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Zugig und eher ungemütlich. Die 3300 Zuschauer fassende Halle in Mellendorf ist die Heimat der Scorpions.

©  Florian Petrow

Ex-Meister in der Eishockey-Oberliga: Die Scorpions sind oldschool auf dem Dorf

Bei den Hannover Scorpions erinnert nur noch wenig an die großen Zeiten. Mittlerweile spielt der Verein vor rund 1000 Zuschauern – und ist damit glücklich.

Von Christian Otto

Der Duft in diesem engen Kabinengang, in dem alles begonnen hat, ist immer noch furchtbar. Hier föhnen sie den Schweiß hinfort, der sich tief in ihren Handschuhen festsetzt. Wer sich als Zuschauer traut, geht einfach mal rechts an der Kneipe vorbei und riskiert einen Blick hinter die Kulissen eines Vereins, der keinerlei Berührungsängste mehr hat. Denn die Hannover Scorpions, 2010 bis zum Deutschen Meister aufgestiegen, sind zurück auf ihr Normalmaß geschrumpft. Und sie fühlen sich in der Oberliga Nord wohl. Gespielt wird nicht mehr in Hannover, sondern in Mellendorf, das zur ländlich geprägten Gemeinde Wedemark gehört. „Kühe, Schweine, Wedemark“ – diesen spöttischen Schlachtruf haben die Scorpions auf ihrem Weg nach oben lange ertragen. Er ist als Ritual geblieben, das Spieler und Fans stolz macht.

Der Besuch eines normalen Scorpions-Heimspiels fühlt sich wie eine Zeitreise an. Anfang der 90er Jahre hatte dieser freche niedersächsische Verein beschlossen, sich zielstrebig dem elitären Sport anzunähern. Sie kauften vor allem lebenslustige Profis aus Kanada ein – zum Teil mit Erfahrung aus der NHL. Sie waren kein normaler Klub, sondern ein von der Familie Haselbacher geführter Verein. Es gab Pasta-Abende bei Präsident Jochen Haselbacher daheim, bei denen seine Gattin kochte. Sohn Eric Haselbacher war als Hallensprecher, Sportdirektor und Querulant in Personalunion dem etablierten Eishockey ein Dorn im Auge. Wer fährt schon gerne von Köln, Berlin oder Mannheim aus nach Mellendorf, um in einem piefigen Stadion auf das dörfliche Glatteis geführt zu werden?

Dass es die früheren Wedemark Scorpions nach diversen Umbenennungen, Kapriolen und Streitigkeiten mit dem Establishment 1996 bis in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) schafften, war vielen Toren, so mancher motivierenden Spielerparty und dem Umzug nach Hannover in eine größere Halle zu verdanken. Die böse Frage bleibt: Was hat all das gebracht, wenn man es bis nach ganz oben schafft, mit einer Trainerlegende wie Hans Zach Meister wird und später kleinlaut in seine dörfliche Heimat zurückkehren muss?

Es wird wieder gerechnet

Unter den rund 1000 Zuschauern, die sich durchschnittlich die Heimspiele der Scorpions ansehen, stellen sich die wenigsten die Frage nach dem Sinn. „Eishockey ist nicht mehr das Allerwichtigste für uns. Aber der Antrieb ist immer noch da“, sagt Eric Haselbacher. Aus dem einstigen Enfant terrible ist ein Familienvater geworden. Als Gastronom der Vereinsgaststätte und Geschäftsführer der Scorpions darf er einen Etat von rund 750.000 Euro verantworten. Das ist im Vergleich zum Abenteuer DEL, das sich in Hannover auf Dauer nicht finanzieren ließ, nur Kleinkram. Und doch wird schon wieder ganz vorsichtig nachgerechnet, wie viel Geld bei einem Aufstieg in die DEL 2 notwendig wäre.

Sportlich läuft es in dieser Saison ordentlich. Vor dem Heimspiel an diesem Sonntag um 19 Uhr gegen das Schlusslicht ECC Preussen stehen die Scorpions auf Platz drei in der Tabelle der Oberliga Nord. Da macht Träumen Spaß, auch wenn der Abschied aus der ersten Liga seinerzeit keine gute Erfahrung war. Die DEL-Lizenz der Scorpions musste 2013 an die Schwenninger Wild Wings verkauft werden. Der Ruhm des Meistertitels war am Ende zu teuer erkauft worden und hatte einen Schuldenberg verursacht.

Von den aktuellen Spielern der Hannover Scorpions wird kaum noch jemand wissen, woher der Name ihres Vereins wirklich stammt. In der Gemeinde Wedemark, rund 25 Kilometer nördlich von Hannover gelegen, leben bis heute die wichtigsten Bandmitglieder der Rockband Scorpions. Sänger Klaus Meine und Gitarrist Rudolf Schenker fanden es irgendwann einmal witzig, dass ein Puckklub vor Ort ihren Namen für sein Logo nutzen darf. Eines Tages traf man sich deshalb aber doch vor Gericht. Und die schöne Idee, dass die schwerreichen Musiker den kleinen Landverein finanziell unterstützen, löste sich vor lauter Zoff wieder in Luft auf.

Zugig, ungemütlich, ehrlich

Das 3300 Zuschauer fassende Stadion in Mellendorf ist zugig, eher ungemütlich und doch eine schöne Basis für ehrliches Eishockey. Am meisten freuen sie sich bei den Scorpions, wenn sie ihrem Lokalrivalen Hannover Indians, momentan auf Rang zwei, ein Bein stellen können. Das Rahmenprogramm beim ehemaligen Meister ist auf das Niveau von dörflichem Fahnenschwenken dahingeschmolzen. Na und? Der Verein hat seine Mitte und damit auch seine Heimat wiedergefunden.

Einen ehemaligen Abstellraum im Stadion haben die Spieler in Eigenregie in einen Fitnessraum verwandelt. So manches nostalgische Foto erinnert in den Gängen an Triumphe in der DEL. Aber auf dem Lorbeer von damals liegt längst eine dicke Staubschicht. „Wir sind hier wieder ein wenig oldschool“, sagt Scorpions-Macher Eric Haselbacher. „Aber wir brauchen bei uns auch keine teuren Trainer mit Lackschuhen mehr, sondern wollen vor allem eine gute Zeit haben.“

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