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Die Zukunft von Viktoria 89 ist völlig offen. Sicher ist nur, dass am Sonntag das Pokalspiel bei Polar Pinguin stattfindet.

© imago/Sebastian Wells

FC Viktoria 89: Dem Terminkalender ist Insolvenz egal

Momentan ist völlig offen, wie es beim Regionalligisten weitergeht. Trotz des Insolvenzantrags ruft aber die Pflicht.

Der Fußballplatz in der Tempelhofer Markgrafenstraße gehört zu den unscheinbaren in der Stadt. Kunstrasen, keine Tribünen, hinter dem einen Tor stehen Mietshäuser, in der Ferne ist das Ullsteinhaus zu sehen. Hier trägt Polar Pinguin seine Heimspiele in der Kreisliga A aus. Und am Sonntag um 14 Uhr das „Highlight des Jahres“, so heißt es in einer Ankündigung des Vereins: Achtelfinale im Berliner Landespokal gegen den Fußball-Regionalligisten FC Viktoria 89. An sich eine Pflichtaufgabe für Viktoria bei einem fünf Klassen tiefer spielenden Gegner, die vor Weihnachten noch abzuarbeiten ist. „Wir werden uns normal auf dieses Spiel vorbereiten und wollen ins Viertelfinale einziehen“, sagt Sportdirektor Rocco Teichmann. Doch normal ist seit Donnerstag nichts mehr bei Viktoria.

In einem Offenen Brief an die Mitglieder teilte der Vorstand mit, dass der Verein einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Charlottenburg eingereicht hat. Knapp sieben Monate, nachdem der geplante Einstieg der Advantage Sports Union (ASU) des chinesischen Milliardärs Alex Zheng für großes Aufsehen gesorgt hatte.

Die Spekulationen über Viktorias Zukunftspläne kannten kaum Grenzen: Dritte Liga? Bundesliga sogar? Der Bau eines neuen Stadions? Alles hinfällig seit Donnerstag. „Auch wenn wir jetzt externe Einflüsse haben, die nicht einfach sind, versuchen wir uns im sportlichen Bereich auf das Spiel zu konzentrieren“, sagt Teichmann zur Begegnung bei Polar Pinguin. Der sportliche Bereich ist sein Aufgabengebiet. Zu allem anderen möchte er sich nicht äußern.

Zehn Tage Zeit

Informationen, wie es weitergeht, waren auch von anderen Verantwortlichen des Klubs am Freitag nicht zu erhalten. „Gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter werden alle weiteren Maßnahmen in Bezug auf Arbeitsverträge von Mitarbeitern und Spielern erarbeitet“, heißt es in der Mitteilung. Inwieweit der Spielbetrieb der ersten Männermannschaft in der Regionalliga Nordost fortgeführt wird, könne noch nicht beantwortet werden. Nach Angaben von Wilfried Riemer, Leiter des Spielbetriebs beim Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV), muss Viktoria „uns schriftlich informieren und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens offiziell anzeigen“. Dafür habe der Verein zehn Tage Zeit. Die Folgen regelt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Paragraf 6 seiner Spielordnung: neun Punkte Abzug in der laufenden Saison. Früher stand ein Verein schon bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als erster Absteiger fest. Das hat der DFB im Jahre 2014 geändert.

Durch den Punktabzug würde Viktoria in der Tabelle nur von Platz sechs auf Rang neun abrutschen, allerdings beträgt der Vorsprung auf den vorletzten Platz dann lediglich noch drei Zähler. Das nächste Spiel in der Liga findet am 10. Februar gegen Schlusslicht Optik Rathenow statt. Es gilt abzuwarten, wer dann von der Mannschaft, die zuletzt fünf Mal in Folge nicht verloren hat, noch da ist.

Die Regionalliga ist das eine, aber Viktoria ist auch der Verein mit der größten Jugendabteilung Deutschlands. Insgesamt hat der Klub rund 70 Mannschaften im Spielbetrieb. Das alles soll erhalten bleiben. Darauf setzt auch der Berliner Fußball-Verband. „Wir hoffen, dass der Verein seine Hausaufgaben macht, der Spielbetrieb und der Breitensport fortgeführt wird und Viktoria bald wieder in ruhiges Fahrwasser kommt“, sagt Geschäftsführer Kevin Langner.

Die aktuelle Entwicklung ist der Tiefpunkt der vergangenen anderthalb Jahre, in denen nie Ruhe herrschte. Für die Saison 2017/18 lautete das Ziel, um den Aufstieg mitzuspielen. Im Winter folgte die Korrektur: Mit deutlich weniger finanziellen Mitteln ging es nur um den Klassenerhalt. Das Ziel erreichte die Mannschaft. Im Mai folgte die spektakuläre Wendung mit dem Einstieg der ASU.

Ausbleibende Zahlungen des Investors

Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Juni wurde mit riesiger Mehrheit die Ausgliederung des Regionalliga-Teams und die Gründung einer Kapitalgesellschaft beschlossen. Der Weg schien frei. Danach war jedoch auch auf Nachfrage kaum noch etwas zu hören in dieser Angelegenheit. Ende Oktober stieg eine Vermarkterfirma ein. „Ein weiterer Meilenstein“, nannte das der Verein. Stattdessen nun der Insolvenzantrag. Grund seien „ausbleibende Zahlungen des chinesischen Investors“, schreibt Viktoria.

Große Träume hatten in Berlin schon zahlreiche Klubs. Viele endeten im Frühstadium, andere erst später. Doch geplatzt sind sie fast immer. Tennis Borussia etwa plante Ende der neunziger Jahre mit der „Göttinger Gruppe“ Spektakuläres. Der Erfolg war zunächst da, aber am Ende stand der Zwangsabstieg aus der Zweiten Liga. Später rauschte TeBe begleitet von immer wiederkehrenden finanziellen Turbulenzen in die Sechstklassigkeit, ist aktuell Zweiter in der Oberliga. In den achtziger Jahren gab es die Verbindung von Blau-Weiß 90 mit dem dubiosen Geschäftsmann Konrad Kropatschek. Blau-Weiß schaffte es 1986 sensationell in die Bundesliga – und fiel ganz tief: Konkurs 1992, Neugründung unter anderem Namen, Kreisliga C. Inzwischen spielt Blau-Weiß wieder unter dem alten Namen in der Oberliga. Jetzt also Viktoria. Da ist das Ende noch völlig offen.

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