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Debütantenball. England krönt sich erstmals zum Cricket-Weltmeister.

© Glyn Kirk/AFP

England feiert seine Cricket-Helden: Erstmals Weltmeister – nach rund neunstündiger Spielzeit

In einem epischen Finale gegen Neuseeland steht es nach regulärer Spielzeit 241:241. Die Entscheidung fällt auf eine bislang nie da gewesene Weise.

Auf dem Centre Court von Wimbledon blieben am Sonntag zwei Sitze frei. In der ersten Reihe, direkt an der Grundlinie und mit bester Sicht auf das dramatische Geschehen auf dem Rasen. Über das denkwürdige Männerfinale des Tennisklassikers zwischen Novak Djokovic und Roger Federer wird noch in Jahren gesprochen werden. In London allerdings war bereits Minuten nach dem Matchball ein anderes Sportereignis von noch größerer Bedeutung: Erstmals überhaupt hat England die Cricket-Weltmeisterschaft gewonnen - in einem Endspiel, das dem Tennisfinale in Sachen Nervenkitzel in nichts nachstand.

Rund neun Stunden dauerte das Duell zwischen England und Neuseeland im legendären Lord‘s Cricket Ground nur etwas mehr als zehn Kilometer nördlich des All England Lawn Tennis & Croquet Clubs. Wie im Match zwischen Djokovic und Federer fiel die Entscheidung letztlich in einer Form, die es so noch nicht gegeben hatte. Weil es nach regulärer Spielzeit 241:241 nach Runs stand, musste die Verlängerung, ein sogenanntes Super Over, herhalten. Auch hier erzielten beide Teams mit 15 die gleiche Anzahl an Runs, aber England hatte im gesamten Match mehr Boundaries geschafft - Schlagerfolge, die vier oder sechs Punkte wert sind.

Am Trafalgar Square im Herzen Londons fielen sich anschließend tausende Fans in die Arme oder kühlten ihre aufgeheizten Emotionen in einem der Brunnen ab. In Wimbledon hatte Novak Djokovic da gerade seinen Siegerpokal entgegen genommen. So mancher Engländer war in diesem Moment schon gar nicht mehr auf dem Centre Court, sondern starrte wie schon während des Tennisfinales immer wieder in sein Handy. Channel 4, ein privater Fernsehsender, hatte für das Cricket-Endspiel eine Sublizenz vom Rechteinhaber Sky erhalten. So war das Spiel für alle in Großbritannien frei empfangbar. Parallel übertrug die BBC Tennis. Dass Lewis Hamilton nebenbei noch das Formel-1-Heimrennen in Silverstone gewann, ging fast völlig unter.

Der Kapitän der englischen Cricket-Helden, Eoin Morgan, sprach von einer „absolut unfassbaren Reise für alle in unserem Land“ und bezeichnete den Titelgewinn als „phänomenal“. „Ich hoffe, wir haben viele Menschen mit unserer Leistung inspiriert“, sagte Ben Stokes, bester Spieler des Finals. Dass er sich kürzlich nach einer Prügelei noch vor Gericht verantworten musste, ist angesichts des WM-Triumphes fast vergessen. So überboten sich am Tag danach die englischen Zeitungen in Superlativen: „Champagne Super Over“ lautete die Schlagzeile auf der Titelseite gleich in mehreren Publikationen. Und der Daily Telegraph fragte: „Wer sagt, dass Cricket langweilig ist?“ Zumindest hat das Spiel das Königreich wieder einmal mit Stolz erfüllt, auch wenn es außerhalb des Commonwealth kaum jemanden interessiert.

Die zwei leeren Sitze auf dem Centre Court von Wimbledon waren am Ende des fünften Satzes übrigens doch wieder besetzt. Dass sie so lange freiblieben, könnte an einem anderen epischen Finale an diesem 14. Juli in London gelegen haben.

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