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Rückkehr nach 368 Tagen. Caster Semenya (rechts) war wie schon bei der WM 2009 im Olympiastadion nicht zu schlagen. Foto: ddp

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Sport: Ende der Leidenszeit

Caster Semenya wird vom Publikum freundlich, aber verhalten empfangen und gewinnt über 800 Meter

Berlin - Der Applaus war freundlich, wohlwollend – aber keineswegs begeistert. Vielleicht hatte sich Caster Semenya ein wenig mehr erhofft, als ihr Name aufgerufen wurde bei der Vorstellung der 800-Meter-Läuferinnen im Olympiastadion. Schließlich hatte sie hier vor fast genau einem Jahr in dieser Disziplin überragend den WM-Titel gewonnen, mit nur 18 Jahren. Doch da gab es bereits die Spekulationen. Spekulationen, dass diese junge Läuferin womöglich gar keine Frau sei. Riesig war ihr Vorsprung gewesen, in 1,55:45 Minuten hatte sie ihre Konkurrentinnen deklassiert. Das und ihr kantiges Aussehen schürten die Gerüchte. Als sie nun am Sonntag auf dieselbe blaue Bahn zurückkehrte, war beides nicht mehr so eindeutig. Aber Semenya siegte wieder. In 1:59,90 Minuten, immerhin eine neue persönliche Saisonbestleistung. Zum ersten Mal lief die Südafrikanerin, die man elf lange Monate wegen der Spekulationen um ihr Geschlecht nicht hatte starten lassen, wieder unter 2:00 Minuten.

Sie wollte sich feiern lassen dieses Mal. Doch auch bei Semenyas Ehrenrunde wollte so recht keine Stimmung aufkommen. Gleichzeitig sprang nebenan gerade Ariane Friedrich. Trotzdem wirkte die Südafrikanerin einigermaßen zufrieden, genau ein Jahr und drei Tage nach dem größten Erfolg ihrer jungen Karriere und dem Beginn der Spekulationen endlich zurück zu sein. „Hier zu sein bringt natürlich die Erinnerungen zurück“, sagte die immer noch eingeschüchtert wirkende19-Jährige. „Das Publikum hat mich nett empfangen, es war gut, ich habe mich zu Hause gefühlt.“ Was soll sie auch sagen? „Das Ganze war nicht leicht für ein 19-jähriges Mädchen.“ Fast ein ganzes Jahr lang hatte sie nicht starten dürfen – im Leben eines Sportlers eine Ewigkeit. Bis März hatte sie gar nicht trainiert, vor fünf Wochen kehrte sie in Finnland auf die Bahn zurück – und siegte. Entwürdigend waren die monatelangen Diskussionen. Es wird spekuliert, dass der Weltverband IAAF sie sogar gedrängt habe, sich einer Hormonbehandlung oder gar einer Operation zu unterziehen, um wieder starten zu dürfen. Semenya sagt dazu nichts: „Ich spreche nur über die Zukunft. Ich bereite mich auf die Olympischen Spiele vor.“

Diesbezüglich kann man sagen: Es geht aufwärts. Die erste Zeit unter 2:00 Minuten ist ein Erfolg und geht insofern in Ordnung, als dies erst Semenyas drittes Rennen nach dem Titelgewinn 2009 war. Sie versucht es positiv zu drehen: „Es war gut, eine Pause zu machen“, sagt sie und grinst etwas. Sie arbeitet an ihrer Weiblichkeit. Caster Semenya hat etwas zugelegt, wie sie auch selbst zugibt, wirkt dadurch runder, weiblicher. Und die Zweifel an ihrer Weiblichkeit waren schließlich ihr Problem. Am Sonntag sah es zunächst so aus, als könne Semenya nicht mehr mithalten. In der ersten Runde lag sie weit zurück, ließ sich bis auf den drittletzten Platz zurückfallen. Doch dann, als es auf die zweiten 400 Meter ging, griff die 19-Jährige an. „Es ist lange her, dass ich ein so schnelles Rennen gelaufen bin“, sagte sie später. „Ich wollte erst einmal abwarten und mich auf die letzten 100 Meter konzentrieren.“ Dort spielte sie dann die riesigen Reserven aus und zog an allen vorbei.

Diesmal stellte sich Caster Semenya auch den Fragen der Journalisten. Das hatte man ihr vor einem Jahr verwehrt, als die Spekulationen schon im Raum standen – obwohl sie gerade Weltmeisterin geworden war. Allein im Hotelzimmer wartete sie darauf, dass ihr jemand erklärte, was eigentlich los war. „Die denken, ich bin ein Mann“, soll sie in einem Telefongespräch zu ihrer Oma in Südafrika gesagt haben. All diese Spekulationen sollen nun endlich ein Ende haben. Fast ein ganzes Jahr hat die junge Sportlerin verloren. Der Auftritt in Berlin war zumindest ein Schritt zurück. Zurück zur Normalität.

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