigt sich generell sehr enttäuscht von Deutschland: „Wir ruhen uns eh immer auf der Sache aus, dass wir als Türken benachteiligt werden, aber solche Sache bestätigen es leider immer wieder. Ich setze mich seit Jahren für dieses Land ein, ich bin geboren in Bayern, ich liebe Deutschland. Aber wenn sie dann sogar einen wie mich benachteiligen, brauchen sie sich nicht wundern, wenn ich morgen sage, ich unterstütze jetzt auch Erdogan.“

Grundsätzlich habe es der Boxer aufgrund seiner offenen Kritik an dem türkischen Staatspräsidenten nicht einfach gehabt seit seinem Umzug nach Berlin: „Ich erhalte Beleidigungen beim Einkaufen, manche gucken dumm, manche rempeln mich an. Es gibt Bezirke, die betrete ich natürlich nicht.“

Der Deutsch-Türke erwartet daher angesichts der Wahl in der Türkei im nächsten Jahr eine immer ernster werdende Situation für sich, seine Familie und Freunde. Arik möchte auf jeden Fall wählen, auch wenn in der Türkei immer noch Haftbefehle gegen ihn vorliegen: „Zur Wahl werde ich nur mit Polizeischutz gehen, ich glaube, dass ich sonst angegriffen werde.“

Nächstes Jahr soll seine Biografie erscheinen, in der der Profisportler auf sein Leben in Deutschland als Sohn türkischer Einwanderer näher eingehen möchte und ebenfalls deutliche Kritik an der deutschen Politik üben wird, auch hinsichtlich ihres Umgangs mit Erdogan. „Ich habe es geschafft, aus meiner eigenen Glaswelt rauszugucken, aber wir wurden rassistisch behandelt, wir hatten Nachteile. Ich habe gelernt das Verhalten einzelner Personen nicht auf ganz Deutschland zu beziehen, aber irgendwo verstehe ich langsam die Erdogan-Fans und warum sie ihn wählen.“

Arik möchte sich seinen Traum erfüllen

Zunächst steht am 23. April für den Internationalen Deutschen Meister (laut BDB) und WBC-Asia-Champion im Superweltergewicht aber der nächste Kampf an, der als Vorbereitung auf seinen nächsten Titelkampf, der spätestens im Juli stattfinden wird, dienen soll. Seit Kurzem ist Arik beim Weltverband IBO und außerdem unter den Top 100 der besten Boxer gelistet.

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Mit dem nächsten Gürtel möchte er um die Top 30 kämpfen, um sich endlich den Traum von einer Weltmeisterschaft mit einem großen Weltverband zu erfüllen. Das soll dann auch der letzte Wettkampf seiner Karriere sein. „Ich hoffe, dass Erdogan nächstes Jahr weg ist und dann möchte ich mit dem Boxen aufhören, er ist eigentlich der einzige Grund, warum ich weitermache. Als Sportler bin ich für die Medien einfach interessanter.“

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