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Stefan Kretzschmar ist insgesamt zufrieden mit der wechselhaften Saison der Füchse.

© IMAGO / wolf-sportfoto

Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar im Interview: „Wir greifen wieder an!“

Stefan Kretzschmar von den Füchsen Berlin spricht über eine sportlich wie wirtschaftlich komplizierte Handball-Spielzeit und richtet den Blick nach vorne.

Herr Kretzschmar, die Saison ist vorbei, der THW Kiel hat sich im Endspurt um die Meisterschaft gegen die SG Flensburg-Handewitt durchgesetzt. Hatten Sie schon Kontakt zu den Trainern Filip Jicha oder Maik Machulla?

Nein. Ich habe erst mal nur mit meiner eigenen Mannschaft zusammengesessen. Die verabschieden sich jetzt in alle Himmelsrichtungen, da wollten wir wenigstens noch einmal kurz zusammensitzen. Ich weiß nicht, ob ich Maik noch einmal schreibe. Da entscheidet ein Wurf in der letzten Sekunde, sodass Mannheim nur Unentschieden gegen Kiel spielt, die dadurch die Meisterschaft gewinnen und Flensburg ist Zweiter. Das war schon ein hartes Finish nach 38. Bundesliga-Spieltagen.

Mit dem Sieg gegen die SG vor zwei Wochen machten die Berliner den Titel für Kiel möglich. Hatten Sie das erwartet?

Es war für uns wichtig, einen der Großen zu schlagen. Flensburg in Flensburg zu schlagen war unser ’Meisterstück’ dieses Jahr. Das hat uns die Bestätigung gegeben, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Spielzeit war sehr durchwachsen. Wie fällt das Resümee am letzten Spieltag aus?

Es sah eine kurze, aber intensive Zeit nicht gut aus. Da haben wir uns mehr verspielt. Allerdings könnte man die These aufstellen, dass wir ohne diese Krise am Ende nicht so aufgespielt hätten, wie wir es getan haben. Was uns natürlich nachhängt, ist das verlorene European-League-Finale. Wenn wir da gewonnen hätten, sähe die Bilanz anders aus. Die Zielsetzung am Anfang jeder Saison ist ja, einen Titel zu holen. Trotzdem überwiegt nach zehn Siegen in Folge jetzt das positive Gefühl.

Am Ende reichte es für Platz vier, aber es mussten ungewöhnlich viele Punkte abgegeben werden. Ist es trotzdem gelungen, die Vorgabe zu Erfüllen und den Abstand zur Spitze zu verringern?

Ich finde schon, dass wir eine gute Rolle unter den Top-Teams einnehmen. Kiel und Flensburg haben allerdings eine überragende Saison abgeliefert. Es ist teilweise unerklärlich, wie es Flensburg mit den vielen Ausfällen geschafft hat, so konstant gut aufzuspielen, während die anderen Spitzenmannschaften gegen vermeintlich Kleinere die Punkte von Zeit zu Zeit liegen gelassen haben. Das hat viel mit einer DNA zu tun, damit, wie ein Klub wächst und wie lange sie schon zusammenspielen. Das fehlt uns noch und da müssen wir Geduld haben und mit der Zeit unsere eigene Füchse-DNA entwickeln beziehungsweise weiterentwickeln.

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Was diese Mannschaften ausmacht, ist ebenso ein erfahrener Führungsspieler, der in schwierigen Situationen nicht die Nerven verliert und voran geht.

Den haben die Löwen auch und trotzdem hat es nicht gereicht. Als wir acht Spiele in Serie verloren haben, kam die Frage natürlich auf. Da ist keiner vorangegangen. Ich finde aber, dass sich Paul Drux extrem stark entwickelt hat und seine Kapitänsrolle immer besser ausfüllt. Außerdem bin ich mit Jacob Holm voll und ganz zufrieden und erwarte mir da in den nächsten Jahren auch mehr von Marian Michalczik. Wenn sich bei Marian das Selbstvertrauen steigert und er den Unterschied zwischen Minden und Berlin versteht, er mit dem Druck besser klarkommt, dann ist das ein Spieler, der sehr viel Talent hat und für mich einer der strategisch besten Mittelmänner in Deutschland ist. Da spielt allerdings der Kopf eine ganz große Rolle und das ist bei uns im Sport genauso wichtig wie die Athletik. Er hat so viele Komponenten, warum ich ihn haben wollte. Jetzt muss er einfach den Respekt ablegen.

Michalczik ist einer von fünf Spielertransfers in diesem Jahr. Wie zufrieden sind Sie mit den anderen?

Ich freue mich über die Schritte, die Fredrik Genz am Ende der Saison im Tor gemacht hat. Über Milos Vujovic müssen wir nicht reden, da hoffe ich nach seinem Unfall, Corona und seiner Verletzung einfach, dass die nächste Saison besser wird. Für Lasse Andersson und Valter Chrintz ist es auf der anderen Seite das erste Jahr in der Bundesliga und da ist es normal, dass ihre Leistungen schwanken. Da braucht es noch das Bewusstsein, dass es keine vermeintlichen einfachen Gegner gibt und dass man immer alles geben muss. Doch da bin ich zuversichtlich.

Einen Bruch gab es ebenso auf der Trainerposition. Wie zufrieden sind Sie mit Jaron Siewert?

Mit Jaron haben wir einen Trainer, der zwar noch sehr jung ist, aber eine Vision hat. Er ist für mich ein Phänomen in Sachen Ruhe und Ausgeglichenheit. Diese Dinge machen Erfolg wahrscheinlicher als ambitionierter Aktionismus. Er hat – wie wir alle – dazu gelernt. Für mich war es genauso eines der lehrreichsten Jahre meiner Karriere. Und die Mannschaft ist diesen Weg mit uns mitgegangen. Jeder hatte ein Auf und Ab, aber für alle gilt: Wenn sie erkennen, wie gut sie sein können, können wir um die Titel mitspielen.

Die Füchse mussten mit Simon Ernst und Jakov Gojun zwei Spieler gehen lassen, die den Verein geprägt haben. Wie sehr schmerzen diese Abgänge?

Abgänge sind immer hart. Dass uns Simon besonders menschlich fehlen wird, steht außer Frage. Rein aus sportlicher Sicht haben wir auf der Position allerdings ein Überangebot. Mit Jakov auf der anderen Seite bricht uns ein wichtiger Mann weg, der unser Abwehrzentrum sechs Jahre lang geprägt hat. Als er von uns im Dezember eine Entscheidung brauchte, um für seine Familie planen zu können, waren wir nicht in der Lage ihm eine seriöse Zusage zu geben. Da war es wirtschaftlich noch nicht absehbar, wie wir die Situation überstehen werden. Mit dem Wissen von heute, wäre das vielleicht anders verlaufen. Mit Max Darj konnten wir ab 2022 allerdings einen absoluten Arbeiter verpflichten, der immer voran geht und mit seiner Mentalität der Teamchemie gut tun wird.

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Das heißt, der Verein ist finanziell gut durch die Krise gekommen?

Ja. Alle Spieler haben in der Rückrunde ihr Gehalt bekommen. Bob Hanning hat das überragend gemacht. Es wird in der kommenden Saison ähnlich aussehen wie vor Corona. Das, was wir dieses Jahr verloren haben, können wir nächstes Jahr durchaus egalisieren. Die Partner sind alle mit dabeigeblieben und ich glaube, dass wir in diesem Sommer noch ein paar verheißungsvolle Sponsorengespräche haben. Dann können wir vielleicht auch wieder Geld ausgeben.

Aber momentan steht der 17er-Kader für die nächste Saison. Die Mannschaft erwartet zudem, dass wir seriös wirtschaften und könnte es schwer verstehen, dass sie auf 25 Prozent ihres Gehalts verzichtet hat, wenn wir gleichzeitig jemand neues verpflichten. Trotzdem werde ich mich in einer Woche noch einmal mit dem Trainer und Geschäftsführer Bob Hanning zusammensetzen und die Situation besprechen.

Es ist ohnehin erstaunlich, dass kein Verein der Liga Insolvenz anmelden musste. Ist das ein gutes Zeichen für den Handball?

Das ist super. Die Fördergelder von der Regierung waren enorm wichtig. Das hat allen Klubs geholfen. Es war jedoch überraschend, dass alle Klubs durch die Krise gekommen sind und offensichtlich gut gewirtschaftet haben.

Der Kader steht, der Etat ist gesichert – bleiben auch die Ansprüche die gleichen?

Es wäre schlimm, wenn wir nicht an unseren Champions- League-Ambitionen festhalten würden. Ich bin überzeugt von der Mannschaft. Wir greifen wieder an!

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