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Triumph mit Benetton. Am 13. November 1994 feiert Michael Schumacher im australischen Adelaide.

© Melchert Harry/dpa

Erste Weltmeisterschaft jährt sich zum 25. Mal: Michael Schumachers erster Titel ist einer mit Schatten

Vor 25 Jahren holt Michael Schumacher seine erste von sieben Formel-1-Weltmeisterschaften. Doch sein Unfall mit Konkurrent Damon Hill ist höchst umstritten.

Der 13. November 1994 ist für Michael Schumacher ein besonderer Tag. Das letzte Rennen der Formel-1-Saison steht an, im australischen Adelaide läuft alles auf einen dramatischen Titelkrimi hinaus. Zwei Fahrer können noch Weltmeister werden: Michael Schumacher und Damon Hill.

Schumacher im Benetton-Renault gilt als Favorit, aber er hat eben nur einen Punkt Vorsprung auf Hill im Williams-Renault. 92:91 steht es, nachdem der Brite das vorletzte Rennen des Jahres in Japan gewonnen hat, in einer Regenschlacht, in der Schumacher und Benetton auf eine falsche Strategie gesetzt haben. Hill darf also nicht vor ihm ins Ziel kommen, zumindest nicht auf einem der vorderen Plätze, das ist die prickelnde Ausgangsposition.

Auf der Saison liegt nach dem Tod von Ayrton Senna ein Schatten

In Adelaide, bei schönem Wetter, auf einem Straßenkurs mit vielen eher langsamen Kurven, die der Charakteristik des Benetton entgegenkommen, wähnen die Experten Schumacher im Vorteil. Doch der scheint schnell dahin. Im Training und im Qualifying ist die bisherige Überlegenheit des Benetton auf solchen Strecken auf einmal weg, Schumacher tut sich erstaunlich schwer, fliegt einmal am Freitag sogar ziemlich heftig ab.

„Mein Auto ist noch nicht ganz so gut wie ich dachte, da muss ich halt auf’s Ganze gehen“, sagt er – und verliert den Kampf um die Pole Position knapp gegen den zweiten Williams von Nigel Mansell, Hill startet vom dritten Platz ins Rennen.

Vor dem Start am Sonntag gibt sich Schumacher ziemlich ruhig und gelassen, obschon er natürlich weiß, dass er in das „bisher wichtigste Rennen meiner Karriere“ gehen wird. Von einer besonderen Anspannung will er nichts wissen: „Alles läuft ab wie immer.“

Alte Rivalen. Michael Schumacher (l.) und Damon Hill, hier nach einem Rennen 1995 im japanischen Aida.
Alte Rivalen. Michael Schumacher (l.) und Damon Hill, hier nach einem Rennen 1995 im japanischen Aida.

© Harry Melchert/dpa

Prompt gewinnt er den Start gegen Mansell, ein Auftakt wie gewünscht – aber Hill sitzt ihm gleich ganz dicht im Nacken. Der Verfolger scheint sogar der schnellere Fahrer zu sein, was bei Zuschauern, Experten und Journalisten allgemeine Verwunderung auslöst. Schumacher meint später, dass auch ihn die verblüffenden Kräfteverhältnisse ziemlich überrascht hätten.

Später sickert auf inoffiziellen Kanälen durch, dass der Motorsport-Weltverband Fia beim Rennen zuvor in Japan im Benetton wohl eine verbotene halbautomatische Getriebesteuerung entdeckt haben soll. Es bleibt bei der Forderung an Benetton, selbige für den Grand Prix in Adelaide auszubauen – was den Leistungsverlust in Australien erklären könnte.

Von Sanktionieren gegen den Rennstall sieht die Fia ab. Schließlich will man sich das Saisonfinale nicht kaputtmachen lassen. Es liegt auch so schon ein dunkler Schatten auf der Saison 1994. Vor allem das Horrorwochenende von Imola mit den tödlichen Unfällen von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger geht als schwarzes Kapitel in die Jahresbücher ein.

Immer wieder Ärger gibt es rund um Benetton: Diskussionen um Unregelmäßigkeiten am Auto werden geführt; etwa um eine verbotene Traktionskontrolle, deren tatsächlicher Einsatz angeblich aber nicht nachweisbar ist.

Hinzu kommt die Flaggen-Affäre von Silverstone, als Schumacher eine Schwarze Flagge ignoriert und nicht, wie es das Reglement vorschreibt, innerhalb von drei Runden an die Box kommt. In Hockenheim wiederum bricht beim Nachtanken am zweiten Benetton von Jos Verstappen ein Feuer aus – weil das Team die Tankanlage manipuliert hatte.

Erst vorn, dann raus. Schumacher (vorn) sichert den WM-Titel durch ein umstrittenes Manöver gegen Damon Hill im Williams.
Erst vorn, dann raus. Schumacher (vorn) sichert den WM-Titel durch ein umstrittenes Manöver gegen Damon Hill im Williams.

© Melchert/dpa

In Adelaide aber geht es nur noch um Schumacher und Hill, die sich ein packendes Duell liefern. Die Entscheidung fällt in der 36. Runde. Schumacher, von Hill gejagt, landet an einer Mauer, fährt mit beschädigtem Auto auf die Strecke zurück und kollidiert in der nächsten Kurve mit seinem Titelrivalen, als der versucht, ihn zu überholen.

Schumacher ist sofort draußen, Hill probiert weiterzufahren. Doch schnell ist klar, dass nichts mehr geht, die Radaufhängung ist beschädigt. Hill muss aufgeben, der junge Schumacher ist zum ersten Mal Weltmeister.

Die Fia stuft den Zwischenfall als „normalen Rennunfall“ ein und unternimmt weiter nichts. Sofort branden Diskussionen auf. Viele Experten, vor allem Ex-Fahrer, sind überzeugt, dass Schumacher die Kollision suchte. „Er hat reingezogen, weil er wusste, dass es seine letzte Chance ist, Weltmeister zu werden, wenn er Hill mitnimmt“, sagt John Watson, damals Eurosport-Kommentator.

Der WM-Titel passt zur Saison 1994

So richtig Freude kommt jedenfalls bei kaum jemandem auf, auch wenn in der Benetton-Box der Champagner fließt. Schumacher weint, als er nach dem Ausfall von der Strecke zurückkommt. Später, als der Titel feststeht, wird er sagen: „Ich hatte Probleme mit der Lenkung und ich habe Damon einfach zu spät gesehen.“

Der Weltmeister weiß, dass noch weitere unbequeme Fragen kommen werden. Ein damals eng befreundeter Journalist gibt viele Jahre später zu, Schumacher den Ausweg gewiesen zu haben: „Widme den WM-Titel doch Senna“, soll der Ratschlag gelautet haben.

Zumindest an diesem Sonntagnachmittag in Adelaide überdecken die Emotionen um Senna die Frage, ob Schumacher zurecht ganz oben steht. Der erste von sieben WM-Titeln für Schumacher bleibt der mit den tiefsten Schatten. Er passt zur gesamten Saison 1994.

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