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Unions Kevin Schlotterbeck (l), Florian Hübner (r) und Christopher Schlotterbeck freuen sich über den Sieg.

© dpa

Erfolgreicher Mauerfußball: Der 1. FC Union macht in der Bundesliga Fortschritte

Kaum ein Bundesligist schafft es noch, Union mit spielerischen Mitteln zu überraschen. Dabei ist das Rezept der Berliner inzwischen ein altbekanntes.

Von David Joram

Eines hatte Florian Kohfeldt seinen Spielern am Samstag voraus. Der Fußballtrainer des SV Werder Bremen führte seine Zweikämpfe kompromisslos, als er nach der 0:2-Niederlage seiner Mannschaft gegen den 1. FC Union viele Fragen beantworten musste. Kohfeldts Krisenkommunikation, die nach dem Abrutschen auf einen direkten Abstiegsplatz nötiger denn je in dieser Werder-Saison war, sah vor, die eigenen Fehler ehrlich einzugestehen – und andererseits die Stärken des Gegners zu betonen, des 1. FC Union also. Für Kohfeldts Strategie sprach, dass er für beide Stränge viele Argumente anführen konnte.

„Wir haben es zu keinem Zeitpunkt des Spiels geschafft, das zu tun, was wir wollten“, sagte der Bremer Trainer, „wir wollten viel mehr über die Flügel spielen, weil wir schon geahnt haben, dass Union das Zentrum zustellen würde.“ Warum all diese schönen Pläne misslangen, führte Kohfeldt auch aus: Seine Spieler hätten es nie geschafft, so viel Druck aufzubauen, dass auch wirklich Stress entstanden wäre.

Das Team geht über alles

Wobei – und vor allem dies spricht für Union – es den Berlinern auch gar nicht einfallen wollte, sich stressen zu lassen. „Es hat einiges gepasst“, sagte Innenverteidiger Florian Hübner über eine Leistung, die erstaunlich reif und abgezockt wirkte. Das Spiel in Bremen durften sich die Gäste als weiteren großen Schritt in ihrer Entwicklung anrechnen lassen.

Die Aufgabe war ja durchaus eine ambitionierte gewesen, nämlich bei einem so stolzen Klub wie dem SV Werder zu bestehen. Das gelang Union. Neun Punkte liegen die Berliner nun schon vor dem Relegationsplatz, mit einer Art von Fußball, über den manche Experten spötteln, es handele sich um Mauerfußball. Nicht ganz falsch ist, dass die Berliner spielerische Komponenten eher hintenanstellen.

Trainer Urs Fischer legt viel Wert auf Teamarbeit, weshalb er den Doppeltorschützen Marius Bülter nicht über alle anderen heben wollte. „Solidarisch“, nennt es Fischer, wenn etwa Stürmer Sebastian Andersson kaum zu Torchancen kommt, nach hinten aber so engagiert mitarbeitet, als sei er gelernter Verteidiger.

Und so war gegen Bremen wieder eine kompakte Berliner Mannschaft zu beobachten, in der ein Defensivteilchen ins andere griff, von Verteidiger Florian Hübner bis Angreifer Andersson. Dass Letzterer keinerlei Probleme mit Abwehrarbeit hat, beweist die Verlängerung seines Vertrages. Wie schwer es gewesen sei, diesen fortzuführen, verriet Manager Oliver Ruhnert bei Sky: „Gar nicht. Wir zahlen einfach mehr Geld und fertig.“

So geradeaus wie ihr Manager tritt Union auch auf dem Platz auf, kompakt, kompromisslos und effizient. Dieser Stil reüssiert in der Liga. Kaum ein Bundesligist schafft es, Union mit spielerischen Mitteln zu überraschen, der eiserne Code hält. Dabei ist das Rezept der Berliner inzwischen ein altbekanntes, Stichwort: Mauerfußball.

Für den Trainer Urs Fischer, der mit derlei Begrifflichkeiten wenig sympathisiert, spricht, dass die Spielweise immer ausgereifter wirkt. Das sieht dann zwar selten schön aus, bringt aber Erfolg. Und weil nach Otto Rehhagel modern ist, was Erfolg bringt, war der Fortschritt des 1. FC Union in Bremen ein gewaltiger.

Dem Gegner die Spielfreude rauben

Im Hinspiel, das ähnlich destruktiv begonnen hatte, hatten die Köpenicker irgendwann die Übersicht verloren. Das Spiel ist ihnen damals förmlich entglitten zwischen all der Hektik und den vielen Unterbrechungen. Dazu hatte sich Neven Subotic, der eigentlich erfahrene Innenverteidiger, noch einen Platzverweis eingehandelt.

Nun, im Rückspiel, verlor der Gegner die Übersicht. Man habe sich von der „sehr cleveren Spielweise“ der Berliner ausbremsen lassen, sagte Werder-Trainer Florian Kohfeldt. „Dadurch ist die Energie, die wir uns am Dienstag erhofft hatten, Stück für Stück weggegangen. Wir haben dann den größten Fehler gemacht und auch noch den Kopf verloren.“

Dass die durchaus vorhandenen Ballkünstler im Bremer Team es so selten schafften, kreative Momente und Lösungen zu erspielen, war vor allem ein Verdienst der abgeklärten Berliner Spielweise. Mit kleinen Fouls und beherzt geführten Zweikämpfen raubten die Unioner ihren Gegenspielern die Spielfreude.

Kapitän Christopher Trimmel zum Beispiel setzte dem flinken Milot Rashica immer wieder energisch nach, auch Leonardo Bittencourt oder Yuya Osako konnten sich kaum entfalten, vom Ex-Herthaner Davie Selke ganz zu schweigen. Ständig trafen sie auf solidarische Arbeiter, auf einen 1. FC Union in Reinform.

Christian Gentner sah am Samstag dennoch keinen Grund, spontane Nichtabstiegspartys zu initiieren. „Ich glaube, mit 26 Punkten steigen wir ab. Wir wissen alle, wie schwierig es ist, Wochenende für Wochenende überhaupt einen Punkt mitzunehmen oder mal drei. Das heißt, wir brauchen noch ein paar“, sagte Unions Mittelfeldspieler. So cool wie er und seine Mitspieler das 2:0 über die Runden brachten, dürfte dies aber nur noch eine Frage der Zeit sein.

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