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Vorbildlich: Drei junge Herren greifen nach dem orangefarbenen Leder.

© BBL-Foto/Imago

Finalgegner Ludwigsburg: Auf Alba Berlin wartet das System Hölle

Albas Gegner aus Ludwigsburg hat sich mit seiner galligen Philosophie bis ins Finale gespielt. Das hat den Außenseiter jedoch auch Kraft gekostet.

Bis vor ein paar Tagen, da wurde noch so ein bisschen gelächelt über das Team aus Ludwigsburg: Der wichtigste Mann, so wurde hier und da geflachst, der steht ja kaum auf dem Spielfeld, sondern sitzt größtenteils als Schreihals und Cheerleader auf der Bank. Die Rede war von Aufbauspieler Teyvon Myers, den die Ludwigsburger vor dem Turnier aus Gießen verpflichtet hatten, und der weniger durch seine Qualitäten auf dem Parkett denn vielmehr als Einpeitscher von jenseits der Bande glänzte.

Doch spätestens seitdem das Team aus der beschaulichen Stadt im Schwabenland beim Finalturnier der Basketball-Bundesliga (BBL) zunächst im Viertelfinale den Gastgeber und Titelverteidiger Bayern München aus dem Weg geräumt hat und anschließend im Halbfinale auch noch die zuvor unbesiegten Ulmer verzweifeln ließ, lacht niemand mehr über die Ludwigsburger. Und das nicht nur, weil der Außenseiter dadurch nun erstmals in der Vereinsgeschichte im Finale um die Deutsche Meisterschaft steht und in den beiden Spielen am Freitag und Sonntag Alba Berlins Endspielgegner sein wird.

Alba Berlins K.o.-Spiele beim BBL-Finalturnier

  • Viertelfinale, Hinspiel: Göttingen – Alba Berlin 68:93
  • Viertelfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Göttingen 88:85
  • Halbfinale, Hinspiel: Oldenburg – Alba Berlin 63:92
  • Halbfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Oldenburg 81:59
  • Finale, Hinspiel: Ludwigsburg – Alba Berlin (Freitag, 26. Juni, 20.30 Uhr)
  • Finale, Rückspiel: Alba Berlin – Ludwigsburg (Sonntag, 28. Juni, 15 Uhr)

Nein, die Ludwigsburger werden auch ganz unabhängig von ihrem sportlichen Erfolg ligaweit gefürchtet: Für ihren galligen Spielstil nämlich, den ihnen Chefcoach John Patrick in den vergangenen sieben Jahren eingeimpft hat. „40 Minutes of Hell“ hat es der 52-jährige Blondschopf einmal genannt, dass er den Gegner bevorzugt mit kleinen, aber athletischen Spielern über das Parkett jagt und am liebsten schon tief in der gegnerischen Spielhälfte zermürbt. „Sie zerstören Spiele, das können sie sehr gut“, sagt Alba Berlins Geschäftsführer Marco Baldi. „Sie gehen ohne Rücksicht auch auf eigene Verluste zu Werke, insofern ist das ein sehr schwieriger Gegner.“

Bereits vor anderthalb Wochen lieferten sich Alba und Ludwigsburg einen zünftigen Fight, am letzten Vorrundenspieltag ging es um den Gruppensieg. Die Berliner setzten sich im wohl bislang besten Spiel des Turniers am Ende mit 97:89 durch und schlugen so durch die K.o.-Runden-Duelle mit Göttingen und Oldenburg einen wesentlich entspannteren Weg in Richtung Finale ein. „Wir waren auf Augenhöhe, wir haben mitgehalten und geführt“, sagt Ludwigsburgs Trainer Patrick nun. Und: „Wir haben daraus gelernt.“

Wie es Patrick geschafft hat, sein Team bis ins Finale zu führen, ist eigentlich für sich schon eine kleine Sensation. Zwar lagen die Ludwigsburger zum Abbruch der regulären Saison auf Tabellenplatz zwei und hatten da Alba und München bereits einmal geschlagen. Doch beim Finalturnier musste das Team nun auf die Leistungsträger Tanner Leissner und Konstantin Konga sowie Khadeen Carrington verzichten, der sogar als aussichtsreicher Kandidat für den Titel des ligaweit besten Spielers galt.

Patrick hat jedoch bewiesen, dass sein System größer ist als die betreffenden Einzelspieler. Die Ausfälle sind kaum bemerkbar, weil andere problemlos die Rollen übernehmen: Zocker wie Jaleen Smith, Nick Weiler-Babb oder Thomas Wimbush, der Alba im Gruppenspiel 30 Punkte einschenkte, sowie der derzeit überragende Marcos Knight, der ein Double-Double nach dem anderen auflegt.

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Dazu kommt eine Reihe Nachwuchsspieler, die alle noch nicht einmal 20 Jahre alt sind und vor dem Turnier kaum BBL-Erfahrung hatten, aber schon immer bei den Profis mittrainieren und die nötigen Körner für Ludwigsburgs kraftraubenden Spielstil besitzen: Der 18-jährige Center Ariel Hukporti zum Beispiel, der das Turnier zwischenzeitlich verließ, um seine Schulprüfungen zu absolvieren, oder der erst 16-jährige Jacob Patrick, der jüngere der beiden Trainersöhne im Team.

Ob die Kräfte nun auch noch für das Finale gegen die tief besetzten Berliner reichen, ist die große Frage. „Alle Spieler, die jeden zweiten Tag gespielt haben, haben Schmerzen“, sagt John Patrick. Die langen Männer Jonas Wohlfarth-Bottermann und Hans Brase sind angeschlagen, auch der Einsatz des zuletzt umgeknickten Topscorers Marcos Knight wird sich erst kurzfristig entscheiden. Doch dass die Ludwigsburger beißen können, haben sie nicht erst bei diesem Turnier bewiesen.

Leonard Brandbeck

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