zum Hauptinhalt
Alleingelassen. Mit seiner Demission hat Christian Prokop offenbar nicht gerechnet.

© picture alliance/dpa

Entlassung von Handball-Bundestrainer Prokop: Das schmutzige Ende einer schwierigen Beziehung

Alfred Gislason folgt auf den entlassenen Handball-Bundestrainer Christian Prokop. Der dürfte schlecht zu sprechen sein auf den Verband.

Je nach Fahrstil dürfte Alfred Gislason nicht sehr lange unterwegs sein, eine Stunde in etwa, vielleicht auch eineinhalb. Aus dem Magdeburger Umland, wo sich der Isländer nach dem Karriereende als Vereinstrainer niedergelassen und Rosen gezüchtet hat, sind es bis nach Hannover nur 150 Kilometer, der Großteil davon Autobahn ohne Tempolimit.

In der niedersächsischen Landeshauptstadt wird Gislason, 60, am Freitagmorgen in neuer Funktion vorgestellt: Wie der Deutsche Handball-Bund (DHB) am späten Donnerstagnachmittag bekannt gab, tritt der langjährige Erfolgstrainer des THW Kiel die Nachfolge von Christian Prokop an. Gislason erhält einen Vertrag bis 2022 und nimmt seinen Job offiziell ab 9. März mit dem Nationalmannschafts-Lehrgang in Aschersleben auf. Sein erstes Länderspiel als Bundestrainer wird er am 13. März gegen die Niederlande bestreiten.

Nach der EM stand der DHB noch hinter Prokop

Zwölf Tage nach dem letzten Spiel der Europameisterschaft, die für Prokop und das deutsche Team mit einem vermeintlich versöhnlichen fünften Platz zu Ende gegangen war, sorgte die Entscheidung am Donnerstag für allgemeines Erstaunen.

Während des Drei-Länder-Turniers in Norwegen, Schweden und Österreich hatten sich DHB-Spitze und Mannschaft noch demonstrativ hinter Prokop gestellt. Mit ein bisschen Abstand durfte der nunmehr ehemalige Bundestrainer zu seiner Verteidigung zudem das Argument ins Feld führen, dass sein Team bei der EM zwei von acht Begegnungen verloren hatte – gegen Spanien und Kroatien, die beiden Finalisten also.

Prokops Zukunft beim DHB schien gesichert. „Die Trainerdiskussion wurde nicht von uns aufgemacht, sondern medial“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Sportvorstand Axel Kromer ergänzte: „Wir werden natürlich mit Christian Richtung Olympia gehen, weil wir überzeugt davon sind, mit ihm einen hervorragenden Weg eingeschlagen zu haben.“

Keine zwei Wochen später hörte sich das in der am Donnerstag verschickten Mitteilung ganz anders an. „Wir haben diese schwere Entscheidung nach reichlicher Abwägung und einer ganzheitlichen Analyse aus Verantwortung für den deutschen Handball getroffen“, wurde DHB-Präsident Andreas Michelmann zitiert, der sich explizit bei Prokop bedankte. „Wir sind allerdings auch davon überzeugt, dass wir unsere kurzfristigen Ziele nur mit einem neuen Impuls erreichen können.“

Für das Olympia-Qualifikationsturnier vom 17. bis 19. April in der Berliner Max-Schmeling-Halle und darüber hinaus sei Gislason mit all seiner Erfahrung und seinen Referenzen genau der richtige Mann. Die Kehrtwende des Verbands sorgte allerdings umgehend für Kritik.

Der ehemalige Nationalspieler und DHB-Rekordtorschütze Christian Schwarzer etwa sagte: „Ich bin sprachlos. Vor allem die Art und Weise, wie da mit Menschen umgegangen wird, kann ich nur ganz schwer nachvollziehen. Eigentlich sollte der gehen, dessen Projekt das war, der das damals initiiert hat, mit Ablösesumme und allen anderen Nebengeräuschen.“ Ein Seitenhieb gegen DHB-Vize Hanning, der Prokop einst gegen viele Widerstände als Bundestrainer durchgesetzt hatte, obwohl diesem jegliche Erfahrung auf internationalem Niveau fehlte.

Kapitän Uwe Gensheimer äußert Unverständnis

Dass der DHB obendrein die Rekordablösesumme von 500.000 Euro an seinen vormaligen Klub überwies, den SC DHfK Leipzig, machte die Sache für Prokop nicht leichter. Auch Ex-Nationalspieler Martin Schwalb, der heute als Experte für den Pay-TV-Sender Sky arbeitet, nannte den Vorgang „schlichtweg unwürdig“.

Nach Tagesspiegel-Informationen soll Gislason dem DHB ein Ultimatum gestellt haben, auf das der Verband nun reagierte. Offenbar lagen dem Isländer, der in den 80er Jahren zwei Mal mit dem TuSEM Essen die deutsche Meisterschaft gewann und später den SC Magdeburg und den THW Kiel zu großen Erfolgen wie dem Champions-League-Sieg führte, Angebote aus anderen Ländern vor – es wäre zumindest eine mögliche Erklärung dafür, dass der Verband seine Segel am Donnerstag gewissermaßen unter veränderten Windrichtungen neu setzte.

Kapitän und Trainer. Uwe Gensheimer war in die Entscheidung gegen Christian Prokop nicht eingeweiht.
Kapitän und Trainer. Uwe Gensheimer war in die Entscheidung gegen Christian Prokop nicht eingeweiht.

© Imago/Bildbyran

Uwe Gensheimer, Kapitän der Nationalmannschaft, reagierte am Donnerstag mit Unverständnis auf die Entscheidung. „Ich war geschockt, als ich die Nachricht bekommen habe. Ich hatte überhaupt keine Ahnung davon und war sprachlos im ersten Moment, weil ich niemals damit gerechnet hätte und es aufgrund der Ergebnisse auch nicht für nötig gehalten habe“, sagte der 33 Jahre alte Linksaußen von den Rhein-Neckar Löwen.

Auch Prokop selbst soll von seiner Demission überrascht worden sein. Offensichtlich ahnte der 41-Jährige nicht, was die DHB-Oberen bei ihrer turnusmäßigen Präsidiumssitzung ausgeklügelt hatten. Selbst im Laufe des Abends gab es keine Stellungnahme von Prokop. Nach all den vermeintlichen Treuebekenntnissen, nach all der öffentlichen Unterstützung, die am Ende nichts wert war, konnte man ihm das wirklich nicht verübeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false