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Nick Kyrgios hat nicht nur Tennis im Kopf.

© Imago/Shutterstock

Update

Finaldebüt in Wimbledon: Ohne Nick Kyrgios würde dem Tennis etwas fehlen

Tennisprofi Nick Kyrgios steht in Wimbledon erstmals im Endspiel. Dabei liegen Genie und Wahnsinn beim Australier auch diesmal wieder nah beieinander.

An Nick Kyrgios scheiden sich die Geister. Für die einen ist der Australier ein unverbesserlicher Tennisrüpel, der in diesem Sport nichts verloren hat. Für die anderen ist er ein Spieler, der seinen eigenen Kopf hat, sich nichts gefallen lässt und aus dem Einheitsbrei der Musterprofis herausragt. Dazu gibt es noch das Selbstbild des 27 Jahre alten Mannes aus Canberra: „Niemand von euch kennt mich auch nur ein bisschen. Ihr hängt nicht mit mir ab“, meinte er auf einer seiner stets unterhaltsamen Pressekonferenzen in Wimbledon. Und fügte grinsend hinzu: „Das würde euch großen Spaß machen.“

Für einen Spieler, der in der Weltrangliste aktuell auf Platz 40 steht, nie unter den Top Ten rangierte und in Wimbledon erstmals überhaupt das Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht hat, ist das Interesse enorm. Natürlich, da sind die üblichen Verdächtigen Novak Djokovic und Rafael Nadal, für die Briten kommt ihr Hoffnungsträger Cameron Norrie dazu. Aber für die ganz großen Schlagzeilen bei diesem Turnier ist Nick Kyrgios zuständig.

Da war das kontroverse Drittrundenmatch gegen Stefanos Tsitsipas, in dem sich die Emotionen derart hochschaukelten, dass beide Spieler nicht weit von einer Disqualifikation entfernt waren und ihr Duell auch nach dem letzten Ball noch fortsetzten. „Er war vermutlich in der Schule ein Tyrann. Ich mag keine Tyrannen. Ich mag keine Leute, die andere Leute niedermachen. Das muss aufhören. Jemand muss sich mit ihm hinsetzen und reden“, forderte Tsitsipas und attestierte Kyrgios „eine sehr böse Seite.“ Der wiederum nannte den Griechen „weich“ und gab ihm mit auf den Weg, doch erst einmal herauszufinden, „wie er mich ein paar Mal schlagen kann.“

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In Wimbledon hat das weiterhin keiner geschafft, auch weil Kyrgios sich und seine Emotionen im Achtel- und Viertelfinale gut im Griff hatte. Nicht einmal für Spaßschläge durch die Beine oder einen Aufschlag von unten hatte es am Mittwoch gegen den Chilenen Cristian Garin gereicht. „Ich mache das sehr gern, aber solche Schläge konnte ich mir diesmal einfach nicht erlauben“, sagte er dazu.

Kyrgios hat seine Chance bei diesem Wimbledon-Turnier ganz offensichtlich erkannt. Schon vor dem Start hatte er seinem Team erklärt: „Ich fahre dahin, um den Pokal in die Luft zu stemmen.“ Was nach Kyrgios-typischem Größenwahn klang, entpuppt sich nun tatsächlich als realistische Möglichkeit. Sein Spiel mit dem wuchtigen Aufschlag und der Power-Vorhand ist wie gemacht für das Spiel auf Rasen. 2014 ging sein Stern in Wimbledon auf, als er im Achtelfinale Rafael Nadal bezwingen konnte.

Kyrgios trifft im Halbfinale auf Nadal – wenn der denn fit ist

Auf den Spanier hätte er im Halbfinale am Freitag erneut treffen sollen. Es wäre ein Duell, dass laut Kyrgios den Zuschauern „das Wasser im Mund zusammenlaufen“ lassen würde und das „wahrscheinlich das am meisten gesehene Match aller Zeiten“ wäre. Doch am Donnerstagabend zog Nadal aufgrund einer Bachmuskelverletzung aus dem Fünf-Satz-Sieg gegen Taylor Fritz im Viertelfinale zurück.

Mit Nadal hatte Kyrgios in der Vergangenheit dabei auch bereits die eine oder andere Auseinandersetzung. Der 22-fache Major-Champion warf dem Australier einst mangelnde Einstellung vor und sprach indirekt von verschwendetem Talent.

„Wir sind zwei komplett unterschiedliche Persönlichkeiten. Aber ich denke, dass wir uns höllisch respektieren“, meinte Kyrgios nun dazu und gab sich versöhnlich. Tatsächlich wirkt er trotz aller Ausbrüche auf dem Platz deutlich gereift. Statt wie früher Party zu machen, ruht er sich nun zwischen den Matches vor allem aus. „Ich denke, ich bin erwachsener geworden“, sagte er und erinnerte an frühere Zeiten, als er vor einem Nadal-Match von seinem Agenten um 4 Uhr nachts aus dem Pub geholt worden sei.

In Australien muss Kyrgios demnächst vor Gericht

Diesmal gehört sein Fokus fast komplett dem Tennis. Dabei hatte er noch vor nicht allzu langer Zeit über mentale Probleme gesprochen und darüber, seine Karriere womöglich sogar zu beenden. „Ich hatte die Liebe, das Feuer, den Funken verloren. Aber dann haben sich ein paar Dinge in meinem Leben geändert und so habe ich herausgefunden, dass es viele Leute gibt, die wollen, dass ich spiele. Ich habe noch eine Menge im Tank“, erzählte er und sprach davon, in seiner Karriere noch nie so gut Tennis gespielt zu haben.

Damit er das auch im Finale abrufen kann, muss er allerdings Dinge ausblenden, die in seiner Heimat auf ihn warten. Dort steht für ihn demnächst ein Gerichtstermin an. Es geht um einen Vorfall „im Zusammenhang mit einer häuslichen Beziehung“, wie sein Anwalt mitteilte. Kyrgios selbst wollte sich dazu in Wimbledon nicht äußern.

Klar ist: Um Sport allein wird es beim Australier wohl nie gehen. Weil er es selbst so will – und weil ein ruhiges Leben gar nicht zu seinem Wesen passen würde.

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