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Israel Gonzalez feierte am Sonntag mit Alba seinen ersten Titel als Cheftrainer.

© Jörg Carstensen/dpa

Erster Titel als Cheftrainer von Alba Berlin: Israel Gonzalez tritt aus Aitos Schatten

Es gibt kaum schwerere Aufgaben als die Nachfolge des großen Aito. Doch der Pokalsieg ist ein weiterer Emanzipationsschritt für Israel Gonzalez. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Die Beförderung vom Assistenten zum Cheftrainer ist eine tückische Angelegenheit im Sport. Man kennt Mannschaft und Umfeld, hat aber eine neue Rolle, mehr Verantwortung und mehr Druck. Wenn der Vorgänger dann auch noch eine Legende seiner Zunft wie Aito Garcia Reneses ist, steht der neue Chef vor einer unheimlich schwierigen Aufgabe. Auch in Israel Gonzalez' ersten Monaten als Headcoach von Alba Berlin schwebte sein Freund und Lehrmeister unsichtbar über den Dingen. Bei seinem ersten Spiel wurde Aito in der Halle offiziell verabschiedet - und Alba verlor.

Doch trotz eines schwierigen Saisonstarts und vieler Verletzungen sind Gonzalez und die Klubführung ruhig geblieben. Dafür wurden sie am Sonntag mit dem Pokalsieg belohnt. Zwar betonen sie beim nun alleinigen Rekordhalter immer wieder, dass sie Erfolg nicht allein an Titel festmachen, doch Gonzalez' erste Trophäe als Cheftrainer ist ein wichtiger Emanzipationsschritt. Der 47 Jahre alte Spanier tritt aus Aitos großem Schatten.

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Nach knapp einem halben Jahr in der Verantwortung ist klar zu erkennen, dass Gonzalez nicht nur eine jüngere Kopie der spanischen Trainerlegende sein will. Albas neuer Trainer, der schon in Spanien mit Aito zusammengearbeitet hatte und 2017 gemeinsam mit ihm nach Berlin kam, setzt zwar auf eine ähnliche Basketballphilosophie, vermittelt diese aber gelegentlich auf eine andere Art und Weise. Wo Aito vor allem Dogmatiker war, wählt Gonzalez einen pragmatischeren Ansatz. Er coacht von außen aktiver, nimmt mehr Auszeiten, legt mehr Wert auf die Verteidigung. Beide Trainer teilen ihr Idealbild von einem schnellen, uneigennützigen, variablen Basketball, doch Gonzalez scheint eher zu Kompromissen bereit zu sein.

Freund, Lehrmeister, Legende. Insgesamt sechs Jahre lang assistierte Israel Gonzalez dem großen Aito Garcia Reneses.
Freund, Lehrmeister, Legende. Insgesamt sechs Jahre lang assistierte Israel Gonzalez dem großen Aito Garcia Reneses.

© imago/Camera 4

Bestes Beispiel sind die zwei Heimspiele gegen Crailsheim. Vor acht Tagen nahm Alba den Gegner in die Liga mit wunderschönem Teambasketball auseinander und stellte mit 35 Assists einen neuen Vereinsrekord auf. Am Sonntag im Pokalfinale war von diesem schönen Spiel nicht viel übrig, der Gegner stellte die Berliner vor unheimliche Probleme, doch Alba kämpfte sich an die Freiwurflinie, ackerte um jeden Ball und zermürbte die starken Crailsheimer. Die Offensive basierte über weite Strecken auf der individuellen Qualität der Guards Maodo Lo und Jaleen Smith sowie der Energie in der Zone von Oscar da Silva. Schön war das nur ganz selten, aber letztlich effektiv - und in einer Saison mit einem derart anspruchsvollen Spielplan muss man bei der Ästhetik auch mal Abstriche machen.

Nachdem zu Saisonbeginn, als Alba vier der ersten sechs Spiele verlor und gegen Bonn um ein Haar in der ersten Runde aus dem Pokal geflogen wäre, hinter vorgehaltener Hand schon mal gezweifelt wurde, ob das mit Israel Gonzalez als Cheftrainer so gut funktionieren würde wie unter seinem Lehrmeister, ist der Name Aito in den letzten Monaten kaum noch zu hören. Das ist vermutlich der größte Erfolg von Israel Gonzalez, noch vor dem Pokalsieg.

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