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Das ganze Feld im Blick. Das einstige Nachwuchstalent Fabian Wiede schaffte in Berlin den Sprung ins Nationalteam.

© dpa

Füchse Berlin vor dem Spitzenspiel gegen Kiel: Fabian Wiede: Mitte mit links

Fabian Wiede brilliert bei den Füchsen auf ungewohnter Postion – auch am Donnerstag gegen Kiel kommt es auf ihn an.

Die Trikots waren noch lila-gelb, die Frisur ganz kurz gehalten, das Gesicht jungenhaft – und der Bart, nun ja. Sofern man ihn überhaupt als solchen bezeichnen konnte, fiel er zweifelsfrei in die Kategorie: Eisenbahnerbart. An jeder Station ein H(aar). Im Mai 2012, die Füchse Berlin hatten sich bei ihrer Champions-League-Premiere direkt für das Finalturnier qualifiziert, durfte Fabian Wiede zum ersten Mal bei den Großen mitmischen. Der Perspektivspieler, damals zarte 18 Jahre jung, stieg zum festen Mitglied im Profi-Kader des Handball-Bundesligisten auf. Schnupperkurs im Europapokal-Halbfinale sozusagen. „In meinem Bewusstsein sind die Erinnerungen daran nicht mehr sehr präsent“, sagt Wiede heute, „höchstens, wenn ich mal darauf angesprochen werde.“ Alte Bilder sind nunmal in den wenigsten Fällen schmeichelhaft.

Im Moment passiert es allerdings häufiger, dass der 24-Jährige über seine sportlichen Wurzeln reden soll, über seine ersten Schritte im Männerbereich. Gerade in den letzten Wochen hat der ohnehin hochtalentierte Nationalspieler im Verein eine erstaunliche Transformation hingelegt. Aus dem A-Jugendlichen von einst ist der Spielmacher des Profi-Teams geworden, der Denker und Lenker, der verlängerte Arm des Trainers. Dass die ganze Sache im Grunde aus der Not geboren ist, weil Petar Nenadic den Verein verlassen hat und Paul Drux verletzt ausfällt – geschenkt, wenn Wiede so auftrumpft wie zuletzt. „Fabi war überragend, gegen Göppingen hat er eine Halbzeit ohne jeden Fehler gespielt – und in der zweiten Halbzeit war es, glaube ich, auch nur einer“, sagt Füchse-Coach und Statistik-Liebhaber Velimir Petkovic.

Jeder Pass, jeder Wurf, jede kleine Zauberei klappte

Auf Wiede wird es auch am Donnerstagabend ankommen, wenn die Füchse Berlin zum Bundesliga-Spitzenspiel beim THW Kiel antreten (19 Uhr, live bei Sky). Dann werden zumindest in der Offensive wieder alle Fäden bei ihm zusammenlaufen. „Ich mag das neue System und die Verantwortung, ich muss jetzt immer das ganze Spielfeld im Blick haben und nicht nur meine Nebenleute“, sagt Wiede, der eigentlich im rechten Rückraum zu Hause ist und die zentrale Position nie wirklich gelernt hat, abgesehen von einer kurzen Testphase unter Ex-Trainer Dagur Sigurdsson. Das hat vor allem taktisch-anatomische Gründe: Linkshänder, zumal solch starke wie Wiede, sind schwer zu finden im Welthandball. Normalerweise würde kein Trainer ein solches Talent auf der Rückraum-Mitte vergeuden, die jeder x-beliebige Rechtshänder bekleiden kann. Aber Petkovic hatte eben keine andere Wahl.

Andererseits sind die Füchse dadurch schwerer auszurechnen für ihre Gegner. Auch Göppingens Coach Rolf Brack, ein erstklassiger Taktiker, fiel kein Mittel gegen die ungewohnte Variante ein. Wiede spielte, als hätte er nie etwas anderes getan. Jeder Pass, jeder Wurf, jede kleine Zauberei klappte. Einmal wurde er von seinem Gegenspieler für einen Augenblick in die Luft gehoben, es war keine sehr faire Aktion, aber Wiede löste sie auf seine Art: mit einem sensationellen Pass auf Kreisläufer Erik Schmidt, der ins Tor traf. Die Szene verdeutlichte Wiedes spielerische Klasse. „Mein Vorteil ist, dass ich nie ein reiner Shooter war, der nur von seinem Wurf lebt“, sagt Wiede, „das macht es mir leichter, auf der Mitte zu spielen.“

Bislang galt Paul Drux stets als der Vorzeigesportler, den die Füchse aus ihrer Nachwuchsakademie hervorgebracht haben, dicht gefolgt von eben Wiede. Mit 18 im Profi-Team, wenig später schon in der Nationalmannschaft – die Karrieren der beiden Ausnahmetalente verliefen ähnlich. Allerdings ist Drux in seiner noch jungen Laufbahn schon von so vielen Verletzungen und Zwangspausen heimgesucht worden, dass ihm Wiede mittlerweile den Rang abgelaufen hat. Eine Erkenntnis, die so nicht unbedingt zu erwarten war. „Ich hoffe, dass Paul bald wieder fit ist“, sagt Wiede. Dann kann der Linkshänder zwar nicht mehr auf der Mitte spielen, aber auf seiner angestammten Position ist er garantiert auch gut aufgehoben.

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