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Felix Zwayer im Pokalfinale.

© dpa

Fragwürdiger Elfmeter im DFB-Pokalfinale: Schiedsrichter Felix Zwayer würde wieder so entscheiden

Felix Zwayer ist beim Pokalfinale nicht zum ersten Mal mit einer strittigen Entscheidung aufgefallen. Einen Fehler erkennt der Berliner Schiedsrichter aber nicht.

Von Katrin Schulze

Den Einzug ins Endspiel des DFB-Pokals muss sich auch ein Schiedsrichter hart erkämpfen. Wer sich mit ausgezeichneten Leistungen hervorgetan hat und Drucksituationen nachweislich gewachsen ist, darf dieses große Spiel vor zehntausenden Menschen im Berliner Olympiastadion und Millionen vor den Fernsehbildschirmen leiten. Als eine Art Belohnung für eine gute Saison. Insofern war es für viele erstaunlich, dass ausgerechnet Felix Zwayer für diese Aufgabe auserwählt worden war.

In der abgelaufenen Spielzeit ist er nicht übermäßig positiv ausgefallen, sondern eher durch einige Fehler. Am Samstagabend, als die Eintracht aus Frankfurt gegen vermeintlich übermächtige Bayern den DFB-Pokal gewann, kam die nächste mindestens fragwürdige Szene dazu, als Zwayer den Bayern in der vierten Minute der Nachspielzeit beim Stand von 1:2 einen Elfmeter versagte. Frankfurts Kevin- Prince Boateng hatte Javi Martinez im Strafraum gefoult. Klarer Strafstoß. Da waren sich alle sicher – alle bis auf Felix Zwayer.

Und obwohl ganz Fußballdeutschland auch nach mehrfacher Sichtung der Fernsehbilder noch einen Elfmeter erkennt, würde Felix Zwayer zwei Tage später genauso entscheiden wie in der Berliner Pokalnacht. Der Schiedsrichter ist davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben. „Es war eine 50/50-Entscheidung“, sagte Zwayer dem Tagesspiegel am Pfingstmontag. „Ich habe kein strafwürdiges Vergehen gesehen.“ Zudem hätte der Fall von Martinez nicht zur Berührung am linken Fuß gepasst. "Und nicht jeder Kontakt ist elfmeterwürdig", sagte Zwayer.

Bei der Analyse über den Monitor am Spielfeldrand, die Zwayer nach Rücksprache mit dem Videoassistenten in Anspruch nahm, habe er zwar einen Kontakt zwischen Boateng und Martinez erkannt, dieser hätte für einen Strafstoß jedoch nicht ausgereicht. Zwayer schaute sich die Situation nach eigenen Angaben sowohl in Zeitlupe als auch in Echtzeit an und hatte dabei „eine exzellente Perspektive“ zur Verfügung.

Skurril ist es trotzdem, dass selbst Kevin-Prince Boateng zugab, einen eindeutigen Strafstoß verursacht zu haben. „Ich treffe ihn ganz klar, das sieht man“, sagte Boateng nach dem Spiel. „Wir haben Glück gehabt.“ Auf der anderen Seite mussten sich die Münchner zusammenreißen, um nicht komplett auszurasten. „Das ist für mich ein ganz klarer Elfmeter“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. „Im Sechzehner haut er ihm die Füße weg.“ Auch Angreifer Thomas Müller sah „eine klare Geschichte“ und stellte nicht nur den Schiedsrichter, sondern den Videobeweis grundsätzlich in Frage: „Ich verstehe nicht so ganz, wieso es diese Einrichtung gibt.“

„Königin der Konzessionsentscheidungen“

Felix Zwayer kennt diese Ausraster. Allein in der abgelaufenen Saison hat er sich den Ärger von so manchem Bundesligisten eingehandelt, allen voran vom Vertreter aus Leipzig. In der zweiten Runde des DFB-Pokals rannte der Leipziger Sportdirektor Ralf Rangnick in der Halbzeitpause mit seinem Smartphone neben Zwayer her, um ihm seinen Fehler aufzuzeigen. Der Schiedsrichter hatte einen Elfmeter für Leipzig zurückgenommen. Später zeigte Zwayer Leipzigs Naby Keita nach zwei eher harmlosen Fouls Gelb- Rot und entschied schließlich nach einem fragwürdigen Foul noch auf Elfmeter – für Leipzig, was ihm als „Königin der Konzessionsentscheidungen“ ausgelegt wurde. Diese Worte stammten von Mats Hummels, Verteidiger des FC Bayern, dem Zwayer durch seine Entscheidungen so überhaupt erst den Weg bereitet hatte für das Pokalfinale.

Schon aus dem Grund mutet es zumindest unglücklich an, den Berliner Schiedsrichter nun in genau jenes Spiel zu schicken. „Er ist im internationalen Bereich in der Elitegruppe, war schon letztes Jahr für das Finale in der Auswahl und jetzt einfach dran“, sagte Lutz Fröhlich dem Tagesspiegel dazu. Der Schiedsrichterchef attestierte Zwayer „keine herausragende, aber eine gute Saison“. Tatsächlich gab es neben den beiden Pokalspielen noch in mindestens drei Ligaspielen mit Zwayer strittige Szenen: in den Bundesliga-Begegnungen zwischen Gladbach und Köln, Schalke und Leipzig sowie in der Zweitliga-Begegnung zwischen Dresden und Kiel, als Zwayer beiden Teams je einen Elfmeter zusprach. Niemand möchte dem gelernten Immobilienkaufmann ernsthaft unterstellen, dass er Spiele absichtlich verpfeift. Jedoch wurde nach dem Pokalfinale nicht das erste Mal die Frage aufgeworfen, ob er wirklich die nötige Qualität für derart hochklassige Begegnungen besitzt. Zumal bei dieser Vorgeschichte.

„Eine Superleistung über 93 Minuten“

Der Weg in die Elite ist für Schiedsrichter ähnlich mühsam wie für Spieler. Mit guten Leistungen kämpft man sich Liga für Liga nach oben. Im Fall von Felix Zwayer passierte dies in Höchstgeschwindigkeit. Nach nur zwei Spielzeiten in der Zweiten Liga qualifizierte sich der Referee 2009 für die höchste deutsche Spielklasse – da war er gerade einmal 28 Jahre alt. Zum Vergleich: Bibiana Steinhaus brauchte trotz guter Noten für den gleichen Schritt beinahe zehn Jahre. Felix Zwayer muss damit leben, dass sein rasanter Aufstieg Zweifel hinterlässt. Der Schiedsrichter wurde deutschlandweit dafür bekannt, den Schmiergeld-Skandal um Robert Hoyzer mit aufgedeckt zu haben. Der zweite Teil der Wahrheit ist, dass der DFB ihn ebenfalls für schuldig befand und für sechs Monate sperrte.

„Wie kann so jemand bis in die Spitze der deutschen Top-Schiedsrichter kommen?“, fragte Zwayers Kollege Manuel Gräfe in einem viel beachteten Tagesspiegel-Interview. „Kann es vielleicht sein, dass Fandel und Krug einen Mann haben wollten, der ihnen zu bedingungsloser Loyalität verpflichtet war?“  Den früheren Schiedsrichterchefs Hellmut Krug und Herbert Fandel wurde bereits von mehreren Referees Vetternwirtschaft vorgeworfen. Ein Thema, zu dem sich Zwayer nicht mehr äußern möchte. Er sei mit sich im Reinen. Bei der WM ist Zwayer einer von 13 Videoschiedsrichtern.

Für das DFB-Pokalfinale bescheinigt sich der Berliner übrigens selbst „eine Superleistung über 93 Minuten“. Also auch in der zweiten umstrittenen Situation, in der er die Videoaufzeichnungen zu Hilfe nahm. In der 82. Minute war der Ball vom Arm Boatengs vor die Füße von Danny da Costa gefallen, der das 2:1 durch Ante Rebic vorbereitete. Obwohl Boateng den Arm oben hatte, sah Zwayer „keine Bewegung vom Arm zum Ball“. Wieder war Frankfurt im Glück. Kein Wunder, dass Boateng die „gute Arbeit“ von Zwayer lobte. Und dass Eintracht-Torwart Lukas Hradecky sich auf seine ganz eigene Art bei ihm bedanken wollte: „Wenn ich den Felix sehe, dann biete ich ihm ein Bier an.“

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