zum Hauptinhalt
Ohren gespitzt: Anthony Ujah hat eine klare Botschaft.

© Soeren Stache/dpa

„Es gibt noch viel zu machen“: Anthony Ujah fordert mehr Diversität in der Bundesliga

Die solidarischen Aktionen sind nur ein Anfang: Auch auf Führungsebene muss laut Unions Angreifer im Kampf gegen Rassismus noch mehr passieren.

Ein Tor konnte er am Wochenende nicht schießen, und trotzdem ist Anthony Ujah froh gerade. Froh, weil er immerhin ein im Abstiegskampf wichtiges Tor vorbereitet hat. Und froh, weil er im viel wichtigeren Kampf gegen Rassismus nach diesem Wochenende Fortschritte sieht: „Ich bin einfach froh darüber, was in der Welt momentan passiert. Natürlich nicht mit der Gewalt. Aber mit den Protesten und mit der Solidarität bin ich einfach glücklich“, sagte der gut gelaunte nigerianische Stürmer des 1. FC Union am Dienstag.

Am Samstag, als sich Tausende zum „Black Lives Matter“-Protest auf dem Alexanderplatz sammelten, erschien ein von Ujah geschriebener Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in dem der Stürmer seine Erfahrungen mit Rassismus schilderte und zu mehr Engagement aufrief: „Nichtstun ist das Problem. Die Lösung ist: etwas zu sagen, etwas zu tun“, hieß es darin.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

In der Bundesliga wurde am Wochenende dann etwas getan, wenn auch nur auf symbolischer Ebene. Vor mehreren Spielen, unter anderem der Partie zwischen Union und Schalke, nahmen alle Spieler an einem solidarischen Kniefall teil. Bei manchen Klubs trugen die Stars beim Aufwärmen antirassistische Botschaften auf ihren T-Shirts. 

Alles zu begrüßen, aber eben nur ein Anfang, sagte Ujah am Dienstag. „Es ist ein wichtiger Schritt, und es ist besser jetzt als früher. Aber das ist ein Thema, das uns seit Jahren beschäftigt. Es kann nicht sein, dass wir ein oder zwei Wochen etwas machen, und danach ist Schluss. Solche Aktionen sind super, aber es ist wichtig, dass unsere Botschaft tief in die Herzen von allen geht.“

Auch auf den Trainerbänken und um die grünen Tische des deutschen Fußballs brauche es Vielfalt und weniger Diskriminierung, und zwar auf allen Ebenen, sagte Ujah: „Mein persönlicher Wunsch ist es, dass es in den nächsten Monaten, Jahren und Jahrzehnten in jedem Bereich mehr Diversität gibt, ob beim Trainerstab oder beim Management.“

Denn die aktuellen Zahlen sind nach wie vor ernüchternd. In den höchsten drei deutschen Spielklassen gibt es bei 56 Vereinen mit Osnabrücks Daniel Thioune nur einen schwarzen Trainer. In den Aufsichtsräten und Vorständen der Bundesliga sitzen bis auf sehr wenigen Ausnahmen fast ausschließlich weiße Männer.

Voller Einsatz: Das gilt für Anthony Ujah nicht nur auf dem Platz.
Voller Einsatz: Das gilt für Anthony Ujah nicht nur auf dem Platz.

© Michael Sohn/REUTERS

Das ist ein Problem, das sich überall in Europa verfestigt. Anfang dieser Woche hat sich auch der englische Nationalspieler Raheem Sterling mit einer ähnlichen Botschaft geäußert: „Es gibt so um die 500 Spieler in der Premier League, und ein Drittel davon ist schwarz. Aber wir haben niemanden, der uns in der Hierarchie repräsentiert, niemanden von uns im Trainerteam.“

Ujah hingegen sieht das Problem nicht nur beim Fußball. Es sei „in vielen Bereichen“ und in „fast jeder Firma“ immer noch viel zu tun. „Wenn jemand für eine Position ausreichend qualifiziert ist, dann sollte das einfach akzeptiert werden, egal aus welchem Land er kommt und welche Hautfarbe er hat“, sagte er.

Der Nigerianer ist aber weiterhin optimistisch: „Keiner ist rassistisch geboren, und die Welt ist groß genug für uns alle. Ich bin mir sicher, dass die Zukunft besser wird als früher. Auch wenn es noch viel zu machen gibt.“

Zur Startseite