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Zwei Coaches, ein Albatros: Auch das Alba-Maskottchen turnt mit.

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Fit bleiben in der Coronavirus-Krise: Albas tägliche Sportstunde soll die Sportkultur revolutionieren

Mit dem Mitmachprogramm auf YouTube bringt Alba Berlin Bewegung in die Kinderzimmer. Das soll Eltern und Lehrkräfte entlasten und der Klub hat Großes im Sinn.

Es sind noch keine zwei Minuten vergangen, da stürmt auf einmal ein großes, weiß gefiedertes Wesen mit riesigem Schnabel, breiten Füßen und gelbem Trikot durchs Bild. „Wow, wer ist denn hier?“, ruft Stefan Ludwig, Jugendtrainer bei Alba Berlin, der eigentlich gerade ein paar Aufwärmübungen vorführen wollte. Es ist natürlich der Albatros, das Maskottchen des Basketball-Bundesligisten. Er huscht einmal durch die Szenerie und verschwindet sofort wieder. Aber: „Ich habe eine Idee, wie wir ihn wieder zurückholen können“, sagt Ludwigs Kollegin Elisa Lierhaus. „Der Albatros mag ja total gern Musik oder Rhythmus. Und vielleicht machen wir das einfach mal alle zusammen.“

So sieht das zurzeit aus, wenn der Berliner Basketballklub zu „Albas täglicher Sportstunde“ aufruft. Ab kommendem Dienstag streamt Alba jeden Vormittag auf YouTube spezielle Mitmachprogramme für Kinder, die ersten beiden Premierenfolgen in der vergangenen Woche hatten bereits großen Erfolg. Zur Motivation für die Kleinsten dabei: der Albatros. Und wer bereits selbst einmal in einem Maskottchen-Kostüm gesteckt hat, weiß, wie Kinder darauf abfahren.

Alba Berlin hat Großes vor

Trainerin Lierhaus startet also ihren rhythmischen Rückholversuch. Die Kinder vor den Bildschirmen sollen sie dabei kräftigst unterstützen: Lierhaus klatscht zweimal in die Hände, dreimal auf den Oberkörper, wieder einmal in die Hände und dann noch zweimal auf die Oberschenkel. Schön im Takt. Erst langsam, dann immer schneller. Und – potzblitz! – der Albatros lässt sich tatsächlich locken und kommt wieder zurück. Yay!

Was auf den ersten Blick nach niedlicher Kinderbespaßung aussieht, geht für Henning Harnisch sehr viel weiter: „Wir sind hier an etwas Großem dran“, glaubt der Vizepräsident von Alba Berlin. „Das könnte in Deutschland die Sportkultur verändern.“ Genau daran arbeitet der 169-malige Basketball-Nationalspieler und Europameister schon seit Jahren.

Denn geht es nach Harnisch, soll nicht mehr nur der Zufall darüber entscheiden, wer dauerhaft mit Freude und vielleicht sogar Erfolg Sport treibt. Nein, alle sollen ihre Möglichkeiten bekommen. Harnisch schwebt eine strukturelle Vernetzung von Kitas und Schulen vor, mit ausgebildeten Trainerinnen und Trainern, die den Sportnachwuchs systematisch fördern.

Der Kopf dahinter: Henning Harnisch ist Vizepräsident und Nachwuchskoordinator bei Alba Berlin.
Der Kopf dahinter: Henning Harnisch ist Vizepräsident und Nachwuchskoordinator bei Alba Berlin.

© Rainer Jensen/dpa

In Berlin und Umgebung hat Alba diese Idee schon tatkräftig vorangetrieben. Der Klub ist mit 120 Trainerinnen und Trainern an 220 Einrichtungen unterwegs, rund 10.000 Kinder und Jugendliche nehmen an den Angeboten teil. „In der Region Verantwortung für den eigenen Sport übernehmen“, nennt Harnisch das.

Gedreht wird in der Kabine der Alba-Profis

Doch wie überall sonst ruht der Betrieb zurzeit. „Also haben wir eine Idee entwickelt, wie man mit den Kindern trotzdem weiter etwas machen kann“, sagt Albas Vizepräsident. Kurzerhand wurde die Kabine der Alba-Profis in der Arena am Ostbahnhof in ein TV-Studio umfunktioniert. Und vor der Kamera halten die Jugendcoaches nun digitale Sportstunden ab.

„Wir wollen dadurch etwas anbieten im Sinne eines positiven Beispiels für gesellschaftliches Miteinander“, sagt Harnisch. „Die Kinder sind jetzt den ganzen Tag zuhause mit ihren Eltern. Das schafft natürlich auch Probleme.“ Albas Online-Sportstunde soll deshalb in den eigenen vier Wänden „jeden Tag eine neue Runde Fitness, Bewegung, Sportwissen“ vermitteln, „vielleicht auch ein bisschen Schulwissen reingeschmuggelt“, erläutert Harnisch.

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Jeden Werktag um 9 Uhr startet das halbstündige Bewegungsprogramm für die Kitakinder, um 10 Uhr gibt es dann die 45-minütige Sportstunde für Kinder im Grundschulalter, und um 11 Uhr folgen noch einmal 45 Minuten Sport für die älteren Kinder und Jugendlichen an den weiterführenden Schulen. Alle Folgen lassen sich auch im Nachhinein noch ansehen.

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Und obwohl das reguläre Programm noch gar nicht läuft, ist die bisherige Resonanz schon äußerst erstaunlich. Jeweils über 600.000 Aufrufe haben die beiden Premierenfolgen vom Mittwoch und Freitag bereits. In den sozialen Medien stapeln sich die Kommentare dankbarer Eltern, die sich im Spagat zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung über ein wenig Abwechslung und Auslastung für ihre Kinder freuen.

Socken in die Tonne: Solche Aufgaben sollen zum Mitmachen animieren.
Socken in die Tonne: Solche Aufgaben sollen zum Mitmachen animieren.

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Weiterempfehlungen kommen von Tennisspielerin Andrea Petkovic bis hin zur feministischen Autorin Margarete Stokowski. Und die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) unterstützte das Vorhaben von Anfang an: „Sie hat sofort gesagt: Wir wollen das unbedingt!“, erzählt Harnisch. „Weil sie natürlich auch weiß, dass im Schulsport E-Learning-Ideen jetzt nicht sofort da sind.“ Auch Lehrkräfte sollen so profitieren.

Videoanleitungen zum Sporttreiben, die gibt es im Internet zuhauf. Aber ein tagesaktuelles Sportprogramm, noch dazu für Kinder, das ist neu. Genau darin sieht Harnisch das revolutionäre Potenzial von Albas digitaler Sportstunde. „Das ist ja verrückt, dass wir jetzt die tägliche Sportstunde machen, die Schulsportexperten schon seit Jahren fordern“, sagt er. „Da steckt eine gesundheitliche, eine sportliche, eine soziale, eine Familienidee dahinter. Eine, die du jetzt bauen kannst, aber die dann nie mehr weggehen muss.“

Hintergründe zum Coronavirus:

Harnisch glaubt, dass die Krise zu einer „neuen Verbindung zwischen Digitalem und Analogem“ führen wird. Albas Programm könnte dabei „als greifbares Produkt, als Visitenkarte“ dazu beitragen, dass auch andere Vereine und Institutionen diesen Weg gehen und ähnliche Projekte starten, um den Breitensport in die Kinder- und Wohnzimmer tragen.

„Ich erhoffe mir, dass jetzt mehr Leute mitkriegen, was wir eigentlich sowieso immer machen“, sagt Harnisch. Sonst richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit natürlich größtenteils auf das Profiteam. Dessen Spielbetrieb in der Bundesliga und der Euroleague ruht nun auf unbestimmte Zeit. Doch der Fokus auf den Klub schwindet nicht einfach, sondern verschiebt sich jetzt. „Wir schaffen ein anderes Ereignis, das uns weitererzählt und das bindet“, drückt es Harnisch aus. „Dadurch spielen wir ja weiter. Der Albatros, das Maskottchen, ist sowieso in der Arena zuhause, und jetzt tritt es dort im Kitasport auf.“

Leonard Brandbeck

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