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Mats Hummels schaut niedergeschlagen während des ersten EM-Spiels der DfB-Elf gegen Frankreich.

© Pool via REUTERS/Matthias Hangst

Update

Fehlstart zum EM-Auftakt: Deutschland verliert verdient mit 0:1 gegen Frankreich

Im ersten Spiel der Gruppe F in der Euro 2020 unterliegt Deutschland mit 0:1 gegen Weltmeister Frankreich. Den ersten Aufreger gab es bereits vor dem Anpfiff.

Dem Publikum auf den Rängen stockte der Atem, und da hatte das EM-Spiel zwischen Deutschland und Frankreich noch gar nicht begonnen. Die beiden Mannschaften standen zum Anstoß bereit, als ein Aktivist von Greenpeace an einem Fallschirm in die Münchner Arena einschwebte. Er kam ins Trudeln, konnte einen Absturz in die Ränge nur knapp verhindern, verletzte aber zwei unbeteiligte Personen.

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Auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist in ihrem Auftaktspiel der Europameisterschaft gehörig ins Trudeln geraten. Verletzt wurde niemand, schließlich ist es trotz allem nur ein Spiel. Aber die schöne gute Stimmung, die von der Mannschaft aus der Vorbereitung heraus ins Land getragen worden war, hat einen ziemlichen Dämpfer bekommen. 0:1 (0:1) unterlagen die Deutschen dem Weltmeister. Bei ihrer zwölften Teilnahme startete die Nationalmannschaft erstmals mit einer Niederlage in eine EM-Endrunde.

„Es war ein brutal intensives Spiel. Wir haben alles in die Waagschale geworfen, haben gefightet bis zum Schluss“, sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem Spiel. „Wir wussten, dass Frankreich extrem gut kontert. Da konnten wir nicht alles unterbinden. Aber kämpferisch kann ich der Mannschaft nichts vorwerfen, wir haben alles reingehauen. Was uns gefehlt hat, war die Durchschlagskraft im letzten Drittel.“

Löw hatte sich für exakt die Elf entschieden, die auch im letzten EM-Test vor einer Woche 7:1 gegen Lettland gewonnen hatte – und mit der ohnehin alle gerechnet hatten. Joshua Kimmich verteidigte im 3-4-3 auf der rechten Seite; das zentrale Mittelfeld, in dem der Münchner eigentlich zu Hause ist, besetzten Toni Kroos und Ilkay Gündogan.

Deutsches Spiel ohne Stringenz und erkennbaren Plan

Manche hatten gemutmaßt, dass es der deutschen Mannschaft mit den beiden Feinfüßlern Kroos und Gündogan in der Zentrale an der nötigen Widerstandskraft fehlen würde. Aber vor allem Kroos, der in der Doppelsechs den defensiveren Part übernahm, schmiss sich mit Verve in die Zweikämpfe, entschied viele Duelle für sich und war der vielleicht beste deutsche Spieler auf dem Platz. Gündogan hingegen gelang im Spiel nach vorne nicht allzu viel.

Doch damit verfügte er keineswegs über ein Alleinstellungsmerkmal. Dem deutschen Angriffsspiel fehlte es über weite Strecken an Stringenz und einem erkennbaren Plan. Die drei Offensiven – Thomas Müller, Serge Gnabry und Kai Havertz – fielen nur selten auf. Bis zu einer halbwegs gefährlichen Aktion dauerte es fast 40 Minuten. Gündogan gab der ersten Schuss Richtung französisches Tor ab, verfehlte das Ziel mit seinem Dropkick allerdings deutlich. Torhüter Hugo Lloris musste nicht eingreifen.

 Thomas Müller (l.) gegen den Franzosen Paul Pogba, Man of the Match der Partie.
Thomas Müller (l.) gegen den Franzosen Paul Pogba, Man of the Match der Partie.

© imago images/ULMER Pressebildagentur

Zum ersten Mal seit dem 8. März des vergangenen Jahres, seit exakt 464 Tagen also, durften wieder Zuschauer einem Fußballspiel in der Arena in München beiwohnen. 14.500 Menschen waren zugelassen, exakt 20 Prozent der eigentlichen Kapazität. „Das bringt Emotion rein“, sagte Löw vor dem Spiel im Interview beim ZDF.

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Es hörte sich zumindest schon mal wieder nach richtigem Fußball an, auch wenn man sich an die neue alte Normalität erst wieder gewöhnen muss. Dass das nach mehr als einem Jahr Pandemiealltag immer noch ein bisschen seltsam ist, zeigte sich auch in den Stunden vor dem Spiel.

Wo auch immer in der Münchner Innenstadt Gruppen singender Fans, sowohl deutsche wie französische, auftauchten, wurden sie bestaunt wie ein rot-gold-gestreifter Elefant. Und jede Ansammlung freudig gestimmter Anhänger schien ein eigenes Kamerateam hinter sich her zu ziehen, das die komischen Gestalten für die Nachwelt festhielt.

Eigentor von Hummels bleibt einziges reguläres Tor

Im Stadion waren es die Franzosen, die zuerst jubeln konnten. Nachdem Paul Pogba den Ball nach einer Ecke noch über das Tor gesetzt hatte und Manuel Neuer gleich darauf einen Schuss von Kylian Mbappé zur Ecke hatte abwehren können, war Deutschlands Torhüter kurz danach gegen den wuchtigen Schuss unter die Latte machtlos – unfreiwillig abgefeuert von seinem Kollegen Mats Hummels. Nach einer grandiosen Seitenverlagerung Pogbas aus dem Stand hatte Lucas Hernandez den Ball so scharf in die Mitte gepasst, dass Hummels nicht mehr gezielt reagieren konnte.

„Da kann man ihm keinen Vorwurf machen. Das ist Pech. Der Ball von außen kommt scharf. Vielleicht hätten wir den Einwurf früher verteidigen können. Aber für Mats war es schwer, den Ball zu klären“, kommentierte Löw das Eigentor später.

Mats Hummels beim Eigentor gegen Torwart Manuel Neuer. Der Franzose Kylian Mbappe (mitte) schaut dem Ball hinterher.
Mats Hummels beim Eigentor gegen Torwart Manuel Neuer. Der Franzose Kylian Mbappe (mitte) schaut dem Ball hinterher.

© imago images/MIS

Der Innenverteidiger aus Dortmund legte den Kopf in den Nacken, murmelte „Scheiße“ vor sich hin, und bekam einen aufmunternden Klaps von seinem Kapitän Neuer auf den Rücken. Es war eine bittere Pointe, dass ausgerechnet der Spieler sein Team in Rückstand gebracht hatte, mit dessen Rückkehr so große Hoffnungen verbunden waren.

Über zweieinhalb Jahre war Hummels von Löw nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert worden, und bei jeder sich bietenden Gelegenheit musste sich der Bundestrainer fragen lassen, ob er seine Entscheidung nicht endlich revidieren wolle.

[Mehr zum Thema: Die Jogi-Jahre: So entscheidet die Fußball-EM über Joachim Löws Erbe (T+)]

Bei Thomas Müller war es genauso. Auch der Münchner stand gegen die Franzosen in der Startelf, aber auch er erfüllte die hohen Erwartungen nicht, wirkte fahrig, ohne Bindung ans Spiel. Doch das galt für die gesamte deutsche Offensive.

Immerhin hatte Gnabry kurz nach der Pause die erste gute Chance. Nach einer Flanke des sonst eher unglücklichen Linksverteidigers Robin Gosens kam er am langen Pfosten zum Schuss, setzte den Ball aber über die Latte. Die Deutschen rückten nun insgesamt höher auf, eroberten früher die Bälle – liefen aber auch Gefahr, ausgekontert zu werden. So hatten sie Glück als Adrien Rabiot den Pfosten traf und zwei Tore der Franzosen wegen knapper Abseitsstellungen nicht gegeben wurden.

Zwanzig Minuten vor dem Ende brachte Löw mit Timo Werner und Leroy Sané zwei frische Offensivkräfte. Am Einsatz mangelte es dem deutschen Team nicht, aber an einer Idee – und letztlich wohl auch an der Klasse, um den Weltmeister ernsthaft zu gefährden. „Wir haben es nicht geschafft, uns richtig Torchancen rauszuarbeiten. Frankreich war richtig stark. Das 1:0 hat denen brutal in die Karten gespielt“, sagte Kimmich nach dem Spiel. „Wir haben es irgendwie verpasst, komplett ins Risiko zu gehen und noch mehr auf das 1:1 zu drücken. Unter dem Strich war es dann doch zu wenig.“

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