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Dieser Blick will mehr. Trainer Marco Rose ist ein glaubwürdiger Vertreter für die neuen Ansprüche bei Borussia Mönchengladbach.

© AFP

Endspiel gegen Real Madrid: Borussia Mönchengladbach übt den aufrechten Gang

Borussia Mönchengladbach kann erstmals das Achtelfinale der Champions League erreichen. Obwohl es gegen Real Madrid geht, gibt sich der Klub zuversichtlich.

Ein feiner Sinn für Humor ist nicht unbedingt das, was man als erstes mit dem europäischen Fußballverband Uefa in Verbindung bringt. Und die Fans von Borussia Mönchengladbach tun das im konkreten Fall sowieso nicht.

Der konkrete Fall: Das ist die Auswahl des Schiedsrichters für das abschließende Gruppenspiel ihrer Mannschaft in der Vorrunde der Champions League. Björn Kuipers wird an diesem Mittwoch (21 Uhr, live bei Dazn) Borussias Partie bei Real Madrid leiten. Ein Holländer. „Geht’s noch, Uefa?“, fragte daraufhin das Boulevardblatt „Express“.

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Wie so vieles bei Borussia Mönchengladbach hängt auch diese Empörung mit der Vergangenheit zusammen. Im März 1976 traf der Klub erstmals auf Real Madrid, der Wettbewerb hieß noch Europapokal der Landesmeister, und nachdem die Gladbacher zu Hause 2:2 gespielt hatten, schieden sie durch ein 1:1 bei Real bereits im Viertelfinale aus – auch weil der Schiedsrichter zwei porentief reine Tore der Gäste nicht anerkannt hatte. Der Mann hieß Leonardus van der Kroft und war: ein Holländer.

Zwei Mal ist die Borussia bisher im Europapokal auf Real getroffen, beide Male machte sie traumatische Erfahrungen: 1976 mit dem Schiedsrichter und 1985 im Uefa-Pokal, weil sie nach einem 5:1 zu Hause in Madrid 0:4 verlor. Beide Male war das Spiel im Bernabeu-Stadion zugleich das letzte der Gladbacher im Europapokal. Das immerhin kann ihnen diesmal nicht passieren.

Zum einen findet das Spiel nicht im Bernabeu statt, sondern im Stadion Alfredo di Stefano; zum anderen haben die Gladbacher als Dritter zumindest die Teilnahme an der Europa League bereits sicher. Alles andere aber ist in der Gruppe B noch offen, in der es so spannend zugeht wie in keiner anderen der acht Vorrundengruppen.

Alle Teams können noch weiterkommen

Nur in Gruppe B haben noch alle vier Mannschaften die Chance, sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Drei Klubs (alle bis auf Inter Mailand) können sogar noch Gruppensieger werden, ebenfalls drei (alle bis auf Borussia Mönchengladbach) aber auch Letzter. Als „ein bisschen verrückt“ hat Gladbachs Innenverteidiger Matthias Ginter das Geschehen in der Gruppe erlebt. „Es ist kreuz und quer durcheinander gegangen.“ So hat Real zwei Mal gegen Schachtjor Donezk verloren, das wiederum von den Gladbachern zwei Mal mit insgesamt 10:0-Toren abgefertigt worden ist.

Vor den letzten beiden Partien an diesem Mittwoch weist die Tabelle überraschend die Außenseiter Donezk und Mönchengladbach an ihrer Spitze aus. Die Ausgangslage scheint also wie geschaffen für Borussia Mönchengladbach, um mal wieder Borussia Mönchengladbach zu sein. Das tragische Scheitern halten schließlich viele für einen Markenkern dieses Klubs. Borussia ist Tabellenführer, ein Unentschieden reicht zum Weiterkommen – weiß nicht jeder, was passieren wird?

Gladbach entdeckt die Lust am Ehrgeiz

„Wenn wir es jetzt nicht schaffen sollten, wäre es schon eine Enttäuschung“, hat Matthias Ginter in einem Dazn-Interview gesagt. Borussia Mönchengladbach hat sich verändert, und das will die Mannschaft bestenfalls schon gegen Real auf spektakuläre Weise dokumentieren. Der Klub mit Sportdirektor Max Eberl an der Spitze stand lange unter dringendem Understatement-Verdacht. Mehr und mehr aber entdeckt er die Lust am Ehrgeiz.

Die Jahre um die Jahrtausendwende, als sich der Verein für anderthalb Jahrzehnte verlässlich an der Grenze zwischen Erster und Zweiter Liga bewegte, haben dazu geführt, dass die Gladbacher fast automatisch eine geduckte Haltung eingenommen haben. Seit 2011 aber haben sie sich Stück für Stück aufgerichtet, und jetzt scheint es, als sei ihnen plötzlich bewusst geworden: Mensch, wir sind ja ganz schön gewachsen.

„Wir sind ein großer Klub“

„Ich glaube, dass wir ein großer Klub sind. Wir sind ein Champions-League- Klub. Wir können genug bieten“, hat Max Eberl vor ein paar Tagen gesagt. Borussias Sportdirektor sieht sich gerade Woche für Woche mit Spekulationen konfrontiert, wer den Klub wohl bald schon verlassen könnte: vielleicht Trainer Marco Rose, oder die Verteidiger Ginter und Elvedi, die Mittelfeldspieler Neuhaus und Zakaria oder die Stürmer Plea und Thuram. Er sei langsam müde, diese Fragen zu beantworten, hat Eberl gesagt. „Wir haben einen herausragenden Kader, wir haben einen Top-Trainer. Wir sind ein guter Verein.“

Der Mentalitätswechsel in Mönchengladbach wird von niemandem so glaubwürdig vertreten wie von Marco Rose, der immer wieder sagt, er wolle „maximal erfolgreich“ sein. Am Dienstag vor dem Abflug nach Madrid wurde Borussias Trainer, der gerade seine erste Saison überhaupt in der Champions League erlebt, gefragt, welche Bedeutung das Spiel bei Real eigentlich für ihn habe. „Es gibt schon größere Dinge, die man erreichen kann“, antwortete er. „Wenn ich so vor dem Schlafen die Augen zumache, hätte ich schon ein paar Ideen.“

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