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Trainer Sandro Schwarz trainierte bis zuletzt Dynamo Moskau.

© Imago/Alexej Filippow

Emotionale Ansprache von Sandro Schwarz: Herthas neuer Trainer erklärt seinen Verbleib in Russland

Trotz des Krieges in der Ukraine trainierte Schwarz bis zuletzt Dynamo Moskau. In einer Videoschalte offenbart er seine innere Zerissenheit.

Die offizielle Vorstellung von Sandro Schwarz bei Hertha BSC erfolgt erst in knapp zweieinhalb Wochen, am 20. Juni. Doch dem neuen Trainer des Fußball-Bundesligisten war es wichtig, sich bereits jetzt zu äußern. Was er am Freitagmittag in einer virtuellen Medienrunde tat. Zu verschiedenen Themen, vor allem aber zu einem Thema: Seiner Entscheidung, nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar Russland nicht direkt zu verlassen, wie es beispielsweise seine deutschen Trainerkollegen Markus Gisdol (Lok Moskau) und Daniel Farke (FK Krasnodar) getan hatten. Sondern noch drei Monate bei Dynamo Moskau zu bleiben, bis zum vergangenen Sonntag.

„Wer mich als Mensch kennt, weiß, dass ich diesen Angriffskrieg komplett verurteile“, sagte Schwarz. Dass er weitergemacht habe, „hat nichts, aber auch gar nichts mit meiner politischen Haltung zu tun“. Und es habe auch nichts mit Sport zu tun gehabt „oder mit Titeln oder finanziellen Aspekten. Überhaupt nicht.“

In emotionalen Worten betonte Schwarz, dass die Situation für ihn „sehr herausfordernd und sehr schwierig“ gewesen sei: „Ich hatte eine innere Zerrissenheit als Mensch.“ Er berichtete davon, dass russische und ukrainische Spieler zu ihm gekommen seien und sie wegen der Situation zusammen geweint hätten. „Den Krieg hat man auch in Russland gespürt“, sagte Schwarz: „Jeder hatte seine eigenen Schicksalsschläge, mit Freunden oder Verwandten in der Ukraine.“

Schwarz' Familie blieb ebenfalls in Moskau

Die Zeit in Moskau trennt der 43-Jährige in zwei Teile: Von seinem Start im Herbst 2020 bis zum Tag des Kriegsbeginns – und die Zeit danach. Seine Beweggründe, nicht sofort das Amt aufzugeben, legte der 43-Jährige ausführlich dar. Er habe viele Gespräche im Verein geführt, nicht nur mit Spielern: „Das sind gute Menschen im Dynamo-Umfeld, die eine klare Haltung zu dem Thema haben wie wir alle.“

Schwarz, dessen Frau und seine beiden Kinder mit ihm in Moskau waren, hatte sowohl bei seiner ersten Bundesligastation beim FSV Mainz 05 als auch in Moskau sehr hohes Ansehen in der Mannschaft genossen. Die Entscheidung, zunächst zu bleiben, habe er als Mensch getroffen, nicht als Trainer: „Ich musste für diese Menschen in meinem Umfeld da sein. Das war mein Verantwortungsbereich. Das hatte nichts mit dem Job zu tun. Ich weiß, welcher Anker ich auch für sie war.“

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Der Trainer betonte, dass er die Entscheidung nicht nur einmal getroffen habe und diese dann Bestand hatte: „Ich habe die Situation Tag für Tag aufs Neue bewertet.“ So blieb er bis zum Pokalfinale, das Dynamo vor wenigen Tagen 1:2 gegen Spartak Moskau verlor. Der Klub hatte anschließend ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie sich die Fans vom sichtlich gerührten Schwarz verabschieden. Sein Vertrag wäre eigentlich bis 2024 gelaufen.

Vor Bekanntgabe der Verpflichtung des neuen Trainers hatte Hertha BSC auf der Vereinswebseite ein Interview mit Andrej Woronin veröffentlicht. Der ehemalige Herthaprofi war bei Dynamo Moskau Assistent von Schwarz gewesen und hatte den Verein nach Beginn des Krieges ebenso wie Abwehrspieler Ivan Ordets verlassen. Beide sind Ukrainer. „Als Mensch und als Trainer hat Sandro alles richtig gemacht. Er hat gezeigt, dass es für ihn nicht nur um das Sportliche oder ums Geld ging, sondern darum, die Menschen vor Ort nicht im Stich zu lassen. Das zeichnet ihn aus“, sagte Woronin.

Kritik von Hertha-Fans

Schwarz betonte am Freitag, er könne die kontroversen Diskussionen in der Öffentlichkeit verstehen. Kritik hatte es unter anderem von Hertha-Fans bereits gegeben, nachdem Schwarz als Kandidat für den Trainerposten gehandelt worden war. Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic sagte nun in der „BZ“, der Klub habe keinerlei Bedenken politischer Art gehabt: „Es hat insofern keine Rolle gespielt, weil wir seine klare Haltung zu diesem Thema kennen und auch sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Menschen, mit denen er arbeitet.“

Dass Ende Mai in Moskau Schluss sein würde, sei für ihn Ende März klargewesen, sagte Schwarz. Zu dem Zeitpunkt, als immer deutlicher wurde, dass der Krieg nicht innerhalb weniger Wochen vorbei ist. Es sei für ihn nicht vorstellbar gewesen, im Sommer nach Deutschland zu fliegen und anschließend nach Moskau zurückzukehren. Er habe all das gemacht, „was ich als Mensch für mich vertreten kann“. Und: „Das sind auch Freunde, die ich verlassen habe.“

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Nun sei er „extrem erleichtert, dass diese Drucksituation für mich beendet ist“, sagte Schwarz. Ein normales Leben könne er angesichts des Krieges nicht führen, aber er freue sich auf die neue Herausforderung bei Hertha BSC. Schwarz wird Tamas Bodog, mit dem er einst bei Mainz 05 in der Zweiten Liga zusammengespielt hat, und Volkan Bulut als Co-Trainer sowie Daniel Fischer als Videoanalysten mitbringen. Mit den beiden letztgenannten hat er schon in Moskau zusammengearbeitet.

„Jetzt gilt es Energie zu tanken. Und dann muss ab dem ersten Tag gearbeitet werden“, sagte Schwarz. Diese Arbeit beginnt nach seinem Urlaub ab dem 20. Juni. Am Tag, an dem Schwarz offiziell vorgestellt wird und die Mannschaft mit der Vorbereitung auf die neue Saison beginnt.

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