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Die Fans von Eintracht Frankfurt beim Auswärtsspiel im Camp Nou des FC Barcelona.

© IMAGO/Revierfoto

Finale in der Europa League in Sevilla: Eintracht Frankfurt fühlt sich völlig losgelöst von der Erde

Nach 42 Jahren steht Eintracht Frankfurt wieder in einem Europokalfinale. Der Verein will seine besondere Beziehung zu diesem Wettbewerb krönen.

Der Europapokal erzeugt ganz eigene Momente, große wie kleine; speziell bei Eintracht Frankfurt. Vor zwei Wochen wurde im Waldstadion nicht nur das ganze Halbfinal-Rückspiel über gesungen – sondern selbst das Halbzeitprogramm begleitet. Und so sangen 50.000 Menschen im Chor: „Völlig losgelöst von der Erde, schwebt das Raumschiff, völlig schwerelos.“ Bis in die zweite Hälfte hinein.

Einen Finaleinzug mit friedlichem Platzsturm später fühlt sich ganz Frankfurt weiterhin schwerelos. Denn an diesem Mittwoch steht die Eintracht nach 42 Jahren wieder in einem Europapokalendspiel: Gegen die Glasgow Rangers könnte der Bundesliga-Elfte tatsächlich die Europa League gewinnen. Und fast ganz Fußballdeutschland fiebert mit, wenn es um 21 Uhr in Sevilla losgeht (live bei RTL).

25 Jahre ist es her, dass ein deutscher Verein die zweitwichtigste Trophäe Europas abräumte. Seit der Schalker Sensation 1997 und dem zeitgleichen Triumph des BVB gewann auf kontinentaler Ebene nur noch Bayern München die Titel. Im Uefa-Cup-Finale stand zuletzt Werder Bremen 2009.

Längst heißt der Wettbewerb anders, aber es gibt wieder Hoffnung für den Bundesliga-Mittelstand: Eine Welt mit einem anderen deutschen Europacupsieger ist denkbar. Selbst für Eintracht Frankfurt. Der Tabellen-15. der abgelaufenen Rückrunde ist auf internationaler Ebene ein ganz anderes Team – eines, das 2022 bei Betis Sevilla 2:1 gewann, 3:2 beim FC Barcelona und 2:1 bei West Ham United.

Bis zu 50.000 Eintracht-Fans in Sevilla

Geschafft hat Frankfurt das mit viel Leidenschaft. „Wenn du über Europa sprichst, hat jeder Spieler und Fan sofort ein Lächeln auf den Lippen“, sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner bei Uefa.com. „Das übermitteln die Fans uns im Stadion, das hilft den Spielern gerade in schwierigen Phasen.“

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Entsprechend groß ist die Euphorie, nicht nur in Hessen. Bis zu 50.000 Frankfurt-Fans sollen sich auf den Weg nach Andalusien machen, dazu kommen bis zu 100.000 Rangers-Fans aus Schottland. Es könnte unverhofft eines der heißesten Endspiele seit Jahren werden. Und das nicht, weil tagsüber das Thermometer 35 Grad und bei Anpfiff im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán 30 Grad zeigen soll.

Die Uefa gab das Finale ausgerechnet an das mit 42.000 Plätzen kleinste der drei Stadien Sevillas. Der Verband ahnte nicht, dass zwei derart emotionale Finalisten ihr Event erst zum Event machen. Es dürften sich etwa 100.000 Ticketlose außerhalb der Arena tummeln und die viertgrößte Stadt Spaniens in ein– hoffentlich friedliches – deutsch-schottisches Public Viewing verwandeln. Denn beide Fanlager haben das Gefühl, den Titel nun aber endlich einmal richtig verdient zu haben.

 Einige Fans sind auf dem Fanfest auf der Plaza de Espana unterwegs.
Einige Fans sind auf dem Fanfest auf der Plaza de Espana unterwegs.

© Arne Dedert/dpa

Die Eintracht will den furiosen Europa-Lauf 2019, der erst im Elfmeterschießen bei Chelsea endete, nun eine Runde weiter vollenden und dabei auch Jürgen Grabowski ehren, die im März verstorbene Klublegende. Mit ihm gewann die Eintracht 1980 den Uefa-Cup, im deutschen Duell mit Gladbach.

Doch auch die Rangers haben ihr eigenes Jetzt-erst-recht-Narrativ: 150 Jahre nach Klubgründung, 50 Jahre nach dem letzten Europapokalsieg und vor allem nur zehn Jahre nach der Insolvenz 2012, als sie nach einem Steuerskandal in der vierten Liga neu anfangen mussten, soll der große Titel her. Und dabei denken sie kaum noch an das Halbfinale 1960, das Frankfurt damals 6:1 und 6:3 gewann.

Die Rangers bezwangen Dortmund und Leipzig

Die aktuelle Performance des schottischen Rekordmeisters (55 Titel!) kann sich sehen lassen: Auf dem Weg ins Finale warf das Team von Giovanni van Bronckhorst Dortmund und Leipzig raus. Auch wenn die Rangers die meisten Tore im Wettbewerb schossen, dürfte die noch ungeschlagene Eintracht als leicht favorisiert gelten, selbst wenn Abwehrchef Martin Hinteregger verletzt ausfällt.

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„Ich erwarte ein umkämpftes Spiel auf Augenhöhe“, sagte Glasner, der als erster österreichischer Trainer seit Ernst Happel den Europacup holen könnte. „Beide Teams spielen sehr physisch; britischer Fußball ist sehr physisch, aber eine unserer Stärken ist, dass wir auch sehr physisch spielen können.“ So könnten am Ende die Nerven entscheiden. Oder die Anfeuerung im Stadion.

Sportlich mag es filigranere Duelle geben als das zweier eher kampf- als spielstarker Teams, deren gefährlichste Akteure Filip Kostic und James Tavernier Außenbahnspieler sind. Emotional aber kann es eine schwerelose Finalnacht werden. Dem Sieger winkt die Teilnahme an der Champions League. So oder so dürften gegen Mitternacht in Sevilla gesungen werden, völlig losgelöst vom Endstand.

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