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Ewald Lienen, 64, betreute AEK Athen von Oktober 2012 bis April 2013 als Trainer.

© picture alliance/dpa

Früherer AEK-Trainer Ewald Lienen:: „Die Gegner haben keine Angst mehr vorm FC Bayern“

Der technische Direktor des FC St. Pauli spricht im Interview über seinen Ex-Klub, die Schwäche der Münchner - und den überfälligen Umbruch des DFB-Teams.

Herr Lienen, Ihr ehemaliger Verein AEK Athen trifft in der Champions-League am Dienstag auf Bayern München. Haben Sie schon eine Einladung bekommen für das Spiel im Athener Olympiastadion?

Diesen Verein gibt es ja nicht mehr. Nachdem AEK abgestiegen ist und Insolvenz angemeldet hat, haben sie anscheinend alle Unterlagen vernichtet. So haben sie auch meine Adresse und Telefonnummer nicht mehr (lacht). Jetzt fungiert der Verein mit neuer Steuernummer, neuer Anschrift und ohne die Altlasten und Verbindlichkeiten der Vergangenheit.

Deswegen haben Sie wahrscheinlich auch nicht die ausstehenden Gehaltszahlungen aus jener Zeit erhalten, oder?

Das ist mehr als ärgerlich und grenzt ans Lächerliche. Das Verhalten der Verantwortlichen ist, gelinde formuliert, inakzeptabel! Ich habe in dieser Angelegenheit die Fifa eingeschaltet, ohne jedoch bis dato Erfolg gehabt zu haben. Man muss sich das so vorstellen: Der Verein steigt direkt vom Oberhaus in die Dritte Liga ab, bekommt eine neue Steuernummer und in diesem Moment erlöschen etliche Schulden und Verbindlichkeiten. Diese Gesetzesgrundlage herrschte damals in Griechenland. Noch skandalöser ist aber die Passivität der internationalen Verbände, die keinen Druck auf den Verein und den nationalen Verband ausüben.

Es wird heute noch gemunkelt, dass der Abstieg von AEK damals forciert wurde, damit der Verein anschließend eine weiße Weste erhält. Hatten Sie so etwas mitbekommen?

Mir waren die strukturellen und finanziellen Umstände, die damals im Verein herrschten, nicht im vollen Umfang bekannt. Da ich aber eine griechische Vergangenheit besaß, sah ich mich gewappnet für dieses Unterfangen. Zudem wurde ich in dieser Hinsicht im Vorfeld auch falsch beraten. Fakt ist, dass wir den Klassenerhalt mit der jungen und unerfahrenen Mannschaft hätten sichern können, wenn alle mitgezogen hätten.

Es haben aber nicht alle mitgezogen?

In den letzten Wochen habe ich realisiert, dass manche Spieler und Funktionäre nicht das selbe Ziel verfolgten. Wenn ein, zwei Spieler rückwärts, statt vorwärts spielen, ist das kontraproduktiv (lacht). So eklatant war es beim letzten Spiel vor meiner Entlassung, als der Kapitän auf mich zueilte und fragte, was da los sei. Resümierend würde ich sagen, dass der Job bei AEK eine Hardcore-Erfahrung für mich war, wobei ich die Fans, die Stadt und das Land bei meiner Beurteilung ausnehme, zumal ich dort auch rührende Solidaritätsbekundungen erlebt habe. Man darf nicht vergessen, dass zu jener Zeit die Finanzkrise in Griechenland auf ihrem Höhepunkt war und etliche Spieler und Vereinsbedienstete schwer über die Runden kamen.

Wie sehen Sie das aktuelle AEK-Team?

Ich kann mir da kein Urteil erlauben, weil ich lediglich ein paar Spielszenen im Fernsehen gesehen habe. Ich kenne den Kapitän Petros Mantalos, den ich damals schon von Xanthi holen wollte, die Bemühungen aber aufgrund der desolaten Finanzlage ad acta legen musste. Ich weiß, dass die Athener seit dieser Saison einen neuen griechischen Trainer haben, weil der Vorgänger Manolo Jimenez nach Spanien zurückgekehrt ist – nachdem er AEK erstmals nach 24 Jahren zum Titelgewinn geführt hatte. Allerdings unter merkwürdigen Umständen, Paok Saloniki war dem Titel lange Zeit viel näher war.

Könnte die aktuelle Situation des FC Bayern eine Chance für die Athener darstellen, auch wenn sie nominell natürlich Außenseiter sind?

Durchaus. Ich weiß zwar nicht, was bei den Bayern genau los ist, habe aber registriert, dass ihr Leistungsniveau im Vergleich zum Saisonanfang rapide gesunken ist. Zudem scheint es so zu sein, dass die gegnerischen Teams keine Angst mehr vor Bayern haben, wie es auch Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach nach dem Spiel in München gesagt hat. Zudem hat Bayern das Pech, dass mit Coman und Tolisso zwei wichtige Akteure verletzt ausgefallen sind. Ferner habe ich den Eindruck, dass bei Bayern und in der Nationalelf manche Spieler seit vielen Jahren am Limit spielen und jetzt eventuell ausgelaugt sind. Und nun hat die Uefa auch noch diese nutzlose Nations League ins Leben gerufen.

Sie sprechen von der Inflation und Kommerzialisierung des Fußballs. Die Fans protestieren schon lange dagegen. Ist es ein unumkehrbarer Weg, den der Fußball geht?

Die Spieler bestreiten jetzt schon mehr als 50 Spiele in nationalen und internationalen Wettbewerben, exklusive den Verpflichtungen in der Nationalmannschaft. Und dann kommt die Uefa und schafft in einem turnierfreien Jahr diese unnütze Veranstaltung, damit noch mehr Geld in die Verbandskassen fließt, wobei das Wohl der Akteure außen vor gelassen wird.

Was befürchten Sie?

Wenn das so weitergeht, dann wird der Fußball an die Wand gefahren. Die Vereine, die die Spieler ausbilden und bezahlen, müssen diesem Trend kollektiv einen Riegel vorschieben.

Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass Joachim Löw, einem Befürworter der Nations League, mit der deutschen Nationalmannschaft der Abstieg in diesem Wettbewerb droht?

Das kann man so betrachten. Beim Spiel in Paris hat man aber gesehen, dass Löw ein leistungsstarkes Team geformt hat, das unglücklich verloren hat. Dieser Umbruch hätte meiner Meinung nach schon vor Monaten stattfinden müssen. Dann hätten die jungen Spieler auch die Erfahrung eines großen Turniers mitgemacht und dem Bundestrainer hätte man nichts ankreiden können. Trotzdem sehe ich die deutsche Mannschaft gefestigt genug, um die im März beginnende EM-Qualifikation zu meistern.

- Ewald Lienen, 64, war von Oktober 2012 bis April 2013 Trainer bei AEK Athen. Zuvor war er unter anderem bei den griechischen Vereinen Panionios Athen und Olympiakos Piräus. Seit 2014 arbeitet er beim Zweitligisten FC St. Pauli, wo er inzwischen Technischer Direktor ist.

Dimitrios Dimoulas

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