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Das ging schnell. Felix Magath saß am Samstag zum ersten Mal bei Hertha BSC auf der Bank - und lernte gleich die Probleme seines Teams kennen.

© IMAGO/Moritz Müller

Ernüchterung bei Felix Magath: Vor dem Derby sind bei Hertha BSC die Zweifel zurück

Der neue Trainer Felix Magath hadert bei der Niederlage in Leverkusen mit dem Auftritt seiner Mannschaft. Im Abstiegskampf braucht es mehr Aggressivität.

Falls sie bei Hertha BSC wegen Lücken im Kurzzeitgedächtnis vergessen haben sollten, was Abstiegskampf eigentlich bedeutet: Am Samstagnachmittag, um kurz vor fünf, gab es eine ebenso eindringliche wie schmerzliche Erinnerung. Abstiegskampf bedeutet: Man muss immer mit dem Schlimmsten rechnen. Selbst in scheinbar harmlosen Situationen.

Im konkreten Fall war es eine Szene, die sich gut 35 Meter vor dem Tor des Berliner Fußball-Bundesligisten zutrug. Robert Andrich, Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen, hatte den Ball, und er versuchte es tatsächlich mit einem Schuss aus dieser stattlichen Distanz. Der Ball blieb gleich am ersten Berliner Abwehrbein hängen – und richtete doch einigen Schaden an.

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Niklas Stark wurde so unglücklich am Fuß getroffen, dass der Bandapparat in Mitleidenschaft gezogen wurde. Kurz darauf humpelte Herthas Sechser mit fremder Hilfe vom Platz.

Für Hertha BSC kam am Samstag in Leverkusen wieder einiges zusammen: Marvin Plattenhardt, als Standardschütze zu neuem Ruhm gelangt, fiel kurzfristig aus; im Spiel erwischte es dann Torhüter Alexander Schwolow und später eben auch Niklas Stark.

Der Sieg gegen Hoffenheim vor der Länderspielpause, der Effekt des neuerlichen Trainerwechsels, die Erfahrung und die Ruhe von Felix Magath: All das hatte im aufziehenden Frühling auch bei Hertha zu einem Hauch von Euphorie geführt. Doch parallel zur Rückkehr von Schnee und Eis in Deutschland ist durch die 1:2-Niederlage gegen Bayer und den Rückfall auf einen direkten Abstiegsplatz auch die Stimmung in Berlins Westen zurück auf dem Nullpunkt. Es ist noch nicht vorbei!

Magath forderte mehr Einsatz

„Der Sieg gegen Hoffenheim hat vielleicht den einen oder anderen glauben lassen, dass das Gröbste überstanden wäre“, sagte Felix Magath. „Aber es ist noch ein weiter Weg bis zum Klassenerhalt.“ Die Zweifel sind zurück, und das ausgerechnet vor dem Derby am kommenden Wochenende gegen den 1. FC Union. „Das nächste Spiel ist ein sehr wichtiges – für uns, für die Fans, für die Tabelle“, sagte Vladimir Darida, der nicht nur wegen seines Anschlusstreffers kurz vor der Pause Herthas Bester in Leverkusen gewesen war.

Felix Magath gefällt sich eigentlich darin, seiner Umwelt Rätsel aufzugeben. Am Samstag, nach dem Spiel in Leverkusen, versuchte er es gar nicht erst. Der Realitätsschock, der auch schon seine Vorgänger Pal Dardai und Tayfun Korkut regelmäßig überkommen hatte, war selbst für ihn offensichtlich zu groß.

Tags zuvor hatte Magath seine Mannschaft noch über alle Maßen gelobt, ihr ein Arbeitsethos attestiert, das er selbst nicht mehr für möglich gehalten hatte. In Leverkusen fühlte er sich dann offenbar hinters Licht geführt. Wobei seine Klage gegen das eigene Team ein wenig kryptisch daherkam. „Anstatt mitzuspielen, hätten wir mehr Einsatz bringen müssen“, sagte Magath. „Ich denke, dass wir das jetzt verstanden haben.“

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Am Einsatz hatte es eigentlich nicht gemangelt. Hertha lief elf Kilometer mehr als die Leverkusener, hatte lange die bessere Zweikampfbilanz, ehe sie am Ende knapp zugunsten der Gastgeber ausfiel. Die Mannschaft präsentierte sich auch deutlich stabiler als in der Prä-Magath-Zeit. Leverkusen kam gegen die gut organisierte Defensive Herthas nur zu wenigen guten Chancen.

Magaths Vorwurf, seine Mannschaft habe mitspielen wollen, mutete allerdings etwas seltsam an. Denn spielerische Elemente gingen dem Vortrag von Hertha BSC vollkommen ab. Wie soll man auch spielen, wenn der Ball ausschließlich beim Gegner ist? Was Magath offenbar vermisst hatte, waren mehr Verve, mehr Aggressivität, das klare Ziel, dem Gegner weh zu tun, ihn zu ärgern, zu piesacken, eklig zu sein.

Magath nimmt die Spieler in die Pflicht

Die Leverkusener haben einen Spieler, der auf dem Platz eklig ist, der seine Gegenspieler piesackt und kein Problem damit hat, ihnen weh zu tun. Einen Spieler, der – schlimm genug – auch noch von Hertha ausgebildet worden ist und dann andernorts die nötige Anerkennung und sein Glück gefunden hat. Robert Andrich war also ein perfekter Kronzeuge für Magaths Klage, und sein Urteil über Hertha fiel vernichtend aus. „Wenn sie wie heute spielen, wird es sehr, sehr schwer“, sagte er. „Viel fürs Spiel haben sie nicht getan. Meiner Meinung nach musst du schon kratzen und beißen und nicht nur die ganze Zeit hinfallen.“

Eine andere Haltung wird vor allem in den Duellen mit der direkten Konkurrenz – mit Bielefeld, Stuttgart und Augsburg – vonnöten sein, damit Hertha den Verbleib in der Bundesliga sicherstellt. Vor allem aber wird sie am kommenden Samstag im Derby gegen den 1. FC Union gefragt sein. Gäbe es ein besseres Spiel, um aggressiv und eklig zu sein?

Als Felix Magath die Mannschaft am Morgen nach der Niederlage in Leverkusen auf dem Trainingsplatz um sich versammelte, sagte er zu den Spielern: „Ihr habt euch selbst in diese Situation gebracht, ich war das nicht. Ihr müsst euch da auch selbst wieder rausholen. Packt diese Chance!“ Eine bessere Gelegenheit als das Derby kann es gar nicht geben.

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