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Sein Tor, sein Tag. Lajos Détári (rechts) mit Karl-Heinz Körbel nach dem Triumph mit Eintracht Frankfurt. Détári hatte im Finale 1988 das entscheidende 1:0 gegen den VfL Bochum erzielt.

© imago images/Kicker/Liedel

Früherer Bundesliga-Profi Lajos Détári: „Ungarn spielt italienisch diszipliniert“

Lajos Détári ist in seinem Heimatland Ungarn eine Legende. Im Interview schätzt er den nächsten Gegner der deutschen Nationalmannschaft ein.

In den Achtzigern war Lajos Détári einer der besten Zehner Europas. Er schoss Frankfurt zum Pokalsieg und seine Nationalelf zur WM nach Mexiko. Ein Gespräch über die Chancen Ungarns bei der EM, Freiburgs Roland Sallai und den perfekten Freistoß.

Lajos Détári, Ungarn war vor der EM in elf Länderspielen ungeschlagen. Ist die Mannschaft ein heimlicher EM-Favorit?
Natürlich nicht. Favoriten sind zum Beispiel Deutschland und Frankreich und eine Handvoll anderer großer Mannschaften. Nicht zu vergessen Italien, die ungefähr seit der WM in Russland ungeschlagen sind. Ich glaube, die hatten die letzten zehn Spiele vor der EM alle gewonnen.

Die letzten acht Spiele.
Ja, gut. Aber schauen Sie mal: Ungarn ist erst zum zweiten Mal bei einer EM dabei. Darüber sind wir froh. Weniger glücklich können wir mit der Auslosung sein. Wir haben die Todesgruppe F erwischt. Deutschland, Frankreich, Portugal. Ein Weiterkommen wäre nun in der Konstellation eine Sensation.

So wie 2016?
Damals hat niemand mit uns gerechnet, und wir haben das Achtelfinale erreicht. Als ungeschlagener Tabellenerster. Selbst den späteren Europameister Portugal haben wir an den Rande einer Niederlage gebracht. 3:3 – was für ein Spiel! Ich habe mich wahnsinnig gefreut für die Mannschaft und auch für die Trainer Bernd Storck und Andi Möller.

Hatten Sie Kontakt zu den beiden?
Immer wieder mal. Andi Möller ist ja wie ich ein Frankfurter. Sowieso hatte ich immer einen guten Draht zu den Deutschen in Budapest. Auch zu Thomas Doll und Ralf Zumdick, die beide mit Ferencvaros die Meisterschaft gewonnen hatten. Einmal haben Katze Zumdick und ich uns auf dem Rasen des Ferencvaros-Stadion getroffen.

Um über das Pokalendspiel von 1988 zu sprechen, in dem Sie per Freistoß das 1:0-Siegtor geschossen haben?
Nein, um die Szene noch einmal nachzustellen.

Haben Sie den Ball wieder reingemacht?
Diesmal hat Katze gehalten. Aber war nur Spaß. Wichtiger war natürlich 1988.

Warum mussten Storck und Möller 2018 eigentlich gehen? Nur wegen der verpassten WM-Qualifikation?
Das kann ich nicht beurteilen, da bin ich zu weit weg. Aber ich finde, dass auch Storcks Nachfolger Marco Rossi gute Arbeit macht. Er kannte Ungarn ja schon, vier oder fünf Jahre war er zuvor Trainer bei Honved Budapest gewesen. Er hat 2017 die Meisterschaft gewonnen und war Trainer des Jahres. In Ungarn schätzt man ihn sehr.

Wie lässt er das Team spielen?
Italienisch diszipliniert. Das finde ich gut. Ein altes Klischee stimmt hier immer noch: Wenn in Ungarn jemand sagt, Lajos, lass uns um acht Uhr treffen, dann kommt er erst um 10 Uhr. Und ich erst um 11 Uhr. Unter Rossi gibt es so etwas nicht.

Welche Spieler aus dem ungarischen Kader gefallen Ihnen?
Eigentlich alle Bundesligaspieler: Ádám Szalai, Péter Gulácsi und Roland Sallai. Vor allem Sallai hat eine tolle Entwicklung gemacht, ich schaue ihm gerne zu. In der abgelaufenen Saison hat er acht Tore gemacht und ähnlich viele vorbereitet. Wenn er eine gute EM spielt, könnten große Vereine auf ihn aufmerksam werden.

[Lesen Sie hier alle wichtigen Entwicklungen der EM im Tagesspiegel-Liveblog]

Muss er wechseln?
Das sage ich nicht. Ich glaube sogar, dass der SC Freiburg ein guter Klub für ihn ist. Aber langsam schauen andere Vereine auf ihn. Er könnte eine große Karriere machen.

Ist Sallai ein Zehner wie Puskas oder wie Sie?
Ich mag solche Vergleiche nicht. Er kommt ja auch eher über die Außen. Und gibt es überhaupt noch klassische Zehner? An Puskas kommt jedenfalls kein Spieler in Ungarn heran.

Sie waren in den Achtzigern auch ganz passabel.
Ach, ja. Mit Puskas war ich befreundet. 1993 übernahm er die Nationalelf, ich habe damals unter ihm trainiert. Manchmal habe ich im Training gescherzt: „Na, Ferenc, bessere Zehner als uns hat es nie gegeben!“ Er hat dann immer die Hand gehoben und gesagt: „Werd’ mal nicht frech, sonst setzt es eine!“

Sie haben 61 Länderspiele gemacht. Welche sind Ihnen besonders in Erinnerung?
Ich habe mit Ungarn dreimal gegen Deutschland gespielt – und nie verloren. Aber, lieber Marco Rossi, bevor du fragst: Ich bin gerade verletzt! Jedenfalls, zwei Unentschieden, und in Hamburg haben wir 1:0 gewonnen. Im Januar 1985 war das, es war arschkalt.

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Ungarn war in jener Zeit in Freundschaftsspielen recht erfolgreich. 1986 gewann Ihr Team 3:0 gegen Brasilien, Sie schossen ein Tor. Was lief bei der WM in Mexiko schief?
Wir brauchten es eben arschkalt! (Lacht.) In Europa sind wie durch die Qualifikation gefegt, haben 2:1 in Holland gewonnen. In Mexiko spielten wir aber um 12 Uhr mittags, bei 45 Grad. Im Grunde war das Turnier nach vier Minuten vorbei, denn in unserem ersten Spiel gegen die UdSSR stand es da schon 0:2. Am Ende gingen wir 0:6 baden, was für eine Schmach. Das zweite Spiel verloren wir 0:3 gegen Frankreich. Immerhin, das letzte Gruppenspiel gegen Kanada gewannen wir 2:0. Ich machte das zweite Tor – und bin somit der letzte WM-Torschütze Ungarns.

Welches war Ihr schönstes Tor für Ungarn?
Mein Freistoß gegen Polen, ganz klar.

Woher konnten Sie eigentlich so gut Freistöße schießen?
Ich wurde so geboren. (Lacht.) Nein, ich habe früher oft stundenlang nach dem Training solche Freistöße trainiert. Alleine, nur der Ball und ich. Das war schön. Ich habe jede Saison – ob für Frankfurt, Olympiakos oder Bologna – fünf, sechs Freistöße reingemacht. Kein Problem. Als ich 1988 gegen Katze anlief, wusste ich schon: Der geht rein.

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