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Zwischen leidenschaftlich und feindschaftlich. Einige Union-Fans fremdeln mit der fremdsprachigen Anhängerschaft.

© dpa

Englischsprachige Anhänger des 1. FC Union: Sie schimpfen sie Hipster und Eventfans

Der 1. FC Union hat mittlerweile auch viele Anhänger aus anderen Ländern. So mancher Union-Fan findet das überhaupt nicht gut.

Von David Joram

Wenn der 1. FC Union am Mittwochabend bei Bayer Leverkusen den Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals schaffen will, werden die Fußballfans John Richter und Julio Furtado ihre Mannschaft nicht unterstützen. Termine unter der Woche sind für beide meistens schlecht gewählt. Furtado wohnt und arbeitet in Amsterdam, Richter nahe London – Anfahrt oder Anflug sind in ihren Fällen mit dem Job schwer zu kombinieren.

Wenn es nach manchen Union-Fans geht, ist es auch besser so, dass beide am Mittwoch keine Gesänge von der Gästekurve aus mittragen können. Obwohl Richter und Furtado den Köpenicker Klub lieben und verehren wie zigtausend andere Menschen, werden sie von Einzelnen angepöbelt und angegangen – offenbar weil sie eben Englisch sprechen.

Spätestens seit die Berliner im Mai erstmals in ihrer Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufgestiegen sind, ist das Interesse am Klub in bislang nie gekannte Dimensionen gestoßen. Manche Anhänger und Vereinsmitglieder, die Union schon länger verbunden sind, besorgt das. Andere reagieren aggressiv auf Menschen wie Richter und Furtado, die sie für Eventfans halten und Hipster schimpfen.

Beim vergangenen Auswärtsspiel der Berliner in Frankfurt sei es zu Anfeindungen gekommen, berichten beide unabhängig voneinander. „Ich habe ein Video aufgenommen, um die tolle Atmosphäre zu zeigen, als hinter mir zwei Typen auftauchten und das verhindern wollten“, erzählt Furtado. „Andere Fans haben das auch getan – zu denen sagten sie aber nichts. Der Ton war aggressiv.“

Dass ihn einzelne Zuschauer angehen, weil er sich im Fanblock auf Englisch unterhält, sei in dieser Saison bei drei von sechs besuchten Spielen vorgekommen. „Zum Glück wurde es noch nicht handgreiflich“, sagt Furtado.

Einmal, beim Hinspiel in Leverkusen, habe ihm eine Anhängerin seine Kamera entreißen wollen. „Sie legte kommentarlos ihre Hand auf meinen Arm und probierte die Aufnahmen zu stoppen“, berichtet Furtado. Wieder hätten andere Fans, die kein Englisch sprachen, unbehelligt weiterknipsen dürfen. „Und ein Typ sagte mir mal, ich solle doch zu Rot-Weiß Erfurt gehen – wir brauchen dein Geld nicht.“

Hitzige Diskussionen mit Union-Fans

Richter, wie Furtado Union-Mitglied, besteht darauf, dass er bislang lediglich von Problemen speziell bei Auswärtsspielen gehört habe, mit allen Unionern bis zum Frankfurt-Spiel aber gut klar gekommen sei.

Richter sagt: „Es war wohl so, dass zu diesem Spiel mehr britische Fans kamen, wir fielen also auch mehr auf als normalerweise. Nach dem Spiel haben uns dann zwei junge, leicht aggressive Männer in einer Bar gefragt, was wir bei Union-Spielen zu suchen hätten.“ Eine hitzige Diskussion habe sich entwickelt, die glimpflich ausgegangen sei, „die haben uns dann in etwas friedlicherer Stimmung verlassen, als sie davor waren.“

Richter und Furtado sind wohl keine Einzelfälle. Auf Twitter berichteten weitere Fans von Anfeindungen nach dem Spiel in Frankfurt. An den Klub sei nichts herangetragen worden, teilt Unions Pressesprecher Christian Arbeit mit. „Die Kartenknappheit der letzten Jahre hat allerdings dafür gesorgt, dass viel kritischer beäugt wird, welche Menschen denn Karten haben und woher. Das wäre eine mögliche Erklärung dafür, warum es offenbar jetzt auch ein paar negative Erfahrungen gibt“, sagt er.

69 Mitglieder, die eine britische Staatsbürgerschaft besitzen, hat der 1. FC Union, viele wohnen, anders als Richter, in Berlin. „Manche gehen seit etlichen Jahren zu Union“, sagt Richter, der einer formlosen Gruppe mehrerer englischsprachiger Fans angehört und seit 2018 auch Union anfeuert. Zuvor habe seine Liebe nur dem FC Liverpool gegolten.

Doch auf der Insel ist der Stadionbesuch nicht nur ein teures Hobby geworden, sondern auch ein zunehmend emotionsloses. „Wenn ich in Manchester bei einer Chance aufspringe, kommt sofort ein Ordner und sagt, ich soll mich wieder setzen“, sagte der walisische Union-Fan Nick Worthington dem Tagesspiegel mal. Unions Präsident Dirk Zingler hat zu diesem Thema vor etwas über einem Jahr gesagt: „Seitdem es Billigflieger gibt, kommen immer mehr Engländer zu uns ins Stadion.“

Damals spielte Union noch in der Zweiten Liga – und galt dennoch als attraktives Reiseziel für Fußballfans. „Die dürfen bei uns im Stadion rauchen, stehen, Bier trinken. Für die ist das Fußballheimat, das hat nichts Regionales, sondern es geht um die Art des Fußballs.“

John Richter und Julio Furtado wollen die Köpenicker „natürlich“ weiter unterstützen, sie lieben die Atmosphäre und Union. „Aber wenn man Teil des Klubs sein will, muss man diverse Schritte durchgehen, sonst gehörst du nicht zum Klub“, sagt Furtado.

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